Schmerz
"Freudestrahlend kam Camille auf mich zugerannt: *Ich bin schwanger!*
Vollkommen entsetzt sah ich sie an. Das konnte nicht sein. Wir hatten doch immer aufgepasst. Immer.
Bis auf das eine Mal.
Ich war geschockt und sie schien mein Schweigen als Freude zu verstehen. Sie warf sich um meinen Hals und küsste mich stürmisch. Erst als ich den Kuss nicht erwiderte sah sie mich an. *Was ist los Schatzi? Freust du dich nicht? Wir werden eine richtige Familie sind? Ist das nicht toll? Das ist doch alles was wir uns immer gewünscht haben!*
Ich musste mehr als einmal schwer schlucken, bevor ich ihr antworten konnte.
*Camille. Manchmal sind die Fragen kompliziert und die Antworten einfach.
Ich will kein Kind. Wir haben noch nicht einmal die Schule abgeschlossen. Ich will studieren und leben, frei sein. Da kann ich mich nicht um ein Kind kümmern.*
Ich konnte ihrem verletzten Blick nicht standhalten. Sie hatte wirklich geglaubt, wir würden so eine süße kleine Vorstadtfamilie mit Häuschen und Garten werden. Dass wir dafür arbeiten müssten, eine Ausbildung bräuchten, daran hatte sie natürlich nicht gedacht. Bis dahin hatte ihr Vater immer alles für sie geregelt, sie hatte nie über Geld nachdenken müssen. Leider kannte ich ihren Vater nur zu gut und mir war klar, wie er auf die Schwangerschaft reagieren würde. Noch am gleichen Abend sagte er ihr wortwörtlich: *Wenn du das Kind behältst bekommst du keinen einzigen Cent mehr von mir.* Womit er nicht gerechnet hatte war ihr Dickkopf. Mit diesem Satz stand fest, dass sie das Kind auf jeden Fall behalten würde. Er war genauso ein Dickkopf und hatte sie zwei Tage später, nachdem ihr Arzt die Schwangerschaft bestätigt hatte, auf die Straße gesetzt.
Sie war ziemlich geschockt, ist aber relativ weich gefallen. Ihre ältere Schwester hatte sie nach New York geholt und dort aufgenommen. Erst als ich ihr am Flughafen zum fünften Mal sagte, dass ich nicht mitkäme, hatte sie endlich verstanden, dass wir keine glückliche kleine Familie werden. Sie hatte mir eine schallende Ohrfeige verpasst und war heulend im Flugzeug verschwunden."
Sanft streichelte Magnus seinem Kater durch die dunklen Strähnen.
"Fünf Monate später erhielt ich einen Brief mit der Aufforderung Alimente zu zahlen. Ich hatte mich gerade in der Uni eingeschrieben und kam mit meinem Job in einer Bar gerade so über die Runden. Sie forderte 500 Dollar im Monat und ich suchte mir einen zweiten Job. Immerhin war es mein Kind, auch wenn ich es nicht wollte. Nach drei Monaten habe ich aufgegeben, das Studium geschmissen und auf einer Baustelle angeheuert.
Diese Entscheidung, einmal auf ein Kondom zu verzichten hat mein ganzes Leben geprägt. Und es hat sehr lange gedauert bis ich das akzeptiert hatte. Camille lebt am anderen Ende des Kontinents und hatte doch mein Leben in der Hand. Zumindest bis unsere Tochter achtzehn wurde. Seit knapp zwei Jahren bin ich endlich frei."
Es sah sanft in Alecs große Augen. "Ich habe sie nur einmal gesehen. Wir haben uns am Flughafen in San Francisco getroffen als sie ihre Eltern besuchte. Camille stand mit diesem kleinen vierjährigen Mädchen vor mir und sagte: *Sieh Cathya, das ist dein Daddy.* Die Kleine hat sich die ganze Zeit hinter ihren Beinen versteckt und mich nur verängstigt angeschaut. Danach habe ich sie nie wieder gesehen. Zu ihrem achtzehnten Geburtstag habe ich ihr einen letzten Check und einen langen Brief geschickt. Ich habe mich bei ihr entschuldigt, dass ich sie nicht in meinem Leben wollte. Mittlerweile habe ich meinen Frieden damit gemacht. In dem Brief stand meine Sozialversicherungsnummer. Sollte sie mich jemals kontaktieren wollen, wird sie mich finden können. Es ist jetzt ihre Entscheidung."
Eng zog der den Jüngeren an sich und drückte einen Kuss auf die weichen Haare. "Deshalb möchte ich nicht Daddy genannt werden."
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