45.
Auszeit.
Was genau ist eine Auszeit?
Eine Zeit, bei welcher alles aus ist? Nein, das macht absolut keinen Sinn. Ich kann die Zeit nicht ausschalten. Ich kann nicht vor der Zeit davon laufen, sie wird immer existieren.
Für mich ist Auszeit, eine Zeit, in welcher ich Versuche meinem Leben zu entfliehen. Ich brauche eine Pause von allem. Eine Pause von meinem Leben als Liv, in einem Rudel, als Luna. Ich brauche eine Pause von meiner Beziehung zu Jayden.
Ich brauche Abstand.
Es ist nicht so, dass ich mein Leben an Jaydens Seite nicht wertschätze. Ich schätze mich glücklich, dass ich den einen gefunden habe. Es ist ein Privileg, ein Leben zu führen, wie ich es führe.
Ich habe ein Dach über dem Kopf, muss mir keine Sorgen machen, um mein Leben, ich habe jederzeit etwas zu essen und trinken, ich werde geliebt und wertgeschätzt, ich kann sein wer ich will und kann jederzeit tuen was ich will. Ich bin frei und darf mein Leben führen, wie ich es will.
Ich habe so viel Glück in meinem Leben. Ich bin gesund und meine liebsten auch. Meiner Familie geht es gut, meinem Rudel fehlt es an nichts und meinem Jayden geht es prächtig.
Es könnte alles perfekt sein, aber so fühle ich mich nicht.
Es sind meine Gefühle, mein inneres, welche mich momentan um den Verstand bringen. Ich brauche Zeit, damit ich mit diesen umgehen kann.
Ich möchte meine innere Liv wiederfinden. Meine Lebenskraft, meine Freude und meine aufgeweckte Art.
Ich bin älter geworden und es hat sich vieles verändert. Die junge Liv steckt noch irgendwo in mir, doch ich muss die erwachsene Liv finden. Ich muss mich wiederfinden.
„.. und deshalb brauche ich eine Auszeit" erkläre ich Jayden vorsichtig und halte seine Hand in meiner, in der Hoffnung, dass er spürt, wie wichtig mir das ganze ist.
„Eine Auszeit?" wiederholt er erneut, völlig überfordert und blickt mich verzweifelt an.
Es war von Anfang an klar, dass dieses Gespräch nicht einfach sein wird. Wer will schon hören, dass man eine Auszeit braucht und für unbestimmte Zeit vor hat zu gehen?
Ich werde zurück kommen, sobald ich mir einige Dinge bewusster geworden sind, doch wie lange dies dauert, weiß ich nicht. Es kann ein paar Tage dauern, aber auch ein paar Wochen.
„Es muss sein Jayden.." teile ich ihm mitfühlend mit und streiche mit meinen Daumen über seinen Handrücken.
„Es war doch alles gut" sagt er mehr zu sich selbst, als zu mir.
„Ich dachte wir seien glücklich" fügt er noch hinzu und wird zum Ende hin immer leiser.
Seine warmen Augen blicken in meine. In seinen Augen sehe ich ein Sturm von Gefühlen und am stärksten trifft mich die Verzweiflung in seinem Blick. Seine Hand umschließt Fest die meine, als würde er mich nicht gehen lassen wollen.
Er will mich nicht gehen lassen, jedoch bin ich mit meiner Entscheidung sicher. Es muss einfach sein. Es wird mir helfen und vor allem uns.
Es ist wichtig für unsere gemeinsame Zukunft.
Mein Blick scheint Bände zu sprechen, denn sein Griff lockert sich immer mehr. Es ist kein Abschied, spreche ich mir immer wieder zu.
Es ist auch für mich nicht einfach, aber die letzte Nacht hat mich in meinem Vorhaben bestätigt. Ich habe mir die ganze Nacht Gedanken gemacht, bis ich das Gefühl hatte, mein Kopf würde platzen.
„Es wird uns helfen" sage ich, in der Hoffnung uns beiden nochmal Mut zuzusprechen.
Es ist wichtig, dass er meine Entscheidung versteht. Er darf nicht denken, dass ich einfach verschwinde. Ich gehe nicht grundlos, ich erhoffe mir so viel von dieser Auszeit.
Diese Auszeit muss uns beiden einfach helfen.
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