» 21 «

Es kostete Junhee einiges an Beherrschung, nicht wie ein kleines Kind aufgeregt auf und ab zu hüpfen, als der Zug in den Bahnhof einfuhr, in dem unter anderem auch Donghun sitzen musste, es sei denn, er hatte die Nachricht, die der andere ihm gestern Abend geschickt hatte, nicht richtig interpretiert oder sich in der Zeit geirrt oder...

»Hey.«

Junhee wirbelte herum und bevor Donghun wusste wie ihm geschah, hatte er ihn in eine innige Umarmung gezogen. Er vergrub seine Nase im Stoff seines T-Shirts und atmete den vertrauten Duft ein, nach dem er sich in den vergangenen Tagen so sehr gesehnt hatte.

»An diese Art von Begrüssung könnte ich mich gewöhnen«, murmelte Donghun nahe an seinem Ohr. Er hielt ihn so fest umschlungen, dass sich Junhee nicht sicher war, ob er ihn wohl je wieder loslassen würde, aber damit konnte er durchaus leben.

Er schmiegte sich noch ein wenig enger an den ihm so vertrauten Körper, ohne dabei auf die Blicke der vorbeigehenden Passanten zu achten. »Ich habe dich vermisst«, seufzte er.

»Ich habe dich auch vermisst«, erwiderte Donghun leise. Er klang müde, doch das war kaum verwunderlich. Er hatte in seinen Nachrichten keine Details fallen lassen, doch Junhee war sich ziemlich sicher, dass so eine Aussprache mit den Eltern kein Spaziergang war. Nicht, wenn man fünf Jahre nicht miteinander gesprochen hatte.

»Wollen wir nach Hause?«, fragte er, denn langsam wurde ihm das hier doch etwas zu öffentlich.

Er bekam ein Nicken als Antwort und als sie sich voneinander lösten, bemerkte er die tiefen Augenringe unter Donghuns Augen. »Ist alles in Ordnung bei dir?« Er konnte die Sorge in seiner Stimme nur schlecht verbergen, doch mal abgesehen von der Müdigkeit, konnte er keine Anzeichen darauf finden, dass Donghuns Besuch bei seinen Eltern einen negativen Verlauf genommen hätte. Eher im Gegenteil.

»Wir haben uns ausgesprochen.« Da war ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen, doch seine Augen funkelten, wirkten belebter, trotz Erschöpfung. Der bedrückte Ausdruck, der Junhee zuvor mehr als einmal Sorgen bereitet hatte, war grösstenteils verschwunden. »Ich denke, ich hätte eher gehen sollen, das hätte uns einiges erleichtert. Und es hätte weniger Missverständnisse gegeben. Aber mein Bruder hatte Recht damit, dass sie mir verzeihen, wenn ich erst einmal bei ihnen auftauche.«

»Ich bin stolz auf dich«, sagte Junhee. Er wusste, wie viel Kraft es forderte, sich nach so langer Zeit die Fehler einzugestehen, die man gemacht hatte und im gleichen Zug seinem Gegenüber die seinen zu verzeihen. Das war nicht leicht.

Er griff nach Donghuns Koffer und obwohl dieser protestierte und auf Junhees verletzte Hand verwies – mehrfach –, blieb er standhaft. Immerhin war der Weg zum Auto nicht sonderlich lang und er hatte ja schliesslich auch mehr als nur eine Hand und obwohl er in den letzten Wochen etliche Male festgestellt hatte, dass er mit links unglaublich unbegabt in sämtlichen feinmotorischen Tätigkeiten war, würde er es wohl noch schaffen, einen Koffer zu tragen.

Autofahren war da schon kniffliger und Junhee war sich auch nicht sicher, ob es überhaupt legal war, mit eingegipster Hand einen Wagen mit Gangschaltung zu fahren, weil er dafür ja die rechte Hand ziemlich häufig brauchte, aber schliesslich war er heil am Bahnhof angekommen, da würde er auch den Weg zu Donghuns Wohnung schaffen.

Die Ablenkung in Form von Donghuns Hand auf seinem Oberschenkel hatte er bei seiner Überlegung allerdings nicht einkalkuliert, genauso wenig, wie die Blicke, die er ihm immer wieder zuwarf, so voller Liebe und Begehren.

Er war dementsprechend ziemlich erleichtert, als er den Wagen ohne irgendwelche Zwischenfälle in die freie Parklücke nahe von Donghuns Wohnung abstellte. Als er seinen Kopf in Donghuns Richtung drehte, lächelte der ihm zu. »Ich glaube, ich lasse mich jetzt öfter von dir durch die Gegend kutschieren. Du siehst heiss aus, wenn du dich auf die Strasse konzentrierst.«

Hitze schoss in Junhees Wangen und sah verlegen auf seine Hände. »Wenn du das sagst«, sagte er verhalten, doch er konnte nicht abstreiten, dass ihm Donghuns Worte durchaus schmeichelten.

Dieser gab ein leises Lachen von sich, doch er schien das Thema nicht weiter vertiefen zu wollen. »Na komm, wir sollten rein gehen. Ich verhungere gleich.« Er liess offen, ob sich dieser Hunger sich auf Essen bezog oder ob er etwas ganz anderes damit meinte, aber die Art wie er sich nach Junhees Lippen und seinem Körper verzerrte, kaum dass die Tür zu seiner Wohnung hinter ihnen zufiel, sprach für sich.

Als sie anschliessend gemeinsam unter die Dusche hüpften – Junhee hatte seinen Gips vorsorglich in eine Plastiktüte eingewickelt –, lehnte sich Donghun irgendwann gegen ihn, erschöpft, aber im Grossen und Ganzen glücklich. Junhee strich ihm mit der gesunden Hand durch das nasse Haar und hauchte eine Reihe von federleichten Küssen auf seine nackte Brust.

Sie stiegen aus der Dusche und Donghun lieh ihm ein paar von seinen Klamotten, weil Junhee nichts zum Wechseln dabeihatte. Während er sich noch anzog, hatte der andere sich dazu bereit erklärt, ihnen beiden jeweils eine Pizza zu bestellen und als Junhee aus dem Schlafzimmer ins Wohnzimmer kam, fand er ihn dort zusammengerollt auf seinem Sofa vor.

Der Anblick zauberte ihm ein Schmunzeln auf die Lippen. »Meinst du nicht, das Bett wäre dafür besser geeignet gewesen?«, fragte er neckend und ging neben ihm in die Hocke. Donghun grummelte etwas Unverständliches vor sich hin und Junhee wuschelte ihm zärtlich durch die immer noch feuchten Haarsträhnen. »Soll ich dich wecken, wenn die Pizza da ist?«

Anstelle davon, auf seinen Vorschlag einzugehen, richtete Donghun sich schwerfällig auf und schüttelte mit einem schwachen Lächeln den Kopf. »Erzähl mir etwas. Was ist bei dir so passiert, als ich weg war?«

»Das klingt, als wäre das eine Ewigkeit gewesen«, erwiderte Junhee mit einem schiefen Grinsen. »Naja, hat sich schliesslich auch so angefühlt, so ganz ohne dich.« Okay, jetzt wurde es langsam schmalzig. »Allerdings werde ich wohl ausziehen, war ja auch nur eine Übergangslösung und jetzt wo die beiden heiraten... Nur die Wohnungssuche gestaltet sich etwas... nennen wir es schwierig.«

Er zuckte mit den Schultern, während Donghun ihn nachdenklich musterte und sich dann räusperte. »Ich weiss ja, dass wir gesagt haben, dass wir es langsam angehen wollen und erst einmal nichts überstürzen, aber als ich bei meinen Eltern war, habe ich auch über uns beide nachgedacht, was das zwischen uns eigentlich ist und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dich liebe, jetzt und bis in alle Ewigkeit. Ich verstehe, wenn du eventuell noch etwas unsicher bist, wegen all dem was war und deshalb lieber noch warten willst, aber worauf denn eigentlich? Ich für meinen Teil weiss, dass ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will. Ich möchte morgens neben dir aufwachen und am Abend neben dir einschlafen. Mir gefällt der Gedanke, zu wissen, dass du da bist und ich nicht erst durch die halbe Stadt fahren muss, um dich zu sehen, sondern nur ins Zimmer nebenan gehen kann, wo du dir einen Film ansiehst und in meinen Klamotten einfach umwerfend aussiehst. Ich–«

»Versuchst du mir gerade anzubieten, wieder bei dir einzuziehen?« Seine Stimme klang rau und sein Herz pochte aufgeregt in seiner Brust. Nur Donghun schaffte es, sich bei seiner Liebeserklärung so sehr zu verhaspeln, aber genau dafür liebte er ihn.

»Wenn du willst«, erwiderte Donghun und jetzt wirkte auch er verlegen. Seine Finger nestelten nervös am Saum seines Pullovers herum, bis Junhee danach griff und sie mit seinen eigenen verschränkte, fasziniert auf ihre Hände herabstarrte, die sich so perfekt ineinander fügten, als wären sie genau dafür gemacht worden.

Dann hob er seinen Blick, begegnete Donghuns wundervollen Augen, die ihn hoffnungsvoll anschauten und lächelte. »Natürlich will ich.«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top