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»Ich habe nichts zum anziehen«, jammerte Junhee, während er leicht verzweifelt vor seinem Kleiderschrank stand, der zwar bis oben hin mit Klamotten vollgestopft war, aber irgendwie doch nichts Brauchbares hergeben wollte.

Wenn doch wenigstens Byeongkwan hier wäre, der ihm sagte, dass er nicht so viele Sorgen machen musste, weil er sowieso in allem gut aussah. Das war zwar nicht hilfreich, aber immerhin aufbauend.

Sehyoon dagegen, nun ja, sagen wir mal so, seine Einwürfe waren nichts von beidem. »Zeit hast du auch gleich keine mehr.« Er war vor etwa zehn Minuten in Junhees Zimmer aufgetaucht und hatte sich dort demonstrativ auf den gepolsterten Sessel in der Ecke gesetzt und seither sämtliche von Junhees Outfits einem kritischen Blick unterzogen und anschliessend einen wenig konstruktiven Kommentar dazu abgegeben.

»Das weiss ich selber, vielen Dank«, gab Junhee, zugegeben leicht zickig, zurück. Er war frustriert und genervt, wobei letzteres hauptsächlich Sehyoon zuzuschreiben war. Hatte der denn nichts Besseres zu tun? Hochzeitsvorbereitungen zum Beispiel? Immerhin rückte der Termin immer mehr in greifbare Nähe.

So wie übrigens auch der Zeitpunkt, an dem Donghun an ihre Tür klingeln würde und Junhee wusste noch immer nicht, was er anziehen sollte. Das war doch zum Verrücktwerden. Leicht gestresst raufte er seine Haare.

Der Gips war übrigens auch ein Problem, denn natürlich hatten seine Freunde es lustig gefunden, diesen zu verunstalten, pardon, zu verschönern. Alleine vom Anblick wollte man am liebsten erblinden und ausserdem – und das fand Junhee noch fast schlimmer – lenkte er von seinem eigentlichen Outfit ab. Wobei, wenn er nicht bald etwas fand, was einigermassen annehmbar an ihm aussah, war das ja vielleicht auch gar nicht so schlecht.

»Hat Byeongkwan nicht noch dieses Shirt?«, fragte er über seine Schulter an Sehyoon gewandt. Den hatte er seinem besten Freund nämlich schon immer mal klauen wollen, aber bisher hatte sich nie die Gelegenheit dazu ergeben. Seit seiner Trennung von Donghun, war er schliesslich kaum noch ausgegangen und wenn doch, dann hatte er nicht wirklich auf sein Äusseres geachtet.

Er drehte sich um, sobald er realisiert hatte, dass er vergeblich auf eine Antwort gewartet hatte. Sehyoon zuckte mit den Schultern. »Ich weiss nur, dass er eine ganze Menge davon besitzt«, erwiderte er und wieder einmal war das überhaupt nicht hilfreich. Junhee hätte ihn schon vor zehn Minuten aus dem Zimmer werfen sollen.

Jetzt ging halt er und steuerte dabei zielstrebig auf Byeongkwan und Sehyoons Schlafzimmer zu und riss die Türen zu ihrem Kleiderschrank auf. Erstaunlicherweise waren die Kleider darin sehr viel ordentlicher verstaut, als in seinem eigenen Schrank.

Er fing damit an, die Stapel mit den T-Shirts durchzugehen (es waren tatsächlich eine Menge) und wurde kurz darauf sogar fündig. Er zog sich das Kleidungsstück über den Kopf und betrachtete dann das Resultat im Spiegel. Er hatte sich nicht getäuscht, das Shirt sah Bombe aus, lag ihm eng an seinem Körper, definierte die Stellen, die es sollte und kaschierte diejenigen, mit denen Junhee nicht ganz so zufrieden war. Wenn Donghun ihm dieses Teil nicht sofort wieder vom Leib reissen wollte, dann wusste Junhee auch nicht. Nicht, dass das seine Intention für heute war. Er wollte einfach gut aussehen, was ja wohl kaum verwerflich war.

Gerade im Moment sah er allerdings noch ziemlich lächerlich aus, was aber hauptsächlich der fehlenden Hose geschuldet war. Und seiner Frisur, damit musste er auch noch etwas machen, denn nach zig anprobierten Oberteilen, war diese quasi nicht mehr vorhanden.

Er wollte gerade wieder in sein eigenes Zimmer stürmen, als Sehyoon ihm daraus entgegenkam, ihn kurz mustere und dann ihm eine Jeans vor die Brust drückte. Junhee blinzelte ihn irritiert an. »Was soll ich damit?«, fragte er wenig intelligent.

»Anziehen wäre eine Option. Und dann mach, dass du deinen nervösen Hintern aus der Wohnung bekommst, das hält ja kein Mensch aus.« War das da ein kleines Schmunzeln, gleich in Sehyoons einem Mundwinkel? Nein, Junhee musste sich getäuscht haben.

Er griff nach der Hose und begutachtete diese mit einem skeptischen Blick, bevor er hineinschlüpfte. Dann wieder der Blick in den Spiegel und, wow, vielleicht war Sehyoon ja doch nicht ganz nutzlos. Er sah wirklich gut aus. Jetzt noch kurz etwas Gel in die Haare und er war startklar.

»Tu nichts, was ich nicht auch tun würde«, rief Sehyoon ihm hinterher, als er die Wohnung verliess. Was auch immer das bedeutete. Aber Junhee war zu aufgeregt, um sich jetzt darüber Gedanken zu machen.

Er stiess die Tür im Erdgeschoss auf und dort stand er und sah dabei so umwerfend aus, dass es Junhee schier den Atem raubte. Womit hatte er diesen Mann verdient, der ihm trotz allem was zwischen ihnen passiert war, dennoch eine zweite Chance schenkte?

Langsam trat er auf ihn zu. »Hi«, sagte er und konnte nicht verhindern, dass sich dabei ein breites Lächeln auf seine Lippen stahl.

»Hey«, erwiderte Donghun, ebenfalls lächelnd und dann war da dieser kurze Augenblick zwischen ihnen, indem sie nicht wussten, ob eine Umarmung bereits wieder angebracht war, was nicht nur extrem peinliches Rumgehampel beinhaltete, sondern Junhee auch die Röte ins Gesicht trieb, doch schlussendlich fanden sie sich doch in den Armen des jeweils anderen wieder.

Es hatte etwas von Nachhausekommen, fand Junhee. Er schmiegte sich an den Körper des anderen, der ihm so vertraut war, atmete seinen Duft ein, den er so vermisst hatte. Wie hatte er Donghun gehen lassen können?

Als sie sich voneinander lösten, konnte Junhee ganz deutlich das Kribbeln in seinem Bauch spüren. Seine Mundwinkel zuckten nach oben, weshalb er verlegen zur Seite sah. Er wollte nicht, dass Donghun sah, wie er wie ein selbstgefälliger Idiot vor sich her grinste, aber er konnte es einfach nicht abschalten.

»Bereit?«, fragte Donghun verschwörerisch und zwinkerte ihm zu.

Junhee hob eine Augenbraue. »Du hast mir noch gar nicht gesagt, wo wir hingehen«, erwiderte er, dabei versuchte er ganz unbeeindruckt zu wirken. In Wirklichkeit war er schon den ganzen Tag deswegen aufgekratzt gewesen. Er vertraute Donghun hierbei voll und ganz, trotzdem wäre es ihm lieber gewesen, wenn er gewusst hätte, was ihn erwartete.

Allerdings machte Donghun nicht gerade den Anschein, als ob er ihn einweihen wollte. Stattdessen zuckte er den Unwissenden spielend mit den Schultern. »Ich schätze, das finden wir dann heraus, wenn wir da sind.« Er lächelte geheimnisvoll und streckte Junhee seine Hand entgegen.

Dieser verdrehte seufzend seine Augen, dann griff er nach der Hand des anderen und umschloss sie fest mit seiner. So wie es aussah, musste er sich wohl oder übel überraschen lassen, aber das war nicht weiter schlimm, denn mit Donghun an seiner Seite, würde er sich wahrscheinlich auf jedes Abenteuer einlassen.

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