Teil49

Jeremy hatte sich in Rufus' Küche einen Tee gemacht und überlegte, was er sagen sollte. Sicherlich hätte er kein Problem zu erklären, dass er den Preis nicht mehr wollte. Darüber wäre Ru bestimmt genauso erleichtert wie er selbst. Aber wie sollte er ihm sagen, was der Grund für die geschmissene Vorstellung war? Sollte er ihm wirklich sagen, dass June ihn mit ihren Vorurteilen so angefahren hatte, wie er es nie für möglich gehalten hätte? Es würde Rufus wohl nicht völlig unvorbereitet treffen, immerhin waren sie bereits am frühen Nachmittag aneinander geraten, aber es würde ihn treffen. Wie kam sie nur auf die Idee, dass sie eine Versöhnung mit seiner Familie bewirken könnte? Der Gedanke machte Jeremy erneut ganz elend. Er hatte gelernt, lernen müssen, ohne sie klar zu kommen und er würde bestimmt nicht darum bitten, wieder in den Schoß der Familie zurückkehren zu dürfen, die ihn und David so sehr verachtet hatte. „Spießer", war das Wort, das David immer gebraucht hatte, wenn es um Jeremys Familie ging. „Niemals wieder", flüsterte Jem zu sich selbst. Er wusste nicht genau, was er meinte: Niemals wieder einen von ihnen sehen, niemals wieder um ihr Verständnis bitten, niemals wieder Streit und entwürdigende Vorwürfe, niemals wieder ... Er brauchte gar nicht auf die Uhr zu schauen, denn er hatte inzwischen ein Gefühl dafür, wann Rufus nachhause kommen würde. Die einzige Variable war wohl der Andrang an der Stage Door, etwa plus minus zehn Minuten. Heute waren es plus zehn, doch endlich hörte er das Motorengeräusch von Rus Maschine, dann seine Schritte im Vorgarten. Jeremys Herz schlug höher, wie immer, trotz allem. Jeremy wollte ihn begrüßen. Als sich die Tür öffnete und Rufus den Helm abnahm, war ihm sofort klar, dass etwas passiert sein musste. Rufus hatte einen wilden Ausdruck im Gesicht, den er so noch nicht gesehen hatte. Er wirkte gehetzt, versuchte aber, sich zu fokussieren, als er Jeremy sah. 

„Du liebe Güte, Ru, was ist denn passiert?", brachte Jem hervor.

„Nichts, nur der schlimmste Tag", war die bittere Antwort.

„Wie schlimm?"

Rufus atmete schwer und schien nach Worten zu suchen.

„Richtig schlimm", war die Antwort und mit ihr kam er direkt zu Jeremy und legte ihm eine Hand in den Nacken, die andere an sein Kinn und küsste ihn. Und nicht irgendwie, sondern verzweifelt mehr fordernd. Jeremy wollte etwas fragen, aber Rufus war schneller. Er küsste ihn wieder und wieder und Jeremy begann zaghaft zurückzuküssen. Was sollt's, sie würden später reden. Er machte sich daran Rufus aus der Jacke zu befreien. Rufus half schnell mit, dann zog er Jeremy zu sich und küsste weiter. In Jeremys Kopf hing noch immer ein Restgedanke, woher die Eile und das Ungestüm kamen, wenn der Tag so schlimm war, aber dann war der auch vergessen. „Los, rauf", hörte er sich sagen und begann, Rufus halb in Richtung Treppe zu ziehen, halb zu schieben. Rufus hatte seine Hände inzwischen an Jems Rücken und Po und zwar völlig unkoordiniert. „Spring auf, sonst wirfst du uns um", nuschelte Jeremy zwischen Küssen. Er spürte, wie Rufus grinste, dann legte der auch schon die Arme um Jeremys Hals und der hob ihn hoch. Rufus legte seine Beine um ihn, dann ging es schnell die Treppe rauf. Jeremy staunte über sein eigenes Tempo. Wenn das hier gegen schlimme Tage half, und es machte ganz den Eindruck, dann wollte Jeremy erst recht mehr davon. 

Oben warf er Rufus direkt auf's Bett, sodass der lachte und in einem wilden Durcheinander von Küssen, Armen, Beinen und Händen, befreiten sie sich aus ihren Hosen und Hemden und allem anderen. Endlich hatte Jeremy Rufus nackt und heiß unter sich und drückte ihn mit noch heißeren Küssen in die Kissen. An seinem Ohr flüsterte er eine Frage, die eigentlich längst überflüssig war. „Was willst du?" Die Antwort, war eindeutig wie immer, aber seltsam in der Wortwahl. „Zeig mir, dass ich nur dir gehöre...Jem." Jeremy konnte nicht darüber nachdenken, er war zu sehr erregt. Mit einem Griff über Rufus hinweg angelte er nach der Schublade neben dem Bett, wo alles drin war, was sie jetzt brauchten. Jeremy riss die Verpackung des Kondoms mit den Zähnen auf und kämpfte dann kurz mit dem Verschluss des Gels. „Beeil dich", drängelte Rufus und kam ihm grinsend bei dem Kondom zu Hilfe. „Safety first", raunte Jeremy halb ernst, halb im Scherz, dann begann er, das Gel großzügig mit den Händen zu erwärmen und Rufus machte sich bereit. Jeremy gab ihm ein Zeichen, sich auf den Rücken zu legen. Er wollte ihn sehen, wenn es soweit war. Rufus verstand und schien es kaum erwarten zu können. 

Egal wie wild alles bis zu diesem Punkt gewesen war, Jeremy als der Erfahrenere behielt einen Rest Kontrolle, zumindest wenn es darauf ankam. Er ließ Ru sich hinlegen und Halt mit den Armen am Kopfende suchen, dann nahm er eine Position zwischen seinen Beinen ein und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Rufus war bereits kurzatmig und wand sich unter ihm, als Jeremy seine Küsse auch auf Rufus' Brust niedergehen ließ. Das wiederum versetzte Jeremy in höchste Erregung und er war jetzt mehr als bereit, Rufus zu nehmen, sobald der ein Okay gab. Jeremy ging küssend wieder nach oben bis zum Hals und rieb seine Hände an Rufus' Seiten. Seine Haut war so weiß und zart und heiß, dass er zu glühen schien. Jeremy suchte seinen Blick und hielt den Atem an. Rufus' blinzelte nur kurz, das genügte und Jeremy begann damit, vorsichtig und nach und nach, in ihn einzudringen. Rufus versuchte ruhig und gleichmäßig zu atmen und zu entspannen und Jeremy horchte. Als er ganz in ihm eingedrungen war, überkam Jeremy ein heiß-kalter Schauer. Das Gefühl, Rufus so nah zu sein, ihn so lebendig zu spüren und das Vertrauen, das er ihm auf diese Art bewies, war jedes Mal von neuem überwältigend. Als nächstes spürte er, wie Rufus seine Hände durch sein Haar gleiten ließ, ganz sanft, wie um sich zu vergewissern, dass es Jeremy gut ging. Er hob seinen Kopf an und küsste ihn. 

Das war das letzte Zeichen und Jeremy begann sich zu regen. Erst zaghaft, aber schon das ließ Rufus aufstöhnen. „Hör nicht auf", wies er ihn an und Jeremy war nur allzu bereit dazu. Jeremy wusste inzwischen ganz genau, wo Rufus' empfindsamste Stelle war und er würde alles daransetzten, sie mit jedem seiner Stöße zu berühren. Rufus schlang jetzt die Beine um ihn, was die Intensität des Liebesspiels noch erhöhte, denn es gab Jeremy zusätzliche Sicherheit. Jeremy legte die Arme um Rufus und stützte die Ellenbogen neben ihm auf. Seine Küsse gingen in die von Rufus über, der die Finger jetzt in Jeremys Schultern krallte. Irgendeiner von ihnen lachte, dann stöhnte einer, wer was tat und warum genau, war schon nicht mehr klar auszumachen. Jeremy versuchte, einen Blick in Rus Augen zu erhaschen, um zu sehen, wie weit er war. „Schau her", nuschelte er und stöhnte. Egal, wie weit Rufus war, er würde nicht viel länger brauchen. Die doppelte Sensation, wie er selbst sich in Rufus bewegte und gleichzeitig dessen Erektion zwischen ihnen beiden spürte, brachte Jeremy um den Rest seines Verstandes. Rufus tat sowas wie lachen und zog Jeremy am Kinn so, dass er ihn ansehen konnte. Jeremy hatte noch nie etwas Schöneres gesehen, als Rufus in diesem völlig aufgelösten Zustand. Die Pupillen seiner Augen waren so weit, dass er die hellen Farben seiner Iris kaum noch sehen konnte. Seine Wangen waren gerötet vor Erregung und weil Jeremys Bartstoppeln wie immer scheuerten, Strähnen einzelner Locken klebten feucht von Schweiß an seinem Gesicht und der Mund war halb geöffnet und bereit für einen weiteren Kuss. Der Anblick war das Letzte, was Jeremy jetzt zum Orgasmus trieb und als hätte Rufus nur darauf gelauert, kam er auch und zog Jeremy sofort zu sich und küsste und küsste. Jeremy erbebte und zuckte und trieb noch ein paar weitere Stöße vorwärts, beinahe wie mechanisch, unfähig, jetzt zu bremsen. Rufus lachte wieder und Jeremy lachte diesmal mit. Dann konnte er sich nicht länger halten und sank plötzlich, als könne er keine Spannung mehr halten, auf Rufus nieder. Er begrub sein Gesicht an Rus Hals und atmete seinen Duft ein, der ihn schwindeln ließ. Rufus grub gleichsam seine Nase in Jeremys Haar und begann, ihm über den Rücken zu streichen. 

Noch sagte keiner von beiden etwas, sie lagen nur erschöpft da und horchten auf den Pulsschlag und den Atem des anderen. Als er wieder halbwegs bei Besinnung war, fiel Jeremy ein, dass er schwer auf dem Jüngeren lag. Rufus würde sich nicht beschweren, aber er ließ sich auch willig von Jeremy herumdrehen, sodass er dann auf ihm lag. Er hauchte ihm ein paar Küsse auf die Brust, die noch immer nicht regelmäßig atmete. Als es dann soweit war, stützte er sich auf und sah Jeremy an. „Danke", flüsterte er dann. Jeremy verstand nicht sofort, aber dann dämmerte es ihm. „Du meinst, weil du mir gehörst?"

„Ja."

Jeremy lachte halb amüsiert, halb erleichtert auf. „Keine Ursache. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich dir gehöre."

„Stimmt." Rufus lächelte und Jeremy war jetzt doch neugierig, was ihn dazu bewogen hatte, so über ihn herzufallen und solche Worte zu wählen.

„Ru, was soll das Ganze? Du weißt, ich liebe dich und ich tue alles für dich. Warum sollte ich dir zeigen, dass du mir gehörst? Ich find's besser, wenn wir uns gehören oder wenn du jedes Mal wieder neu zu mir kommst. Verstehst du?"

Rufus schaute ihn etwas irritiert an, dann lächelte er wieder, diesmal fast entschuldigend. „Tut mir leid. Ich weiß es eigentlich besser, aber ich wollte ganz sichergehen."

Jeremy fiel jetzt auch der Rest wieder ein. „Wieso hattest du den schlimmsten Tag? Was ist passiert?"

Jeremy begann, Rufus über die Arme zu streichen, um ihn zu ermutigen. Er wusste, dass er sich darauf verlassen konnte, dass Rufus ihm erzählen würde, was los war. So gut kannte er ihn inzwischen. Die Frage war eher, wie ernst es wirklich war, wenn er so zögerte. Jeremy bereitete sich auf das Schlimmste vor.

„Oliver ist aufgetaucht", sagte Rufus dann schnell, wie um es hinter sich zu bringen.

„Am Theater?"

„Ja."

„Dammit." Jeremy überlegte, was das bedeuten mochte. Bestimmt nichts Gutes.

Rufus nahm einen weiteren Anlauf. „Er droht damit, dich öffentlich bloß zu stellen, es sei denn, ich gehe bis übermorgen auf seine Forderung ein."

„Seine Forderung?" Jeremy war jetzt besorgt. Was konnte der Typ fordern?

„Ja, mich", sagte Rufus schlicht. Aber das konnte so schlicht nicht sein. Was bedeutete das?

„Was soll das heißen?"

„Er will Sex. Er will mich."

Jeremy war im ersten Moment so entgeistert, dass er gar nicht wusste, was er dazu sagen sollte. Dieser Oliver war wohl der fieseste Typ, der frei herumlief. Rufus bemerkte Jeremys Zögern und fuhr wie beiläufig fort. „Ist nicht so schlimm. Wenn es für dich ist, dann mach' ich's. Ich meine, es ist ja nicht so, als hätten wir es nicht schon getan und wenn er immer noch so drauf ist wie damals, dann dauert es auch nicht viel länger als acht oder neun Minuten. Zehn allerhöchstens. Vielleicht muss ich nicht mal kotzen."

Jeremy hörte gebannt und entsetzt zugleich zu. Das war doch nicht sein Ernst? Hatte dieser Oliver ihm das angetan, dass er Sex wie eine Kleinigkeit, nein- wie eine Ware sehen konnte?

„Weißt du, was du da redest?", fragte er vorsichtig.

„Was meinst du?"

Die Frage verriet, dass er es nicht wusste. Jeremy wurde jetzt wirklich traurig und wütend zugleich und er nahm sich vor, alles, aber auch wirklich alles zu tun, damit Ru nie wieder etwas Schlimmes passierte und er anfing, die Dinge normal zu sehen. Er suchte nach Worten.

„Was ich... Nun ja. Ich finde, um genau zu sein, die Vorstellung besser, dass ich diesem Oliver die Hand abhacke, bevor der dich nochmal anfasst." Jeremy musste erstmal tief durchatmen.

„Das hat nichts mit dir und mir zu tun. Was wir hier tun, ist was völlig Anderes, weil ich dich liebe. Und genau deshalb mach ich das gern für dich."

Jeremy hatte genug gehört. Er nahm jetzt eine von Rufus' Händen in seine und gab ihm einen Kuss auf die Fingerspitzen. „Ru, Liebster, das kommt überhaupt gar nicht in Frage. Verstehst du? Das Letzte, was ich will ist, dass du irgendetwas tun musst, nur meinetwegen. Du hast schon zu viel getan meinetwegen. Und darum habe ich heute mit June gestritten und ihr und Peter gesagt, dass damit Schluss ist. Ich will den Preis nicht, wollte ihn nie und will ihn schon gar nicht, wenn das heißt, dass du oder ich irgendwas für irgendwen tun." Er schaute ihm in die Augen. Darin sah er sein Spiegelbild und auch, dass Rufus zu begreifen schien.

„Also muss ich es nicht tun?" Rufus wirkte noch immer etwas irritiert, aber erleichtert.

„Auf gar keinen Fall. Es gibt keinen Grund mehr und den gab es auch nie." Jeremy küsste noch einmal die Fingerspitzen, dann die Stirn. „Du hast es doch gesagt. Du gehörst mir." Die Idee, dass Rufus ihm gehörte, kam Jeremy immer noch seltsam vor, aber wenn es Ru denn so wichtig war und wenn er so verstand, dass das, was dieser Oliver von ihm verlangt hatte gegen jede Regel verstieß, dann würde er es eben so sagen. „Du gehörst zu mir und wir machen den Typen fertig, wenn der versucht, sich zu holen, was mir gehört."

„Machen wir das?"

„Ganz bestimmt." 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top