-𝕋𝕨𝕖𝕝𝕧𝕖-
Als ich am nächsten Morgen aufwache, befindet sich ein schlafender Tristan neben mir. Seine linke Wange ist in die Matratze gedrückt - das wird schwere Spuren hinterlassen - und sein Rücken ist ein wenig zu mir gewandt. Er liegt auf dem Bauch, seine Arme in einem schmerzhaft aussehenden Winkel auf seinem Rücken und seinem Bauch befindlich.
Ich empfinde das Duschen am Morgen als unmotivierend und unpraktisch. Man ist nass und total gehetzt.
Andersherum ist abends Duschen eine Schandtat für sich. Vor allem die Folge des Spiegelbildes am nächsten Morgen, wenn meine Haare nicht das tun, was mein Kamm und ich von ihnen wollen.
Aus diesem Grund dusche ich nachmittags, wenn ich von der Schule komme. Außer gestern. Da hat mich ein viel zu attraktiver Tristan abgelenkt.
Aber, hey, wenn ich stinken würde, wäre ihm das ja wohl aufgefallen, oder?
Beim Duschen verhalte ich mich meistens wie eine Katze. Außer das mit den Geräuschen, die ich von mir gebe, die ähneln viel weniger einer Katze als einem Schwein.
Nur, dass ich lange nicht so sauber wie ein Schwein bin, da das einfach nicht in der Natur des Menschen liegt.
Ich will nicht aufstehen. Meine innere Uhr möchte mich dazu bewegen - ich verzichte seit Jahren auf den Gebrauch eines elektronischen Weckers, wegen der Strahlung -, aber Lust habe ich keine und der Typ neben mir, genannt Tristan, macht diese Tatsache nicht besser.
Der, in ein schwarzes T-Shirt gehüllte, Teddybär neben mir gibt ein grummelndes Geräusch von sich und dreht sich in meine Richtung.
Dabei verzieht er kurz sein Gesicht, weil er seinen Arm unbewusst unter seinem Rücken eingequetscht hat.
Seine Augen öffnen sich, nachdem er sich leicht ungelenk so gedreht hat, dass der Blutfluss in seine Arme wieder möglich ist.
Schließlich empfängt mich ein herzliches Lächeln, dass ich jeden Morgen nach dem Aufstehen sehen könnte.
Das meine ich ernst. Ich könnte, wenn ich motiviert genug wäre, jeden Morgen mein eidetisches Gedächtnis zu benutzen.
Bin ich nebenbei bemerkt nicht.
Tristan schlingt seine zuvor nahezu verkrüppelten Arme um meinen Körper und zieht mich so in eine Umarmung, die ich aus heiterem Himmel erwidere.
Normalerweise bin ich kein Mensch, der gern umarmt.
Bin ich wirklich nicht, keine Ahnung, woher das kommt. Meine Tante hat mich immer umarmt, als ich klein war und sie gab mir auch hin und wieder einen Kuss auf die Stirn oder so.
Als wir uns wieder lösen, spitzt er die Lippen und will wahrscheinlich einen Kuss. Ich dagegen drücke nur sein Gesicht weg und gehe zu meinem Schrank.
"Wag' es dir ja nicht zu pfeifen", warne ich, da ich mir sicher bin, dass er es tun würde.
"Und wenn ich es tue?" Ich schnappe mir frische Anziehsachen und verschwinde kommentarlos im Bad.
Die erste Unterrichtsstunde beginnt um acht und geht bis halb zehn, also noch gut eine halbe Stunde, dann sollten wir losfahren.
Als ich gekämmt und angezogen aus dem Bad komme - gehe ich eben heute Nachmittag duschen -, liegt Tristan noch immer im Bett und räkelt sich.
"Du musst jetzt aufstehen", verkünde ich und er zieht eine Schnute.
"Du hast mir nicht mal einen Guten-Morgen-Kuss gegeben. Außerdem habe ich nichts zum Anziehen und ..."
Während er redet, bin ich näher an das Bett herangetreten und knie mich auf seine Höhe.
Unsere Lippen berühren sich nur ganz leicht, sobald er seinen Kopf nach vorn bewegt, geht meiner zurück; natürlich nur, um ihn zu ärgern.
"Du kannst auch so in die Schule gehen. Oder du gehst nackt", schlage ich vor und merke, wie ich eine Gänsehaut bekomme, als sein heißer Atem gegen mein Ohr prallt.
"Was hältst du davon, wenn wir schwänzen und stattdessen ... andere Dinge tun, bei denen man wirklich nichts tragen muss?", haucht er und grinst dabei gewinnend.
Ich schüttele den Kopf, noch gebannt von seiner morgendlichen Stimme, die auf die Meidung seiner Stimmbänder zurückzuführen ist.
Haben Menschen, die im Schlaf reden, eine Morgenstimme?
"Bitte, Carter."
Mein Widerstand wird schwächer. Wenn ich nachlasse, wird Maryse Tristan hassen. Wenn ich standhaft bleibe, wird Tristan sauer auf mich sein.
Tristans Reaktion ist mir lieber.
"Du wirst ein T-Shirt von mir bekommen. Eine Hose kann man auch zweimal anziehen. Apropos anziehen: Damit solltest du dich langsam beeilen. In zwanzig Minuten müssen wir los."
Ich gehe erneut zum Schrank und werfe ihn mit einem dunkelblauen T-Shirt ab, das auf dem Stapel 'zu groß' liegt. Dann hole ich noch eine Boxer hervor und werfe auch diese über meine Schulter auf das Bett.
Als die Schranktüren geschlossen sind - wir wollen ja nicht, dass ich mich zum Vergnügen Tristans daran stoße oder vielleicht sogar gegen laufe -, drehe ich mich zu ihm um.
Okay, ich hätte zumindest zwei Sekunden länger warten sollen.
Ja, ich weiß, dass ich Tristan schon oberkörperfrei gesehen habe - spätestens in Sport. Aber trotzdem muss ich mich beherrschen, nicht zu sabbern.
Das 'Nachtshirt', das er getragen hat, gab zwar ziemlich viel von seinem Körper preis, aber ohne den Käfig des Shirts ...
Durch das regelmäßige Trainieren und die gesunde Ernährung als Footballer hat Tristan ausgeprägte Brust- und Bauchmuskeln. Footballer müsste man sein - Bälle hin- und herwerfen und dadurch einen grandiosen Körper bekommen.
"Mund zu, C." Tristan lacht und zieht sich noch das Shirt über, bevor ich wirklich anfange zu sabbern.
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Achtunddreißig Minuten später fahre ich, mit Tristan auf dem Beifahrersitz, um den Block unserer Schule herum. Da mein Auto ziemlich auffällig ist und ich nicht gerne auffalle, parke ich meistens ein wenig abseits und laufe dann zur Schule.
So auch heute.
"Nicht sehr gentleman like, mir nicht aus dem Wagen zu helfen." Die beleidigte Leberwurst Tristan verschränkt die Arme vor der Brust.
Am liebsten hätte ich ihm einfach die Zunge herausgesteckt, aber dann hätte er irgendwelche sinnlos anzüglichen Kommentare von sich gegeben, die niemand hören sollte.
Die zwei Minuten Fußmarsch erledigen wir schweigend und sehen dann, wie Kathy hinter einem alten, roten Pick-Up-Truck zum Vorschein kommt. Sie umarmt erst mich, dann Tristan. Ein Geräusch, das sich wie ein viel zu hohes Quietschen gepaart mit lautem Gebrüll anhört, kommt aus ihrem Mund und sie wackelt - zumindest so weit es ihr möglich ist - mit den Augenbrauen.
"Hat Tristan bei dir geschlafen?" Die Auf- und Abbewegungen ihrer Augenbrauen irritieren mich so sehr, dass ich nicht in der Lage bin, zu antworten.
"Ja, hat er", antwortet Tristan grinsend an meiner Stelle und legt einen Arm um mich.
"So gut gelaufen?" Kathy scheint es wirklich zu interessieren, was da genau zwischen Tristan und mir - nicht - passiert ist.
"Jup", grinst er und formt einen Kussmund.
Kathy stößt wieder das Quietsch-Gebrüll aus und ich zucke innerlich zusammen.
Zu dritt laufen wir in das Schulgebäude hinein - Kathy zu Chemie, Tristan zu Geografie und ich zu Spanisch.
Im Raum angekommen, ist ein Drittel der Schüler an seinem Platz, ein anderes Drittel bei anderen am Platz und das letzte Drittel wird zu spät kommen. Oder zumindest nach Mister Bennett.
Als dieser den Raum betritt, wird die braune Ledertasche auf den Boden hinter dem Lehrertisch geschmissen und schwarz auf weiß bedruckte Papiere auf die weiße Holzplatte des Tisches gelegt.
"Wir werden jetzt einen Test schreiben", kündigt uns Mister Bennett an und allgemeines Aufstöhnen erfüllt die Luft.
Manchmal glaube ich, dass die Lehrer sich davon nähren.
Der Test wird ausgegeben, als alle nach und nach eingetrudelt sind und ich werfe einen schnellen Blick drauf. Pretérito indefinido. Eine der spanischen Formen des Präteritums.
Die erste und einzige Aufgabe ist es, über den Urlaub des letzten Jahres zu berichten, mithilfe der Konjugationen aus dem indefinido.
Für das Schreiben des Textes - ein Zwölfzeiler - brauche ich zehn Minuten. Im letzten Jahr war ich nämlich mit meiner Tante und Victor - ich werde ihn niemals Onkel nennen - in Santa Clara, einer Küstenstadt in Yucatán in Mexiko. Meine Tante wurde dort geboren und wir haben uns ein paar Erinnerungen von ihr anhören dürfen.
Der Urlaub passt sogar zu unserem aktuellen Thema in Spanisch: México.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Großteil meiner Klasse nicht einmal die Aufgabe verstanden hat, als wir abgeben müssen.
"In Ordnung, Thema der nächsten Wochen wird sein, eine Präsentation über einen der Staaten Mexikos anzufertigen. Das wird in Partnerarbeit geschehen, was bedeutet, dass ihr euch außerschulisch treffen werdet, um daran zu arbeiten. Noch Fragen?"
Ich realisiere nur nebenbei, dass alles, was Mister Bennett zu Worten formuliert hat, auf Spanisch gesprochen wurde, während mein Gehirn lediglich übersetzt oder anfängt, in der anderen Sprache zu denken.
"Sí, Cassidy, ¿Qué pasa?" Das blonde Mädchen sitzt auf dem Platz vor mir und ist meiner Meinung nach die Person in diesem Raum, die das schlechteste Spanisch spricht. Mich regt die Aussprache meiner Mitschüler oft ziemlich auf.
"Zu wann ...", will sie beginnen, wird aber von Mister Bennett unterbrochen.
"¡En Español, Cassidy, en Español!" War ja klar, dass er von seiner schlechtesten Schülerin eine Antwort auf Spanisch erhalten will.
"Uhm ... ¿A dónde ...? ¿Cuá - Cuándo ... Cuándo ...?"
"In Ordnung, bitte formulieren Sie Ihre Frage auf Englisch, Cassidy."
Ich glaube ein erleichterte Ausatmen gehört zu haben, sicher bin ich aber nicht.
"Zu wann müssen wir die Sachen fertig machen?"
¿Cuándo tenemos que terminar las cosas?
So schwer ist das doch nicht, oder?
Nachdem Mister Bennett das Datum des Freitags in drei Wochen genannt hat, liest er die Liste der Partner vor.
"... Dan Hastings und Felicity Bamberg ... Elyia Churchill und Carter Redwood ..."
Ich sehe auf und suche Noahs Schwester mit meinen Blicken. Auch sie sieht zu mir, dreht sich aber schnell wieder weg. Wer weiß, was ihr Bruder ihr über mich erzählt hat.
Nachdem Mister Bennett auch die letzten Namen genannt und uns in die Fünf-Minuten-Pause entlassen hat, beeile ich mich, um Elyia rechtzeitig zu erreichen, bevor es um fünf nach halb zehn zur nächsten Stunde klingeln wird.
"Elyia!", rufe ich ihren Namen und erwische sie gerade noch am Ellenbogen, bevor sie aus dem Raum flüchten kann.
"Wann wollen wir uns treffen?", fragt das Mädchen vor mir und ist sich wohl zu fein, um mich anzusehen.
"Was hältst du von heute nach der RAMP-Phase?", frage ich sie, was sie irgendwie dazu bewegt, mich anzusehen.
"Geht klar." Ich glaube sogar, dass sie gelächelt hat, aber sie ist so schnell aus dem Raum verschwunden, da konnte ich gar nicht reagieren.
Die RAMP-Phase ist im Übrigen eine Unterrichtsstunde, die man an unserer Schule jeden Tag in der Woche hat. In Georgia gibt es nicht viele RAMP Schulen, aber unsere ist eine davon. Bei RAMP geht es darum, den Zusammenhalt an der Schule zu beweisen und zu fördern.
Ich muss zu meiner nächsten Stunde, Geografie, ziemlich hetzen, schaffe es aber gerade noch pünktlich.
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Beim RAMP haben Elyia und ich kein Wort miteinander gewechselt, Noah habe ich gar nicht erst gesehen.
Jetzt stehe ich hier in der Hitze der Nachmittagssonne - es ist zwölf nach drei, der Unterricht ist seit zwei Minuten um - und warte auf Noahs jüngere Zwillingsschwester.
Als ich sie aus dem Gebäude laufen sehe, wird sie von einem kleinen, dunkelhäutigen Mädchen begleitet, dessen schwarze, kurze Dreadlocks einen starken Kontrast zu Elyias heller Haut und ihren honigblonden Haaren, die Noah übrigens auch hat, bilden.
"Carter, darf ich vorstellen, dass ist Samantha. Sam, dass ist Carter, der Kerl, von dem ich dir erzählt habe. Zur Info für dich Carter: Sam wird mit uns kommen."
Ich nicke; wenn mir klar gesagt wird, was ich tun und lassen soll und was passiert, dann werde ich mich daran halten, denn Regeln sind wichtig.
Irgendwann entschließe ich mich dazu, Sam anzulächeln, was sie augenblicklich ein wenig rötlich erscheinen lässt.
"Also, meiner Meinung nach fahren wir zu mir", beginnt Elyia, als die Stille andauert. "Du, Carter, bringst dein Auto zu uns und fährst später nach Hause. Dann musst du es nicht hier stehen lassen." Auch sie lächelt irgendwie.
"In Ordnung." Mit einem letzten Lächeln in Richtung der beiden Mädchen gehe ich auf mein Auto zu und steige ein. Kurz krame ich in meiner Langzeitgedächtnis-Datenbank, um mich an Noahs Adresse zu erinnern und fahre schließlich vom Parkplatz.
Na, das wird ein Spaß.
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Hey 🤗,
ich weiß, nicht so ein spannendes Kapitel, aber im nächsten geht das Drama los. Der eine oder andere hat vielleicht schon etwas bemerkt, dass ich jetzt nicht verraten werde 😉, aber ich kann euch sagen: Es ist wahrscheinlich richtig 😂.
Ich hoffe ihr hattet bisher eine schöne Woche und seid wohlauf 😊❤.
Bis dann, man liest sich ✌🏼😁.
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