Entfernung mit Folgen

Kapitel 43

Nicolas

Er spürte es und mit jeden Schritt, den er sich weiter von Violet entfernte, vernahm er deutlich die Konsequenz der Trennung von ihr.

Nicolas war nie ein Mann gewesen, denn es nach Macht gierte. Seine Schwäche war Besitz nicht Einfluss, aber er gab zu, dass es sich alles andere als angenehm anfühlte, wie die Kräfte, die Violet ihn ungewollt verliehen hatte, seinen Körper wieder verließen. Genauso wie es zu Beginn eine ungeheure Umstellung gewesen war, dieses Feuer unter seiner Haut zu wissen und gezwungen zu sein es zu kontrollieren müssen.

Björn hatte definitiv weder gelogen noch untertrieben. Die Macht, die er erhalten hatte, war tatsächlich an Violet Nähe gebunden und verschwand, sobald er sich zu weit von ihr entfernte.

Aber etwas würde zu zurückbleiben. Nicht viel, aber etwas, weil ihr Blut durch seine Adern floss und er das Glimmen in seinen Inneren spüren konnte. Doch diese winzige Kraftreserve würde er sich für den Moment aufheben müssen, in dem er sie wirklich brauchte,

Er hatte zwar nicht gelogen, als er meinte, er würde zu Violet zurückkehren, aber war sich definitiv der Tatsache bewusst, dass er bei dem Versuch diese andere Königin zu töten selbst sterben könnte. Wiedereinmal. Diesmal vielleicht endgültig, aber es würde das Risiko wert sein.

Re war eine Gefahr für Violet, die unbedingt ausgeschaltet werden müsste. Was danach geschah, darüber würde er nachdenken, wenn es so weit war, oder eben auch nicht. Violet würde ohne ihn zurechtkommen. Sophie war alt genug, um sie zu beschützen und vielleicht sogar ein emotional besserer Einfluss als er selbst. Er hatte noch nie so etwas so sehr besitzen wollen wie Violet, aber von der gütigen, zärtlichen Liebe, die er bei Sophie und Björn sah, war das weit entfernt. Auch wenn Nicolas der Gedanke widerstrebte, wusste er, dass Violet über ihn hinweg kommen würde und sich dann eventuell in einen Mann verlieben konnte, der es verdiente. Doch noch war er nicht tot und noch gehörte Violet ihm. Solange sich das nicht änderte, gab es für ihn kein Grund auf irgendeinen anderen Mann eifersüchtig zu sein.

Nicolas versuchte diese Gefühle von sich abzuschütteln und sich in den Schatten verborgen zu halten, während er den Wenigen geborenen aus dem Weg ging, die an manchen Häuserecken standen, als erwarteten sie tatsächlich gleich einen Angriff. Sie waren auf einen Kampf vorbereitet, auch wenn ihre Chance denkbar gering war. Die meisten dieser Vampire waren jung und ihre Macht wuchs bei weitem nicht so schnell wie die von den Erschaffenen.

Als Nicolas aber an den Rand der Ortschaft kam und sah, wie eine kleine Autokolonne die Straße blockierte, wusste Nicolas, dass verstecken ab jetzt nicht mehr möglich war. Er sah Gallen und dessen Gefährtin Phebeo an der Spitze einer Ansammlung von Vampiren, die wohl vorhatten diesen Ort zu verteidigen.

Auf diesen Weg würde Nicolas nicht an Re herankommen. Er würde von Gallen oder einem anderen Vampir entdeckt werden und in diesen ganzen Mist hineingezogen werden. Darauf konnte er verzichten.

Also schlich er sich an den Rand der Ortschaft und schob sich dort in den dichten Wald, der diese kleine Häuseransammlung umgab. Re blockierte die einzige Straße nach draußen, aber die Wälder hier waren dicht und es überraschte Nicolas nicht, dass er hier Vampire beider Fraktionen verstreut vorfand. Die einen versuchten einen notwendigen Fluchtkorridor freizuhalten, die anderen das Dorf auch von diesen Seiten einzukesseln.

Nicolas war weitaus schneller und erfahrener als die meisten dieser Vampire und schaffte es ohne größere Mühe sich an Geborenen und Erschaffenen vorbeizuschleichen. Zumindest glaube er das, bis sein Instinkt ihn dazu brachte nach oben zu sehen, und dort auf einem Zweig einen frisch erschaffenen Vampir entdeckte, der ihn mit großen Augen ansah.

Verdammt.

Noch bevor der Mann einen Ton von sich geben konnte, der Nicolas verraten könnte, war Nicolas bei ihm, brach einen Ast ab und rammte ihn direkt zwischen die Rippen des frisch Erschaffenen. Direkt in sein Herz.

Er grübelte und Nicolas packte ihn, während er starb, an der Kehle, drückte ihn tiefer in die Baumkrone und spießte ihn dort an einem weiteren abgebrochenen Ast einfach auf.

Er konnte es sich nicht leisten, wenn eine Leiche entdeckt wurde und leider was dieser Vampir nicht so alt, dass er einfach zu Staub zerfallen werden würde, wenn die Zeit ihn einholte. Fast könnte Nicolas Mitleid mit ihm haben, aber die Chancen dass dieser halbe Junge diesen Tag überlebt hätte, war sowieso gering. Re hatte ihn mitgebracht, um als Kanonenfutter zu dienen. Wahrscheinlich war sein Erschaffer ebenfalls tot oder er hatte zu einem der armseligen Kreaturen gehört, die erschaffen und dann einfach zurückgelassen wurden. Freiwild, mit dem man machen konnte was man wollte.

Violet hatte nicht unrecht. Das System der Erschaffenen war grausam und absolut barbarisch. Das resigniert zur Kenntnis zu nehmen bedeutete nicht, es zu akzeptieren. Nicolas hatte sich schon vor Jahrhunderten aus dieser Welt zurückgezogen. Er hatte nie ein Teil von Res Kampf sein wollen. Es war an der Zeit, sich endlich davon loszusagen.

Er begann damit, die Leiche des jungen Vampirs abzutasten, fand an dem Vampir allerdings weder ein Funkgerät noch sonst etwas, womit man sich hätte absprechen können. Er war sicher als Vorhut eingesetzt worden, doch das System, was Re verfolgte war, erstaunlich unüberlegt. Fast schon primitiv. Aber das war nichts Ungewöhnliches für alte Vampire. Sie waren Gefangene in ihren Gewohnheiten. Vielleicht hatte sich Nicolas deswegen nie wirklich zu diesen Herrschaftssystemen zugehörig gefühlt, weil ihm der Gedanke an einen Gott gleichen, absolutistischen Alleinherrscher schon zu Lebzeiten als rückständig empfunden hatte, er war in der Zeit geboren, als Rom Ägypten erobert hatte und die Philosophie der griechischen Demokratie mitgebracht hatte.

Man sagte Nicolas zwar nach, dass er wie ein Einsiedler lebte, aber er hatte schon immer mehr das Gefühl gehabt, dass er der Welt und ihren Veränderungen näher war als alle, die behaupteten, mit der Zeit zu gehen. Die kulturelle Entwicklung, vor allem die der geschaffenen Vampire war praktisch nach dem Untergang der Herrschaft der Geborener zum Erliegen gekommen. Sie handelten wie Häuptlinge und dachten auch ähnlich simpel. Re wäre wohl niemals auch nur auf die Idee gekommen sich Strategien anzueignen, um einen effektiven Schlag gegen diese Geborenen intensiv zu planen. Das könnte Nicolas Vorteil sein.

Wenn er es schaffte hinter Res Frontlinie zu gelangen, könnte er diese Königin ausschalten und eine direkte Auseinandersetzung mit Re vielleicht sogar vermeiden.

Nicolas wartete bis der aufgespießte Vampir sein nun auch zweites Leben wirklich beendet hatte und achtete darauf, dass die Leiche blieb, wo sie war, während er sich überlegte, ob er nicht lieber in den Bäumen blieb.

Es könnte hier oben mehr Lärm machen, aber es war unwahrscheinlicher entdeckt zu werden. Auf dem Boden wäre er leiser, aber genau dort trieben sich auch alle anderen Vampire herum. Er entschied sich für ersteres.

Die Äste ächzten manchmal unter seinen Füßen, während er sich durch die Baumkronen kämpfte und dabei so schnell bewegten, dass er bereits verschwunden war, bevor der dadurch entstehende Lärm von jemanden wirklich wahrgenommen werden könnte.

Hier und da riss ein Ast an seiner Haut und fast musste Nicolas lächeln bei dem Gedanken, dass er dadurch ein paar Narben mehr erhalten könnte.

Ein paar Narben mehr, die Violet nach dem Sex schlaftrunken nachfahren konnte, ohne die Fragen zu stellen, die ihr dabei definitiv auf der Zunge lagen. Sie hatte ihn nie nach der Zeit seiner Folter gefragt, aber auch wenn sie es getan hätte, wären seine Antworten gelogen gewesen.

Ihr Herz war zu weich, ihr Verstand zu anfällig für traumatische Erfahrungen. Unwissenheit war in ihrem Fall ein Segen und seine Lügen, ein Gefallen, den er ihr tun könnte. Es gab so viel auf dieser Welt, das sie erschrecken könnte und wenn es bedeutete, sie ewig vor dieser Realität zu verstecken, dann würde er es tun. Auch wenn sie es wohl nicht zu schätzen wissen würde. Er würde zu ihr zurückkehren und sie beschützen. Immer.

Selbst wenn es bedeutete, sich erneut aus der Finsternis des Todes zu kämpfen. Tja. Vielleicht liebte er sie doch auf eine Art und Weise, die selbst er selbst nicht verstand.

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