Teil87

Die Nacht war lang und zermürbend. Rufus konnte zunächst kein bisschen schlafen, denn immer, wenn er einnickte, sah er die Bilder der Nacht zuvor, hörte ihre Geräusche, schmeckte ihren Geschmack, roch, spürte und schreckte auf. Jeremy gab sein Bestes. Er strich liebevoll über sein Haar, er hielt ihn, so fest es ging, er summte, er erzählte, was sie alles tun könnten, wenn sie erst in New York wären. Wenigstens schien Rufus das Essen drin zu behalten und es schien keine Probleme zu bereiten. Irgendwann gewann doch die Erschöpfung und nachdem Jeremy ihm noch eine Wärmflasche gemacht hatte, schlief Rufus endlich ein, auch wenn der Schlaf sehr unruhig war. Jeremy wachte noch eine Weile über ihn, dann sank auch er völlig übermüdet in die Kissen. Er musste auch irgendetwas geträumt haben, denn als er am nächsten Morgen erwachte, hatte er noch die seltsamsten Bilder in seinem Kopf. Er sah einen Vogel, der mit verklebten Federn in einer Öllache flatterte. Und er sah Oliver mit falschem Bart, der Rufus an den roten Haaren zog. Rufus raste auf seinem Motorrad viel zu schnell und Jeremy rief nach ihm, aber er hörte nicht. Als er endlich klarer im Kopf war, sah er, dass Rufus nicht mehr schlief, sondern ihn mit offenen Augen anschaute. „Hey, Großer", flüsterte er.

„Hey, wie geht's dir?"

„Besser, denke ich. Dank dir." Rufus blinzelte.

Jeremy lächelte erleichtert. Großer, also klang Rufus wieder wie Rufus. Das war doch ein Anfang!

„Du hast mir einen Riesenschreck eingejagt."

Rufus versuchte auch ein Lächeln. „Ich war auch sehr... erschrocken. Ich bin's noch."

„Ist in Ordnung, du hast Furchtbares durchgemacht."

„Du auch."

„Wenn du den Rums am Kopf meinst, den merke ich kaum noch."

„Du warst stundenlang in dem kalten Keller."

„Aus dem du mich gerettet hast."

Rufus nickte und schien nach Worten zu suchen. „Das würde ich wieder tun", begann er und als Jeremy sofort etwas erwidern wollte, legte er ihm einen Finger auf die Lippen. „Nein, lass mich ausreden", fuhr er fort. „Oliver hätte dir weitaus mehr angetan als mir. Was er mit mir gemacht hat, hat er angeblich aus Liebe getan, um mir zu zeigen,... wem ich gehöre..."

„Der Typ ist völlig irre."

Rufus legte wieder den Finger auf. „Ich weiß. Du weißt das. Oliver weiß das nicht. Du und ich, wir werden nicht sicher sein, bevor er nicht gefasst ist. Wenn er wiederkommt, wird er nicht zögern, dich umzubringen."

„Was soll das heißen? Er kommt nicht wieder. So irre kann er doch nicht sein?"

Rufus schaute Jeremy eindringlich an. „Du hast keine Ahnung, was die Drogen mit ihm gemacht haben. Er ist zu allem fähig. Richard weiß es auch. Hast du dir Hopkins genauer angesehen?"

Jeremy stutzte. „Was ist mit Hopkins?"

„Er trägt eine Armeepistole in seinem Frack."

„Das hast du gestern mitgekriegt?"

„Muss ich nicht. Ich kenne Hopkins lange genug."

„Dammit!" Jeremy musste lachen, weil er sich den alten Butler vorstellte, der offenbar nicht zu unterschätzen wäre. Und weil Jeremy lachte, musste Rufus mitlachen, zumindest, so gut es ging.

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