-𝕋𝕨𝕖𝕟𝕥𝕪 𝕋𝕨𝕠-

Ich bin nicht in der Lage, mich zu bewegen.

Natürlich erinnere ich mich an unseren letzten Kuss und komme auch nicht darum herum, die beiden Küsse miteinander zu vergleichen.

Dieser jetzt ist anders.

Anders als alles, was ich je erlebt habe.

Ich weiß auch nicht, warum ich es zulasse, Tristan mit allen Mitteln des homo sapiens zu verletzen. Ich weiß es wirklich nicht.

Kann ich nicht ... ich meine, wenn ich ...

Das ist mir noch nie untergekommen. Dass jemand meine Gedanken zum Purzelbäume schlagen bringt, meine ich.

Meine Reaktionszeit beträgt 5,2 Sekunden, bis ich es schaffe, mich von ihm zu lösen und die Augen aufzureißen. Wie kann er es wagen ...?

"Carter, ich ... es ... Gott ..." Er scheint die richtigen Worte zu suchen, aber ich bin zu überrascht, als dass ich hätte ordnungsgemäß antworten geschweige denn darüber nachdenken können.

Das habe ich nämlich definitiv nicht kommen sehen.

"Ich werde dann jetzt ..." Er weist auf die Tür, aber ich kann mich nicht rühren. Auch nicht, als er schon lange verschwunden ist.

Wahrscheinlich stehe ich sprachlos in meinem Zimmer, bis die ersten Sonnenstrahlen meine Haut berühren. Das nächste, an das ich mich erinnern kann, ist der Anruf bei Tristan, um ihn um ein Treffen bei mir Zuhause zu bitten.

Mit irgendwem muss ich darüber reden und Tristan ist definitiv der einzige, dem ich das alles erklären kann. Dem ich alles erklären werde.

Als es klingelt, stolpere ich fast auf der Treppe, so hastig renne ich diese herunter. "Gehst du bitte, Carter?", ruft Maryse durch das ganze Haus und ich vermute, dass sie im Wohnzimmer ist.

Ich antworte nicht, sondern öffne lediglich - wie von mir verlangt - die Tür.

Ein übermüdeter Tristan, dessen Haare ungeordnet aussehen, als sei er gerade erst aufgestanden und hergehetzt, steht vor ihr. Trotz der Müdigkeit lächelt er mich lieb an und umarmt mich kurz, bevor wir uns auf den Weg nach oben machen wollen.

Doch bei dieser Tätigkeit werden wir unterbrochen, indem mich Maryse erneut ruft.

"Carter, wer ist denn da?" Tristan nimmt meine Hand und folgt mir ins Wohnzimmer, wo wir vor der Couch, auf der Maryse sitzt, stehen bleiben. Ihren überraschten Blick als sie Tristan und meine Hand in seiner sieht, werde ich wahrscheinlich nie vergessen können.

"Tristan", beantworte ich letztlich ihre Frage und bringe ein zumindest halbwegs gelungenes Lächeln zustande.

"Hey, Tristan, schön, dass du hier bist." Auch ihr Lächeln wirkt ein wenig gequält, aber ich verstehe nicht, wieso.

Dann fällt mir ein möglicher Grund ein. Und ich wäre ja nicht ich, wenn ich diesen nicht auch sofort ansprechen würde: "Du erwartest jemanden, oder? Diesen Mann, der ... der neu- neulich hier war, o- oder?"

Tristan drückt als Zeichen seiner Gegenwart kurz meine Hand und lächelt mir zu, sodass ich es schaffe, das Stottern aus meinen Sätzen zu verbannen.

"Ja und nein. Ich wollte mich mit jemandem aussprechen, den ich zu um neun hierher bestellt habe."

Ohne auf die Uhr zu sehen, weiß ich, dass es bereits nach neun ist. "Und du dachtest, Tristan wäre diese Person?" Vielleicht hätte die Frage auch eine Feststellung sein können, das kann man nie so genau wissen.

Als Maryse nickt, weise ich auf die Tür Richtung Flur.

"Wir gehen dann hoch. Viel Spaß beim Warten." Sie lächelt noch einmal und
Tristan erwidert das ganze, ich selbst kann mich jedoch nicht dazu durchringen.

Irgendetwas läuft hier gewaltig schief.

Wir laufen die 24 Treppenstufen, die auf zwei Absätze verteilt sind, zum ersten Stock hinauf.

Das Haus selbst hat einen Keller, in dem heutzutage nur noch Gerümpel meines Groß- und Urgroßvaters zu finden sind und der bei der Restaurierung des Hauses nicht mit einbezogen wurde.

Um das Haus herum, befinden sich eine Veranda plus Geländer, auf der wir bei schönem Wetter frühstücken können, da sie auf der Rückseite des Hauses in einer enormen Holzfläche zusammenläuft, die so einige Sitzgelegenheiten zu bieten hat.

Im Erdgeschoss befinden sich ein weiträumiger Flur mit Treppe, eine neumoderne Küche mit anschließendem Esszimmer, ein großes Wohnzimmer mit allem drum und dran - sogar eine Tür zur hinteren Veranda - und eine kleine Abstellkammer, in der sich bezüglich der Fläche wahrscheinlich mehr unbenutzte Gebrauchsgegenstände befinden, als im Keller. Außerdem gibt es noch eine Tür, hinter der sich eine Treppe ins Untergeschoss verbirgt, da Maryse ebendiese nicht unbedingt in der Abstellkammer haben wollte.

Genau verstehe ich nicht, warum wir im ersten Stock vier Gästezimmer einschließlich begehbarem Kleiderschrank und Bad haben, aber Maryse wird schon wissen, was dem Architekten damals angewiesen wurde. Abgesehen von diesen zumeist unbenutzten Schlafzimmern wären da noch Maryse Zimmer, durch das man in ihr Arbeitszimmer und ihr Bad gelangen kann und mein Zimmer inklusive Bad.

Die Treppe zum Dachboden hat lediglich 20 Treppenstufen, die jedoch ununterbrochen Richtung zweites Stockwerk verlaufen, das wir manchmal auch als Dachboden bezeichnen. Dort oben gibt es eine Bibliothek mit etwas mehr als eintausend Büchern und eine gepolsterte Fensterbank, auf der ich an manchen Tagen sitze und einfach meinen Gedanken nachhänge.

Um zurück ins hier und jetzt zu kommen, schüttele ich den Kopf.

Tristan und ich setzen uns aufs Bett, während er mich fragend ansieht, wahrscheinlich um zu erfahren, warum ich ihn um halb zehn Uhr morgens aus dem Bett geholt habe.

Ich dagegen habe vorerst kein Interesse daran, ihm irgendetwas zu erzählen, weshalb ich meine Lippen auf seine presse und ihn küsse.

"Carter", keucht Tristan und umfasst meine Wangen.

Bevor wir den Kuss weiter vertiefen können, löse ich mich von ihm und sage: "Noah hat mich geküsst."

Er fährt hoch und sieht mich geschockt an. "WAS?!"

Ich bin leicht verwirrt und erwidere deshalb: "Soll ich meine Aussage wiederholen?"

Er schüttelt den Kopf und grinst kurz. "Nur sofern du nicht gesagt hast, dass Noah dich geküsst hat." Sofortig wird er wieder ernst, als er die Worte ausgesprochen hat.

Ich schweige.

Tristan kneift seine Augen zusammen und pikst mir in die Seite. "Er hat dich also geküsst? Wie kann er es wagen?! Er kann nicht ... ich meine er ... Carter!" Er wirft empört die Hände in die Luft und schlingt dann beide Arme um mich.

Soweit es mir möglich ist, zucke ich mit den Schultern.

"Du ... hast also nichts dazu zu sagen? Carter, du kannst doch nicht einfach ... Manno, du bist gemein." Seinen Kopf legt er beleidigt auf meine Schulter und zieht mich auf seinen Schoß.

Ich fahre mehrmals durch seine hellbraunen Haare und murmele ein "Ich weiß". Irgendwie glaube ich, dass er kurz davor ist, einzuschlafen, was ich ihm insgesamt gar nicht verübeln kann, weshalb ich meinen Rücken ein wenig durchdrücke, wodurch er sich hinlegt.

Wir kuscheln eine Weile, aber irgendwann wird mir langweilig und ich drehe mich umständlich zu ihm um, damit ich ihn ansehen kann.

"Ich liebe dich auch, Tristan. Das kommt ein wenig verspätet, aber ich glaube, dass das noch in den Bereich der Akzeptanz fällt. Keine Ahnung, was man dazu noch sagt, weil ich glaube, dass das reicht - dass es reichen muss." Ich sitze rittlings auf seinem Bauch und küsse ihn zur Bestätigung meiner Worte.

Er lächelt in den Kuss hinein und seine Hände wandern fast automatisch zu meinem Hintern, um mich zu halten.

"Du machst mich einfach wahnsinnig, Carter", flüstert er mir zu, als wir uns voneinander gelöst haben.

"Ist das gut oder schlecht?" Verwirrt kneife ich die Augen zusammen und versuche seine Worte zu analysieren.

Ohne Erfolg.

"Das ist super!" Tristan streichelt meine Wange, aber ich ziehe mein Gesicht weg.

"Was sollte super daran sein, jemanden wahnsinnig zu machen? Ich will nicht, dass du eingewiesen wirst!" Demonstrativ schlinge ich meine Arme um seinen Körper und bette meinen Kopf auf seiner Schulter.

"Ich werde nicht-" Er bricht mitten im Satz ab und beginnt von vorne: "Carter, wenn jemand jemand anderen wahnsinnig macht, ist nicht die geistige Gesundheit betroffen, sondern es wird viel mehr das Verlangen geschärft, immer bei dem anderen zu sein, mit ihm zu lachen und zu weinen und zu tanzen. Verstehst du das?"

Ich nicke und will ihm antworten, werde aber von der Klingel unterbrochen. Tristan und ich sehen uns schweigend an, küssen uns halb automatisch und ganz kurz und machen uns dann auf den Weg, die Treppe nach unten.

Eine Frau mit ursprünglich braunen, jetzt aber blond gefärbten Haaren steht im Eingangsbereich des Hauses, gegenüber von Maryse und scheint sich mit ihr ein Blickduell zu liefern, an dessen Fronten man lieber nicht geraten will.

"Wer ist das, Maryse?", frage ich, aus der Verwirrung nicht herauskommen könnend.

"Dorothea Julia Mikaels Sorensen." Den Namen spricht sie so voller Abscheu aus, dass man meinen könnte, sie hätte Gift geschluckt.

"Julia Dorothea", berichtigt vorher Genannte und verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust.

Sie ist ein wenig - okay viel - jünger als Maryse und dann natürlich auch als Victor. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie Founding Partner ist, sie scheint mir nicht wirklich genug Erfahrung zu haben.

Um ihren rechten Ringfinger findet sich ein aus - wahrscheinlich zumindest - Echtgold geschmiedeter Ring wieder, in den ein hochkarätig aussehender Saphir eingelassen wurde. Der Ring an und für sich wird seinen Käufer viel Geld gekostet haben und da ich nicht davon ausgehe, dass sie ihn sich selbst gekauft hat, wird sie wahrscheinlich verlobt sein.

Sie ist blass, aber das Rouge auf ihren Wangen ist nah dran, diese Tatsache zu überdecken und hebt als angenehmen Nebeneffekt sogar noch ihre braunen, kleinen Augen hervor.

Alles in Allem erinnert sie ein wenig an eine Schlange - hinterhältig und falsch. Sie scheint Leute um den Finger zu wickeln und sie schließlich in den Würgegriff zu nehmen, als verdiene sie sich damit ihr täglich Brot.

Irgendwie habe ich das Gefühl, mir die Hände waschen zu wollen, als ich ihre Hand nehme und sie mich überdramatisiert freundlich anlächelt.

"Freut mich, junger Mann, dessen Name mir noch nicht verraten wurde." Sie trägt falsche Wimpern und blinzelt mit diesen so stark und übertrieben, dass sie wahrscheinlich kurz vor dem Abfallen sind. Aber soll sie doch - mich interessiert sowieso nur Tristan.

"Carter Redwood." Dass der Name ihr eine Gänsehaut verpasst, habe ich nicht erwartet, aber wenigstens habe ich die Chance, zwei Schritte zurück zu treten, um mich wieder neben Tristan zu stellen, der mit sofortiger Wirkung seinen Arm um mich schlingt.

"Und du bist ...?" Sie sieht Tristan fast schon wütend an, als sie seine Hand um meine Taille sieht.

"Tristan Scott, Carters Freund", grinst er anhand ihrer Reaktion.

Ich sage nichts dazu - ich weiß ja, dass Tristan besitzergreifend ist - und auch Maryse scheint vergleichsweise locker mit der neuen Information umzugehen.

"Natürlich." Julia Dorothea verdreht ihre Augen und verleiht ihrer Stimme eine gewisse ironische Note, die das Wort ein wenig verzerrt klingen lässt - vielleicht beißt sie sich gerade ja aber auch auf die Wangeninnenseite, so wie ich es tue.

"Lass uns ins Wohnzimmer gehen, Julia." Maryse kann sie offenkundig nicht leiden - und da muss ich ihr ausnahmsweise mal Recht geben.

"Verziehen wir uns nach oben?", flüstert Tristan in mein Ohr, als die beiden Frauen sich auf den Weg in das gegenüberliegende Wohnzimmer machen.

"Ich will bei dem Gespräch unbedingt dabei sein", murmele ich zurück und sehe ihm dabei bedeutungsvoll in die Augen, was ihn zum Nicken bringt.

"In Ordnung."

Wir folgen meiner Tante und Julia Dorothea, die inzwischen, mit Beachtung eines bestimmten Abstandes, auf der Couch sitzen und sich anschweigen. So viel dann zum Thema aussprechen.

Tristan setzt sich auf den passend zur Couch schwarzen Kunstleder-Sessel und zieht mich auf seinen Schoß. Ich glaube, ein kleines Aufschnauben seitens unserer Besucherin gehört zu haben, aber sicher bin ich nicht.

"Also, Julia, Victor sagte, du seist in der Kanzlei, in der er vorher gearbeitet hat, seine Assistentin gewesen, ist das richtig?" Ihre Stimme ist viel zu warm und offen. Klares Zeichen: Julia wird manipuliert.

"Ja, das ist es. Er war so beeindruckt von meiner Arbeit, von meiner Denkweise und hat außerdem mein Potential gesehen, dass er mich schließlich gefragt hat, ob ich nicht eine Kanzlei mit ihm gründen wolle. Natürlich habe ich zugestimmt, einen so attraktiven Mann nicht mehr als Chef, sondern als Partner zu haben, kann sich wirklich sehen lassen." Ihr Lächeln ist so falsch, dass ich mir über den Nasenrücken reiben muss, was Tristan dazu veranlasst, mich noch ein wenig zu sich zu ziehen.

"Hast du mit Victor geschlafen?" Maryse Augen sind, soweit ich sehen kann, geschlossen und sie scheint nur nach Bestätigung für eine längst festgestellte Tatsache zu suchen.

Julia nickt. "Ja, das habe ich." Irgendwie wirkt sie fast schon reuevoll. "Aber das ist schon ein halbes Jahr her, jetzt bin ich mit einem Mann verlobt, der einen Sohn in eurem Alter hat." Bei ihren Worten sieht sie Tristan und mich an. "Sein Name ist Daniel, Daniel Morgan."

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(Edit: Ich habe die Fakten über mich herausgenommen, weil sie mir ein wenig zu persönlich waren, deshalb gibt es jetzt zehn Fakten über das Buch)

1. Carter ist weitestgehend von mir selbst inspiriert
2. Ich bin jetzt schon am planen für eine Fortsetzung
3. In der Fortsetzung stirbt eine Schlüsselperson
4. Carter sollte ursprünglich Jasiah Blackrose heißen, ich habe mich aber doch dagegen entschieden
5. Carter hat eine Zwangsstörung
6. Das Buch wird mas o menos 50 Kapitel haben
7. Das Victor Maryse betrogen hat, war gut, auch wenn man das jetzt noch nicht wahr haben möchte
8. Eigentlich wollte ich das Buch gar nicht veröffentlichen
9. Es ist deshalb entstanden, weil ich ironischerweise eine Badboy-Geschichte gelesen habe - nur zum Spaß. Dazu ist mir dann das jetzige neunte Kapitel eingefallen, also das Geschäftsessen. Eigentlich sollte es komplett sarkastisch und vor allem lustig sein, aber dann ist Carter aus der Welt meiner Gedanken entsprungen - und jetzt ist er sowas wie mein virtueller bester Freund
10. Kathy sollte anfangs ein Kerl namens Simon sein, während Tristan zu erst Peyton heißen sollte.

Ich weiß nicht, ob sich das jetzt irgendwer durchgelesen hat, aber es ist tatsächlich so, dass mir die Fakten über mich leichter gefallen sind, als die Fakten über das Buch.

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Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und dass ich eure grauen Zellen angestrengt habe. Wie klein die Welt doch ist, nicht wahr?

Wie dem auch sei, ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag und bis Dienstag 🤗.

Man liest sich (hoffentlich)! ☺❤

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