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Junhee lag in dieser Nacht noch lange wach. Er lauschte Donghuns tiefen Atemzügen und fragte sich, was gewesen wäre wenn, solange, bis er irgendwann doch eingeschlafen sein musste.
Als er blinzelnd die Augen öffnete, schien bereits die Sonne. Natürlich hatte Donghun die Vorhänge aufgezogen, als er zu einer angemessenen Zeit aufgestanden und natürlich hatte er Junhee schlafen lassen, weil er nun mal einfach so war. Und wenn sie noch zusammen wären, dann würde er sich nachher darüber beschweren, dass Junhee wieder einmal den halben Tag verschlafen hatte, anstelle davon die Zeit anderweitig zu nutzen. Ihn stattdessen aufzuwecken käme Donghun allerdings nicht in den Sinn, was Junhee irgendwie immer total süss gefunden hatte. Auch jetzt noch fiel ihm auf. Mist.
Er setzte sich blinzelnd auf und griff nach seinem Handy. Es war bereits kurz nach elf. Wenn er Glück hatte, dann war seine Mutter zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Wert hatte mit dem Sonntagsbrunch auf ihn zu warten. Es war nämlich sehr viel einfacher den unangenehmen Fragen seiner Eltern auszuweichen, wenn man nicht mit ihnen am Esstisch sass, denn genau da wurden in seiner Familie die heiklen Themen angesprochen. Junhee hasste es.
Ohne grosse Eile schlurfte er die Stufen hinunter. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich etwas anderes anzuziehen, seine Familie hatte ihn schliesslich schon oft genug im Schlafanzug gesehen und Donghun auch.
Im Esszimmer traf er nur noch seine Mutter an, die gerade dabei war den Tisch abzuräumen. Als sie ihn erblickte lächelte sie. »Schatz, da bist du ja. Wir haben uns schon gewundert wo du abbleibst. Möchtest du auch noch etwas?«
Junhee schüttelte den Kopf. Er verspürte noch keinen grossen Hunger, aber vor allem nicht das Bedürfnis, sich von seiner Mutter bedienen zu lassen, während sie ihn mit Fragen löcherte. »Wo ist denn Donghun?«, fragte er stattdessen, nur für den Fall, dass er ihn aus den Fängen seines Vaters retten musste. Oder denen seiner Schwester. Nachdem er ihr gestern verraten hatte, dass es aktuell schwierig zwischen ihnen war, wusste er nicht, was schlimmer war.
»Oh, der gute Junge hat angeboten sich die Tür von dem alten Gartenhaus mal anzuschauen. Du weisst doch, die klemmt in letzter Zeit so furchtbar, dass ich sie kaum noch aufbekomme.« Sie lächelte selig und Junhee verdrehte die Augen.
»Eomma, nur weil er handwerklich geschickt ist, heisst das nicht, dass er hier alles reparieren muss.« Nachdem Donghun vor gut zwei Jahren einmal eine kaputte Glühbirne im Hause der Parks gewechselt hatte, galt er als der Ansprechpartner, wenn mal wieder etwas nicht mehr funktionierte.
»Du tust ja gerade so, als hätte ich ihn dazu gezwungen«, empörte sich seine Mutter, doch Junhee zuckte bloss mit den Schultern. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie die Sache gelaufen war. Mit ziemlicher Sicherheit hatte seine Mutter eine geplant beiläufige Bemerkung über die verdammte Tür fallen lassen und Donghun, hilfsbereit wie er war, war natürlich sofort darauf aufgesprungen. Manche Leute würden wahrscheinlich behaupten, dass Donghun eindeutig zu gut war für diese Welt. Und für Junhee.
»Ich gehe mal nach ihm sehen«, sagte er ausweichend und ehe seine Mutter noch etwas darauf sagen konnte, war Junhee auch schon zur Tür raus. Dass er keine Schuhe trug war ihm herzlich egal, schliesslich war Sommer. Er sah ausserdem davon ab, die Platten zu benutzen, die zu dem alten Gartenhaus hinter dem Haus führten, sondern lief quer über den frisch gemähten Rasen. Das Gras kitzelte ihn angenehm an seinen nackten Fusssohlen.
Er sah Donghun bereits von weitem. Er trug ein altes T-Shirt von seinem Vater und eine Latzhose, von der Junhee nicht wusste, wo genau er die aufgetrieben hatte. Als er näherkam, hob Donghun den Kopf und ein schiefes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.
»Na, ausgeschlafen?«, fragte er schelmisch, was Junhee allerdings grosszügig überging.
»Soll ich dir bei etwas helfen?«, erwiderte er stattdessen, worauf das Lächeln auf Donghuns Gesicht, wenn möglich, noch ein wenig breiter wurde.
»Du trägst noch deinen Pyjama.«
»Und?«
»Keine Schuhe.«
Junhee war einen Blick auf seine ungeschützten Zehen und dann auf den Hammer, den Donghun in der Hand hielt. Womöglich hatte er hierbei einen Punkt. Er seufzte und liess sich stattdessen mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand im Schneidersitz auf den frisch gestutzten Rasen plumpsen.
Donghun lachte leise und machte sich dann wieder an die Arbeit. Junhee beobachtete ihn dabei, liess sich aber bereits nach kurzer Zeit auf den Rücken sinken. Nicht, weil es ihm langweilig geworden wäre, sondern weil ihm gerade wieder eingefallen war, wie gut ihm Männer gefielen, die sich handwerklich betätigen konnten. Insbesondere Donghun.
Er hob eine Hand an seine Augen, um diese vor der Sonne zu schützen und versuchte dabei, die eben gesehenen Bilder zu verdrängen. Vermutlich würde ihm dieser Vorgang erheblich leichter fallen, wenn Donghun nicht nur wenige Meter neben ihm vor sich hin hämmern würde. Oder er überhaupt hier war. Was hatte sich Junhee nur dabei gedacht, als er ihn gefragt hatte, ob er an diesem Wochenende mit zu seinen Eltern fahren würde. Er hatte gerade damit begonnen gehabt, Donghun endgültig aus seinen Gedanken zu verbannen und nun war er wieder da, präsenter als jemals zuvor.
Ein frustrierter Laut verliess seinen Mund und er schloss die Augen. Dass hier war ganz eindeutig ein Donghun-Rückfall. Wieso hatten seine sogenannten Freunde ihn eigentlich nicht davon abgehalten, die wussten doch sonst auch immer alles besser. Ach ja, der eine hatte sich gerade frisch verlobt und der andere frisch verliebt, da hatten sie natürlich gerade besseres zu tun, als sich um ihren besten Freund zu kümmern, der sich gerade frisch getrennt hatte. Mehr oder weniger.
Er würde ein ernstes Wörtchen mit ihnen reden müssen, wenn er wieder zurück war. Oder sie mit ihm. Bestimmt würden sie ihm erstmal gründlich den Kopf waschen und ihm sagen, was für eine furchtbare Idee es gewesen war, das Wochenende mit Donghun zu verbringen. Bloss dass er das selber wusste und es ein klein wenig zu spät kam, denn sonst würde er jetzt ganz bestimmt nicht hier liegen und vor seinem inneren Auge würde sich auch nicht diese eine Szene abspielen, in der Donghun in hingebungsvoll gegen dieses verdammte Gartenhaus presste und ihn küsste, als gäbe es kein Morgen mehr.
Eine Vorstellung, die er den ganzen Tag über nicht mehr aus dem Kopf bekam.
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