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Insgeheim hatte Junhee schon immer gewusst, dass sein bester Freund in einer Art Fantasiewelt lebte. Aber das war ja wohl auch nicht weiter verwunderlich, nicht wenn man seine und Sehyoons Geschichte kannte. Allerdings hatte er erst letzte Woche noch zu Junhee gesagt, dass er sich keine Hoffnung machen dürfe, weil es eben nicht immer wie im Märchen endete und jetzt faselte er doch wieder etwas von wegen Liebe.
Vielleicht hatte er ja sogar Recht damit. Anfangs war Donghun ganz bestimmt in ihn verliebt gewesen und wenn es nur die Version von ihm gewesen war, die er hätte sein können. Und dann, als er irgendwann bemerkt hatte, dass Junhee nichts mit dieser besagten Version gemeinsam hatte, war er vielleicht auch noch in die Idee verliebt gewesen, dass sie beide ein ganz hübsches Paar abgaben. In die war er vermutlich immer noch verliebt, sonst hätte er sich am Sonntag nicht die Mühe gemacht, mit Junhee reden zu wollen.
Ob er es jetzt wohl verstanden hatte? Er hatte auf jeden Fall nichts von sich hören lassen. Wie gut, dass Junhee Byeongkwans Worten nur für einen ganz kurzen Augenblick Glauben geschenkt hatte. Donghun war vielleicht perfekt, jedoch ganz bestimmt nicht für ihn. Zwischen ihnen lagen Welten und insgeheim hatte Donghun das auch immer gewusst.
Die Wahrheit war zwar niederschmetternd, aber es war allemal besser, als auf etwas zu warten, das nie passieren würde. Byeongkwan hatte gesagt, dass er Geduld haben musste, aber er wusste es besser. Und er wollte nicht enttäuscht werden.
Gut möglich, dass das der Grund dafür war, dass er im Verlauf der nächsten Woche nicht nur Donghuns Handynummer aus seinen Kontakten löschte, sondern auch das Sweatshirt unter seinem Bett hervorholte, welches er seinem Exfreund nie zurückgegeben hatte. Damit hatte er sich anfangs jeden Abend in den Schlaf geweint, bis er irgendwann nicht mehr konnte. Er hatte es unters Bett verbannt, weil er es dann nicht mehr sehen musste und er sich nicht getraut hatte, es Donghun zurückzugeben. Das würde er heute ändern.
Er stopfte das Teil achtlos in eine Tüte und liess die Haustür schwungvoll hinter sich ins Schloss fallen. Dann überkamen ihn die ersten Zweifel. Hätte er das Sweatshirt erst noch waschen sollen? Und was tat er, wenn er zufällig Donghun über den Weg lief? Er hatte die Sache eindeutig nicht gut genug durchdacht.
Andererseits, wenn er jetzt einen Rückzieher machte, dann würde das Shirt wahrscheinlich wieder unter seinem Bett landen und dort wollte er es nicht mehr. Wegschmeissen konnte er es aber auch nicht, denn das wäre ziemlich respektlos, wie er fand. Blieb eigentlich nur Augen zu und durch.
Er atmete tief ein. Er würde das jetzt einfach durchziehen. Danach fühlte er sich bestimmt besser.
Als er den Block erreichte, indem auch Donghuns Wohnung lag, wurde er wieder unsicher. Was wenn er zu Hause war? Gut möglich, dass sich seine Arbeitszeiten geändert hatte, das kam manchmal vor.
Egal. Wenn er sich beeilte, war er wieder weg, bevor irgendwer ihn überhaupt bemerkte. Einfach kurz rein und die Tüte an Donghuns Tür hängen und dann nichts wie weg.
Junhee war gerade dabei, die Treppe in halsbrecherischem Tempo herunterzustürmen, als sich die Eingangstür öffnete. Es war Donghun. In Begleitung von einem anderen Mann. Junhee stolperte, verlor das Gleichgewicht und kullerte die restlichen Stufen hinunter. Am Fusse der Treppe blieb er liegen.
Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen rechten Arm, doch den bemerkte Junhee kaum. Seine Brust dagegen fühlte sich an, als hätte Donghun höchstpersönlich ihm einen Dolch ins Herz gejagt. Er krümmte sich auf dem Boden zusammen und ein leises Wimmern kam ihm über die Lippen.
»Junhee?«, ertönte eine besorgte Stimme über ihm. Er blinzelte und dann war da Donghuns Gesicht, direkt vor seinem. Der Schreck war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Scheisse, geht es dir gut?«
Ein heiseres Lachen bahnte sich in Junhees Kehle an, das dann allerdings ziemlich schnell in ein keuchendes Husten umschlug, welches ihn schmerzlich daran erinnerte, dass ja soeben sein Herz durchbohrt worden war. Oder vielleicht waren es auch seine Rippen, die seinen spektakulären Sturz nicht ganz unbeschadet überstanden hatten. Eines von beidem.
»Soll ich einen Krankenwagen rufen?«, fragte nun der andere Mann, der zusammen mit Donghun das Gebäude betreten hatte. Junhee hatte ihn schon fast wieder vergessen gehabt. Hastig schüttelte er den Kopf, obwohl ihm selbst diese winzige Geste höllische Schmerzen verursachte.
»Kein Krankenwagen«, japste er schwerfällig, während er gleichzeitig versuchte sich aufzurichten. Sein Blick heftete sich dabei auf Donghuns Begleiter und verdammt, er war abgesehen von Donghun selber wahrscheinlich der schönste Mann, den Junhee je gesehen hatte.
Er stand direkt hinter Donghun und wirkte ebenfalls ziemlich geschockt. Naja, kam halt wahrscheinlich nicht jeden Tag vor, dass ihm jemand derart ungeschickt vor die Füsse fiel.
Junhee konnte ihn jedenfalls vom Fleck weg nicht leiden und dabei hatte er doch eigentlich gerade wirklich andere Sorgen. Sein Arm war ziemlich sicher gebrochen und seine Rippen mindestens geprellt. So hatte er sich den heutigen Tag definitiv nicht vorgestellt.
Und es wäre ja auch alles nur halb so schlimm, wenn er nicht auch noch Donghuns neuem Freund hätte über den Weg laufen müssen, denn so vertraut wie die beiden beim Betreten des Gebäudes miteinander ausgesehen hatten, wagte Junhee zu bezweifeln, dass die beiden einfach nur gute Freunde waren.
Welch eine Ironie des Schicksals. Hatte er Donghun nicht eigentlich genau deswegen verlassen. Damit er endlich die Person treffen konnte, die so viel besser zu ihm passte, als Junhee das je getan hatte? Tja, wer hätte auch ahnen können, dass er das längst hatte, denn die beiden kannten sich bestimmt nicht erst seit einer Woche.
Junhee fühlte sich verraten. Wenn Donghun wieder vergeben war, was sollte das dann letztes Wochenende? Und wieso hatte er ihm nichts erzählt? Wenn es darum ging, seine Gefühle nicht zu verletzen, dann war das hier nämlich sehr viel schlimmer.
Vielleicht hätte er sich ja sogar für Donghun freuen können, wenn er es gewusst hätte, immerhin war es ja eigentlich genau das, was Junhee gewollt hatte, nicht wahr? Sein Herz sagte etwas anderes. Es zog sich schmerzhaft in seiner Brust zusammen und dieses Mal war Junhee sich ziemlich sicher, dass besagtes Gefühl nicht von einer verletzten Rippe stammte.
»Bist du dir wirklich sicher, dass du nicht in ein Krankenhaus musst?« Das war wieder Donghun. Er wirkte etwas blass im Gesicht. Junhee konnte es ihm kaum verübeln.
Anstelle von einer Antwort stöhnte er auf. Natürlich musste er in ein Krankenhaus, welch eine bescheuerte Frage. Nur auf den Krankenwagen konnte er gut verzichten. Vielleicht sollte er Byeongkwan anrufen, damit der ihn abholte oder... »Ich kann dich hinfahren, wenn dir das lieber ist.«
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