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Irgendwann im Verlaufe des Nachmittags verspürte Junhee das Bedürfnis sich zu betrinken. Jiwon hielt ihn davon ab. Bei Gelegenheit würde er sich bei ihr dafür bedanken. Irgendwann, wenn er sie nicht mehr deswegen verfluchte, denn gerade jetzt käme ihm der Alkohol wirklich gelegen, um seine Sinne ein wenig zu vernebeln.
Mit Donghun hatte er seit ihrer Ankunft am frühen Morgen kein Wort mehr gewechselt. Wahrscheinlich ging dieser ihm aus dem Weg, doch das konnte Junhee ihm wohl kaum verübeln, nicht wahr? Es grenzte ja sowieso schon an ein Wunder, dass er überhaupt mitgekommen war. Junhee hatte sich nicht getraut, zu fragen, weshalb Donghun das tat. Gut möglich, dass Donghun die Antwort darauf selbst nicht kannte. Wahrscheinlicher war aber, dass er einfach nur deshalb nicht abgelehnt hatte, weil er das schlicht nicht konnte. Also der Teil mit dem Nein sagen. Das war Junhee bereits aufgefallen, als sie noch zusammen waren.
Es hatte aber ganz sicher nichts mit Junhee selbst zu tun. Donghun war einfach zu lieb für diese Welt und Junhee nutzte das schamlos aus, weil er im Gegensatz zu seinem Exfreund eben kein guter Mensch war.
Er brauchte wirklich Alkohol. Es suchte den Raum nach seiner Schwester ab und fand sie ausgerechnet in der Nähe von dem wirklich guten Stoff. Junhee presste verärgert seine Lippen aufeinander. Jiwon war wirklich gut in ihrem Job, um den sie keiner gebeten hatte. Zumindest nicht er.
Er liess seinen Blick weiterschweifen, bis er an Donghun hängen blieb. Das nannte man dann wohl Ironie des Schicksals nicht wahr. Er setzte sich träge in Bewegung und legte Donghun ohne zu fragen einen Arm um die Schultern. »Hey Süsser«, säuselte er und widerte sich dabei selber an. Er griff mit der anderen Hand nach dem Glas, das Donghun sich gerade eben noch an die Lippen geführt hatte. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mir das hier kurz ausleihe.«
Er stürzte den Whiskey seine ausgetrocknete Kehle hinunter, bevor Donghun ihn davon abhalten konnte. Der Alkohol brannte, die Wirkung die er sich davon erhofft hatte, blieb jedoch aus. Vorerst.
Mit einem falschen Lächeln reichte er Donghun sein Glas zurück und schlenderte dann zurück in die Küche, von wo aus Jiwon ihn mit säuerlicher Miene und vor der Brust verschränkten Armen beobachtet hatte. »Und das passiert, wenn du mir in die Quere kommst, Schwesterherz«, informierte er seine Schwester, als er sich neben sie stellte.
Diese schüttelte bloss ungläubig den Kopf. »Du willst dir echt nicht helfen lassen, habe ich Recht? Aber du wirst schon noch sehen, was du davon hast.« Mit diesen Worten rauschte sie ab. Junhee sah ihr hinterher. Gerade war es ihm egal, dass er sie verletzt hatte. Er selber litt auch, da war es nur fair, wenn er nicht der Einzige war.
»Habt ihr euch gestritten?« Das war Donghun. Ausgerechnet.
»Nur eine kleine Auseinandersetzung unter Geschwistern«, entgegnete Junhee mit einer wegwerfenden Handbewegung. Donghun hob wenig überzeugt eine Augenbraue, sagte jedoch nichts weiter dazu.
»Hast du eigentlich vor, heute noch nach Hause zu fahren?«, fragte er stattdessen.
Junhee schnaubte. »Natürlich fahren wir heute noch nach Hause«, zischte er. Und zwar besser früher als später. Junhee war sich nicht sicher, wie lange er diese Feier noch ertragen würde. Verwandtschaft war anstrengend und noch anstrengender war es, den Exfreund als Freund auszugeben. Es war nicht sein lichtester Moment gewesen, als er auf diese Idee gekommen war.
»Ihr bleibt nicht über Nacht?« Junhee zuckte erschrocken zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass seine Mutter neben sie getreten war. Sie wirkte alles andere als erfreut. »Als wir letzte Woche telefoniert haben, hast du versprochen, dass du dieses Mal das ganze Wochenende über bleibst.« Hatte er das? Er konnte sich nicht daran erinnern, allerdings kam es nicht selten vor, dass er seiner Mutter nur noch mit einem halben Ohr zuhörte und ab und an seine Zustimmung aussprach.
Er verdrehte genervt die Augen. »Pläne ändern sich Eomma«, erwiderte er, auch wenn seine Hoffnung, aus dieser Sache noch herauszukommen, nach einem Blick auf seine Mutter weiter schwand. Wie Jiwon zuvor, hatte sie ihre Arme vor der Brust verschränkt und sah ihn tadelnd an.
»Und Versprechen bricht man nicht«, wies sie ihn zurecht und Junhee fühlte sich wieder wie ein Kind. So war das immer. Das war einer der Gründe, wieso er es vermied, seine Eltern öfter als nötig zu besuchen. An Tagen wie heute hatte er allerdings keine andere Wahl. Diese Familienfeiern, die seine Eltern jedes Jahr aufs Neue ausrichteten, waren seiner Mutter sogar wichtiger als beispielsweise Weihnachten, welches er in den letzten Jahren immer geschwänzt hatte.
Er wusste jedoch auch, dass man seiner Mutter nicht widersprach. Und auf eine Diskussion mit ihr, liess man sich schon zweimal nicht ein. Die verlor man. Immer. »Du hast Recht Eomma, es tut mir leid.«
Seine Mutter nickte zufrieden. »Wunderbar!« Sie klatschte erfreut in die Hände, warf Donghun ein strahlendes Lächeln zu, ehe sie wieder davonschwirrte.
Es entstand eine peinliche Stille zwischen ihnen. Junhee räusperte sich. »Du musst auch nicht bleiben, ausgemacht war ja nur heute und schon dafür bin ich dir mehr als nur dankbar. Ich meine du hättest das wirklich nicht tun müssen, ist echt nett von dir und–« Donghuns Hand auf seinem Arm lässt ihn innehalten. Er sieht überrascht auf und sieht geradewegs in Donghuns Augen. Dieselben Augen, in die er sich einst verliebt hatte.
Donghun lächelt sanft und schüttelt den Kopf. »Wie sieht denn das aus, hm? Wenn ich einfach so frühzeitig abhaue. Deine Familie könnte Verdacht schöpfen.«
Damit hatte er wahrscheinlich nicht ganz Unrecht, aber Junhee wollte auch nicht, dass Donghun seinetwegen in eine unangenehme Situation gebracht wurde. »Jiwon vermutet eh schon was«, sagte er deshalb und zuckte gespielt gleichgültig mit den Schultern. »Und wir können sagen, dass du morgen arbeiten musst.«
Wieder ist da dieses Lächeln auf Donghuns Gesicht. »Du weisst aber schon, dass morgen Sonntag ist.«
Junhee hasste es, dass Donghun immer mit allem Recht hatte. Mal davon abgesehen, gab es sehr wohl Leute, die sonntags arbeiten mussten, er selber eingeschlossen. Donghun gehörte jedoch nicht dazu und dass wussten auch seine Eltern.
»Sieh mal, ich habe für morgen sowieso noch nichts geplant. Und ausserdem mag ich deine Familie.« Der letzte Satz versetzte Junhee einen Stich in sein ohnehin bereits angeschlagenes Herz.
»Mich mochtest du früher auch mal«, blaffte er, bevor er sich zurückhalten konnte. Erschrocken riss er die Augen auf und fast hätte er sich auch noch eine Hand vor den Mund geschlagen. Diese Aussage hatte mehr als nur anklagend geklungen und vielleicht war sie auch gewesen, trotzdem hätte er sie sich verkneifen müssen.
Zu seiner grossen Überraschung schnappte Donghun zurück. »Und ich mag dich immer noch.« Damit liess er ihn stehen, ohne jede weitere Erklärung, die Junhee wie er fand verdient hätte, aber andererseits hatte er Donghun damals auch keine geliefert. Er war auch einfach gegangen und hatte dabei sämtliches Flehen von Donghun ignoriert, dass hier geschah ihm also ganz Recht.
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