Lieber Papa
Lieber Papa,
oder sollte ich lieber Erzeuger, Samenspender oder sonst was schreiben?
Oder sollte ich dich nicht Papa, sondern dich einfach bei deinem Namen nennen?
Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.
Ich weiß nicht wie ich dich nennen soll.
Ich weiß nicht, was du für mich bist.
Du bist mein Vater, ja, aber es fühlt sich so an als hätte ich keinen.
"My father broke my heart long before any boy had the chance to do."
Wie gut dieser Spruch auf dich und auf mich und auf unsere Beziehung zutrifft.
Denn du hast mir mein Herz gebrochen, lange bevor irgendein Junge die Chance dazu hatte.
Das bedeutet nicht, dass mir noch kein Junge das Herz gebrochen hätte, das ist es nicht.
Denn es gibt welche, die mir mein Herz gebrochen haben, jeder auf seine Weise.
Doch du warst der Erste, der mich verletzt hat.
Der Erste, der auf meinem Herz herum getrappelt ist.
Sollte ein Vater nicht alles dafür tun das seine Tochter, beziehungsweise seine Kinder, glücklich sind?
Ich kann dir sagen, deine Kinder sind nicht glücklich.
Ich jedenfalls nicht.
Eigentlich hättest du die Aufgabe gehabt, uns vor solchen Dingen zu beschützen.
Und doch bist du derjenige gewesen, der diese Dinge getan hat,
die keiner wirklich verstehen kann.
Ich bin mir nicht mal sicher, ob du sie überhaupt verstehst.
Nachdem du mir mein Herz gebrochen hast kam M. und hat mich wieder aufgebaut.
War für mich da, als du es nicht warst.
Hat mich irgendwie glücklich gemacht, obwohl du mich zum Weinen gebracht hast.
Er war derjenige, der für mich da war und der mein Herz irgendwie wieder heile gemacht hat, auch wenn es nicht mehr war wie vorher, weil du Narben hinterlassen hast.
Es war alles gut, bis auch M. ging und mir ebenfalls das Herz brach und ebenfalls Narben und Spuren hinterließ. Genau wie du.
Ich war an dem gleichen Punkt wie vorher,
nur, dass nicht du derjenige warst der mich verletzt hat.
Und dann war da P.
Ganz still und heimlich war er da.
Ganz still und heimlich hat er, ohne etwas zu tun oder es auch nur zu erahnen, meine Wunden geheilt, die mir erst mein Vater zugefügt und mein bester Freund wieder aufgerissen hat.
Bis auch er ging, ganz still und heimlich, und ohne es zu wissen mein Herz mitnahm und es wieder zerbrach.
Als auch er, ohne es zu wissen, Narben und Spuren hinterließ.
Obwohl ich ja eigentlich selbst daran Schuld bin, dass er das alles unbewusst getan hat.
Oder er. Oder wir beide.
Vielleicht auch keiner von uns.
Wie auch immer.
Es ist egal wer die Schuld hat oder nicht.
Der Punkt ist, dass die Liebe weh tut.
Sie tut dir weh, sie heilt dich und sie tut dir wieder weh
und so geht es immer und immer und immer weiter.
Denn wenn du jemanden liebst, schenkst du ihm mit deiner Liebe gleichzeitig ein Messer, mit dem er dich entweder verletzen oder beschützen kann.
Deine Aufgabe war es, mich zu beschützen.
Diese Aufgabe hast du jahrelang erfühlt.
Bis Mama deinen Stolz verletzte und du sie leiden sehen wolltest.
Und wie lässt man eine Mutter am meisten leiden?
Richtig.
Durch ihre Kinder.
Aber all das hat nichts daran geändert, dass Mama stärker ist, wie du und du sie jedes Mal aufs neue unterschätzt, genau so wie du mich unterschätzt hast.
Denn die Wahrheit ist:
Ich bin auch glücklich ohne dich.
Ich lebe mein Leben. Ohne dich.
Ich mache meine Erfahrungen. Ohne dich.
Du bist der einzige, der etwas verpasst.
Du verpasst all die schönen Dinge, die du hättest haben können.
Ich hoffe du bereust es irgendwann.
Aber vielleicht ist es dann schon längst zu spät.
Ich habe dich geliebt, weil du mein Vater bist.
Du wirst es immer bleiben und niemand wird daran etwas ändern können.
Manchmal wünsche ich mir ich hätte jemand anderen zum Vater, aber trotzdem liebe ich dich irgendwie.
Auch wenn ich alle Rechte dazu habe, dich zu hassen.
Was ich tue.
Und gleichzeitig liebe ich dich ein bisschen.
Irgendwie.
Deine Tochter
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