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Dieses Mal war Junhee sich sicher, dass Donghun ihm aus dem Weg ging. An seiner Stelle hätte er wahrscheinlich genauso gehandelt. Eine Zeit lang fürchtete er trotzdem, Donghun könnte vielleicht doch frühzeitig abgereist sein. Aber er wusste auch, dass Donghun nicht der Typ dafür war, sich aus dem Staub zu machen, ohne sich verabschiedet zu haben. Das war einfach nicht seine Art.
Er behielt Recht. Als die Gäste seiner Eltern damit anfingen aufzubrechen – endlich! –, tauchte Donghun plötzlich an seiner Seite auf, schüttelte Hände und erzählte den Leuten, wie schön es doch gewesen war, sie mal wieder zu sehen. Junhee sah er dabei kein einziges Mal in die Augen. Allgemein schien es fast so, als würde er ihn so gut es ging ignorieren. Junhee wusste nicht so recht, ober er beleidigt sein sollte oder ob ein wenig Dankbarkeit in diesem Augenblick vielleicht doch angemessener wäre.
Er entschied sich für einen Mittelweg, was im Endeffekt nur bedeutete, dass er Donghun ebenfalls ignorierte und stattdessen voll und ganz auf seine Verwandtschaft konzentrierte. Oder er versuchte es zumindest.
Irgendwann waren sie alleine. Seine Schwester half seiner Mutter dabei, in der Küche aufzuräumen und sein Vater war noch mit Junhees Onkel mit nach draussen gegangen, um ihn zum Auto zu begleiten.
Junhee schielte nervös zu Donghun hinüber. Dieser hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und wirkte so erschöpft wie Junhee sich fühlte.
»Also... wegen vorhin...«, stammelte Junhee, während er noch nach den richtigen Worten suchte, doch Donghun blockte ihn knallhart ab.
»Wir sollten schlafen gehen. Es ist schon spät.«
Junhee starrte ihm hinterher, als Donghun sich wie selbstverständlich den Weg zu seinem ehemaligen Zimmer bahnte. Klar, sie hatten ja oft genug gemeinsam hier übernachtet, aber das änderte schliesslich nichts an der Tatsache, dass sie nicht mehr zusammen waren. Junhee war sich nicht sicher, ob er an Donghuns Stelle genauso gehandelt hätte, aber andererseits war er schon immer der Unsichere von ihnen gewesen. Derjenige der über alles zu viel nachdachte, anstelle davon den Dingen einfach ihren freien Lauf zu lassen. Daran war ihre Beziehung am Ende auch zerbrochen. Hätte er sie retten können, wenn er auch mal der Mutigere gewesen wäre?
Junhee dachte darüber nach, während er Donghun über die Flure seiner Kindheit folgte, doch als er sein altes Zimmer betrat, war sein Hirn augenblicklich wie leergefegt. Donghun stand mit dem Rücken zu ihm und zog sich gerade ein anderes Shirt zum Schlafen über, doch Junhee erhaschte noch einen relativ guten Blick auf den gut trainierten Rücken seines Exfreundes. War es möglich, dass er in nur drei Monaten sichtbar an Muskelmasse zugenommen hatte?
Junhee musste unwillkürlich schlucken und als Donghun sich umdrehte, sah er schnell weg. Er sollte nicht glauben, dass Junhee gestarrt hatte, auch wenn er genau das getan hatte, obwohl er doch sein Recht darauf, Donghun auf diese Weise anzusehen verwirkt hatte.
»Lass uns die Diskussion darüber, wer von uns beiden auf dem Sofa schläft doch überspringen. Wir sind beide erwachsen und sind durchaus im Stande uns ein Bett zu teilen«, sagte Donghun in sachlichem Tonfall. Junhee widersprach nicht.
Sie legten sich nebeneinander auf Junhees altes Bett und hielten dann beide den Atem an. Oder zumindest kam es Junhee so vor. Vermutlich war das ein Zeichen davon, dass er nicht halb so erwachsen war, wie Donghun glaubte. Sein Herz raste unkontrolliert in seiner Brust und eine Zeit lang glaubte Junhee es würde explodieren.
Er stellte die Frage, die er eigentlich nicht stellen sollte. »Hast du das vorhin ernst gemeint?«
Donghun sagte nichts. Junhee versuchte es erneut. »Du hast gesagt, dass du mich immer noch magst, ist das wahr?«
Diesmal seufzte Donghun und das Rascheln der Bettdecke verriet Junhee, dass er sich auf die Seite gedreht hatte. »Was hast du denn gedacht? Dass ich dich plötzlich hasse?« Der Klang seiner Stimme war resigniert. Junhee traute sich nicht, sich ebenfalls auf die Seite zu drehen.
»Verdient hätte ich es«, murmelte er leise und starrte hoch zur Decke, an der noch immer die Leuchtsterne klebten, die er als Kind dort angebracht hatte. Bevor er Donghun getroffen hatte, war er nie jemand gewesen, der dazu neigte, nach den Sternen zu greifen. Donghun hatte ihn für eine Weile glauben lassen, dass es möglich war. Er war hoch geflogen und im Anschluss tief gefallen. Manchmal fühlte es sich so an, als würde er immer noch fallen.
»Niemand verdient es gehasst zu werden, Junhee.« Es schwang ein Hauch von Traurigkeit in Donghuns Stimme mit. »Ganz besonders nicht du.«
Junhees Herz machte einen unkontrollierten Sprung und jetzt musste er sich doch zu Donghun umdrehen, obwohl er sich das zuvor verboten hatte. Trotz der Dunkelheit konnte er erkennen, dass Donghun ihn direkt ansah, wahrscheinlich schon die ganze Zeit zuvor angesehen hatte.
»Ich war ziemlich eklig zu dir«, gestand er leise und überlegte sich, ob das bereits als Entschuldigung galt, aber das wäre zu leicht, nicht wahr? Und das Leben war doch nie leicht.
Donghun seufzte erneut. »Und ich war wirklich wütend deswegen.«
»Warst?«
»Ich hatte es anfangs nicht verstanden«, erwiderte Donghun, doch als Junhee nachfragen wollte, schüttelte sein Exfreund nur leicht den Kopf. »Schlaf jetzt, okay.« Dann rollte er sich auf die andere Seite.
Damit war die Unterhaltung für Donghun wohl beendet. Für Junhee war sie das nicht. In seinem Kopf schwirrten so viele unbeantwortete Fragen umher, dass er sich am liebsten auf der Stelle aufgesetzt hätte, nur um im Anschluss die Antworten aus Junhee herauszuschütteln.
Er tat nichts dergleichen. Natürlich nicht.
Stattdessen drehte er sich wieder auf den Rücken, starrte zu den Sternen hoch und fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis er irgendwann tatsächlich auf dem Boden aufschlug und ob er dann endgültig in tausend Stücke zerbrechen würde.
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