73|»Teufelsmischung«|{2}

Pov. Manu:

Ein Blick in die Fensterscheibe, die meine Gestalt wiederspiegelte und hinter welcher die Dunkelheit der Nacht alles Licht zu verschlingen schien, genügte. Ich sah beschissen aus. Ich schwor mir vor drei Wochen, dass ich das alles überstehen, dass ich darüber hinweg kommen würde ohne Probleme, dass ich genau das Gegenteil werde von dem, was ich letztendlich heute bin.

Schnell löste ich meine Blicke von diesem Bild und setzte mich aufs Bett. Es ging nichts mehr. Ich war schwach und selbst das Stehen fiel mir schwer, weil ich so gut wie nichts aß. Ich wollte den Schmerz. Das Knurren meines Magens wurde zu einem vertrauten Freund. Meine Prüfungen waren durch. Ich hatte alle bestanden, relativ gut. Ich war frei. Rein theoretisch. Ach was spielte ich mir vor. Ich fühlte mich eingeängter denn jeh.

Meine Blicke schweiften durch den Raum, der mir vor drei Wochen noch unangenehm Fremd erschien, als ich das erste Mal hier schlief. Mittlerweile war er mein Zuhause. Eine Gänsehaut überkam mich beim Anblick dieser Tür, durch die mich Osaft und Wintercracker trugen, weil ich zu schwach war um zu laufen, um zu stehen, und zu verstehen was da passierte. Als wär ich im Delirium gewesen, welches mich bis heute noch nicht losgelassen hatte.

Ich erinnerte mich an meine Brüder, die von all dem nichts mitbekamen. An meinem Geburtstag hatten sie mir einen kleinen Zettel gegeben mit dem Kommentar dass ich ihn lesen sollte, wenn ich traurig oder schlecht drauf war. Ich hatte ihn verbrannt. Ich wollte nicht an sie denken, da sie mir ein schlechtes Gewissen besorgten. Da sie mich nervten. Sie taten es schon immer und plötzlich waren sie da, wenn ich es genauso bei ihnen tat.

Plötzlich ertönte ein leises Klopfen an genau dieser Tür, weshalb ich vorerst zusammenzuckte, dann hingegen meinen Blick auf den Boden richtete und meine Haare mein Gesicht umspielten. Sie waren lang und dünn geworden. Doch sie selbst zu schneiden traute ich mich nicht. Nichts traute ich mich.

»Mir geht's gut, Osaft. Danke.«, sagte ich leise und mit brüchiger Stimme aus Gewohnheit, um ihm, wie jeden Tag, wenigstens ein Lebenszeichen zu geben. Reden war etwas kaltes, ekelhaftes für mich geworden.

»Wir sind's, Manu...«, ertönte plötzlich eine mir zu gut bekannte Stimme, welche mein Herz kurz aussetzen ließ. Ich dachte nach, bis mich meine Beine angestrengt zu der Tür trugen und ich diese zögerhaft entriegelte. Zaghaft ging sie nun von außen auf und da standen sie. Maudado und Zombey. Genau so zerstört, wie beim letzten Mal...

Verdammt ich habe sie so vermisst...

Plötzlich durchdrungen Gefühle mein eisig gewordenes Herz und ich stolperte auf sie zu, nahm sie sehnsüchtig in die Arme, was sie sofort erwiderten.

»Wir haben dich so sehr vermisst, Manu...«

Pov. Patrick:

Er war sein alter Schulfreund. Sie lebten, atmeten, redeten nicht ohne einander. Pepe und Osaft schienen schon immer unzertrennbar gewesen zu sein, bis Wintercracker kam. Osaft entfernte sich von Pepe und näherte sich Cracker so sehr an, dass man sie kaum noch für Freunde, viel mehr für ein Paar hielt. Pepe wurde eifersüchtig und hasste Cracker. Er wollte Osaft zurück erobern, egal mit welchem Mittel. Das alles geschah so früh, sie waren verdammt jung. Ich war verdammt jung. Das geschah alles im Laufe der fünften bis achten Klasse. Osaft und ich kannten uns von der Grundschule. Er war ein ganz normaler Junge. Deshalb erkannte ich ihn vom Aussehen her nicht wieder. Er hatte sich ja so verändert... Seit er auf die Schule von Manu gewechselt ist und sich gerade mal eine Woche mit ihm angefreundet hatte, was Pepe mitbekommen haben musste, mochte er Manu auch nicht mehr. Er war weitaus weniger wütend als früher. Doch er wollte trotzdem Osaft als Freund zurück gewinnen, welcher das aber nicht wollte. Und deshalb vertraute er ihm ein großes, sein und mein größtes Geheimnis an. Für Aufmerksamkeit. Für Ansehen. Für Liebe...?

Ich verstand nicht, warum. Osaft war nun umso abgeschreckter von ihm. Jeder. Er hatte alles damit zerstört und ich fühlte mich so dreckig deswegen, so tot, dass ich zum Kettenraucher wurde, zum abgeschotteten Einsiedler, zu Schrödingers Katze, wie ich mal Maudado mich beschreiben hörte. Und es stimmte. Das alles, es ergab Sinn. Alles, außer diese Gefühle. Manu war wahrscheinlich längst über mich hinweg und ich... Ich vergammelte in mir selbst, meine Schultern hingen schlaff an meinem Oberkörper, mein Rücken erreichte lange nicht mehr eine aufrechte Position.

Stop.

Ich nahm eine Kippe vom Nachttisch neben meinem Bett und öffnete das Fenster, zündete sie an. Ich zog, atmete tief ein um die Schadstoffe meine Lungen wenn dann komplett angreifen lassen zu können, hoffentlich sterb ich dran, und atmete den Qualm wieder aus. Wie jedes Mal. Jedes verdammte mal entkam ich meinen Problemen mit dieser Teufelsmischung aus Teer und Tabak, welche nicht mal mehr eine befriedigende Wirkung hatten. Sie hielten einfach meine Gedanken an, eine kurze Weile, bis sie letztendlich wieder flossen und ich mir eine Neue anzündete.

Was hast du aus mir gemacht, Pepe... Wieso nimmst du mir alles, was ich in meinem Leben brauchte. Und warum ist es sogar legitim, dass es jetzt und nicht später rauskommt...

Ich hätte Manu angerufen. Ich hätte ihm geschrieben. Ihm eine SMS geschickt. Ein Bild. Einen Brief. Alles. Doch ich hatte alles gelöscht und verbrannt, was mir das ermöglicht hätte. Er hasste mich. Endgültig. Für immer und e-

»Patrick!«

Nein... D-das kann nicht sein...

Wer ist es? Schönen Feiertag euch allen ^-^

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