TWO - Gianmarco Junior? - ✔️
Aria POV
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Ich bin am Arsch, und damit meine ich so richtig am Arsch.
Raffa schaut mich etwas besorgt an, während mir nur noch eines durch den Kopf geht: Mafia. Anführer der Mafia. Ich bin nicht bei irgendeiner Gang, nein, ich bin bei der Mafia höchstpersönlich.
„Geht's dir gut?" Raffa sieht mich aus seinen braunen Augen ziemlich besorgt an, und ich nicke nur benommen. „Ja", murmle ich nur, und schlucke. „Ich wusste nicht, dass das hier die Mafia ist." Raffa nickt, und ich sehe sowas wie Verständnis in seinen Augen. Wieso Verständnis? Er ist der Sohn eines Mafiabosses, er sollte doch eigentlich verängstigend sein, oder? Und immerhin bin ich eine Geisel.
Jedenfalls hat das Raffas Vater gesagt, und ehrlich gesagt fühle ich mich auch so. Ich habe keinen blassen Schimmer davon, wo ich bin, geschweige denn, wer das hier alles ist und was mit mir passieren wird. Was, wenn sie mir jetzt an Ort und Stelle eine Kugel in den Kopf jagen? Wenn Raffas Freundlichkeit nur gespielt, und alles Teil eines Plans ist?
„Gianmarco!"
Eine laute Frauenstimme lässt Raffa und mich gleichzeitig herumfahren, und das erste Mal werfe ich wirklich einen Blick auf das Haus. Es ist ziemlich groß, wobei wohl auch viele Leute darin wohnen müssen. Eigentlich sieht es ganz normal aus, wie jedes andere Haus eben auch. Dass sich da drin eine Mafiafamilie aufhält, würde keiner von außen denken.
Das Einzige, was einen etwas stutzig machen könnte, ist, dass es mitten im Nirgendwo steht. Um uns herum sieht man nur Wald, und noch mehr Wald. Ganz in der Ferne kann ich die Space Needle erkennen, was bedeutet, dass wir noch in Seattle sind. Nur sehr abgelegen.
„Gianmarco, hast du etwa alle deine Hirnzellen verloren?!" Die Frau redet wild auf Raffas Vater, der wohl Gianmarco heißt, ein, und ehrlich gesagt finde ich es ein klein wenig amüsant, wie der sonst so kalte Mafiaboss ziemlich klein wird. Was ich jetzt aber auf keinen Fall zeigen würde, denn mein Kopf ist mir immer noch wichtig. Anscheinend ist das da seine Frau, und mit irgendwas scheint sie überhaupt nicht einverstanden zu sein.
„Das ist meine Mutter", schmunzelt Raffa auch in dem Moment, und zieht mich am Oberarm vom Auto weg. „Sie hasst es, wenn Dad unschuldige Leute in solche Angelegenheiten mit reinzieht." Ich nicke nur und laufe hinter Raffa her, der langsam auf seine Mutter zu geht. „Mamma?"
Die Frau, die dem dritten Typen im Van eben wirklich verdammt ähnlich sieht, hält Inne, und unterbricht ihre Italienisch-Englische Schimpftirade gegenüber ihrem Mann. „Raffael, ich hoffe du nimmst dir den Esel, der dein Vater sein soll, nicht zum Vorbild." Gianmarco sieht seine Frau schmollend an, doch diese lächelt mich nur warm an.
„Du musst das Mädchen sein, welches mein Mann einfach so mitgenommen hat. Es tut mir leid, aber denken ist nicht seine Stärke." Ich schaue die Frau nur vorsichtig an, und entdecke sofort, dass Raffa seine Augen von ihr hat. Haselnussbraun. Gianmarco hingegen hat diese grünen, fast leuchtenden Augen, die einen extremen Kontrast zu dem wirklich pechschwarzen Haar bilden.
„Wie heißt du?" Ich schaue auf meine Hände und dann kurz zu Raffa, der mir aufmunternd zunickt. „Aria", murmle ich dann leise, und frage mich, wie die anwesenden Leute das überhaupt verstehen konnten. „Aria Davis." Die Frau nickt, und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Ich bin Amy. Amy Salvatore." Bei dem Nachnamen stockt mir der Atem. Wir haben schon einige Male in der Schule über diese Familie gesprochen, und das hier ist der Beweis dafür, dass ich nicht nur verarscht werde.
Ich bin bei der Mafia.
„Komm doch erst mal rein, du musst einen ziemlichen Schock erlitten haben." Amy schiebt mich mit der Hand am Rücken auf das große Haus zu, und obwohl es das Haus der Mafia ist, freue ich mich irgendwie, endlich wieder an einem warmen Ort zu sein. Ich erfriere gleich. Ich schiele nochmal zu Amy rüber, und stelle fest, dass sie wirklich schön ist.
Ihre braunen Haare fallen ihr locker über die Schultern, ihre Statur ist zierlich, und ihre Hände sind dünn, aber trotzdem kräftig. Amy's Lächeln ist ehrlich und breit, und irgendwie wird mir doch ein bisschen warm ums Herz, als sie mich anlächelt. „Was machen wir jetzt mit ihr?" Raffa sieht seine Eltern fragend an, und Gianmarco schnaubt nur verächtlich.
„Am liebsten würde ich sie mit dem Idioten, der auf die Idee kam, eine Geisel zu nehmen, zusammen auslöschen." Gleich darauf zuckt Gianmarco heftig zusammen, und als ich genauer hinsehe entdecke ich, dass Amy ihm auf den Fuß gestanden ist. „Oh, mio Dio, vuoi farmi diventare storpio", zischt er, doch Amy scheint das Leiden ihres Mannes nicht zu interessieren. „Hast du davon", sagt sie nur, und sieht wieder zu mir.
Ich bin durch Gianmarco's Kommentar nur noch eingeschüchterter geworden, und wenn ich könnte, würde ich gerne einfach nur tot umfallen, als noch länger mit diesem Mann unter einem Dach und in einem Raum zu sein. Mir egal, wie nett seine Frau ist, die er mal so nebenbei bemerkt nicht wirklich verdient hat. Jedenfalls nicht, wenn er immer so drauf ist, wie jetzt. „Macht was ihr wollt", seufzt Gianmarco auch schon, doch bevor er ganz aus dem Raum verschwindet, dreht er sich nochmal zu mir um. „Handy."
Zuerst starre ich nur auf seine ausgestreckte Handfläche, ehe meine Hand automatisch mein Handy hervorzieht, und es Gianmarco gibt. „Wow, keine Ausreden", bemerkt dieser fast spöttisch, und steckt sich mein Handy in die Hosentasche. „Schade, dass ich dieses hübsche Modell zerstören muss."
Ich schlucke trocken und denke sofort an Liam, der sein Sparschwein mindestens dreimal gekehrt hat, um mir zum Geburtstag ein Handy zu kaufen. Er bestand darauf, mir eines zu kaufen, da mein altes Modell ihm aus Versehen aus den Händen gerutscht, und somit drei Stockwerke in die Tiefe gestürzt ist. Es war kaum noch brauchbar, aber ich habe es ihm nie übelgenommen. Immerhin sah er aus wie ein geschlagener Hund als es passiert ist, und schon nur der Anblick hat gereicht, um ihm zu verzeihen.
Gianmarco verschwindet aus dem Raum, und ich kämpfe mit den Tränen. „Komm, ich zeige dir erstmal dein Zimmer. Du wirst hier wahrscheinlich bleiben müssen, Kleines." Jetzt kämpfe ich noch heftiger gegen die Tränen an, und tatsächlich spüre ich, dass Raffa mir kurz über den Kopf streicht. „Manchmal habe ich wirklich eine Hohlbirne als Vater", murmelt er seiner Mutter zu, und sie nickt. „Wenigstens siehst du es."
Mit diesen Worten laufen wir die Treppen hoch zu den Schlafzimmern der Familie. Ganz am Ende des Flurs hat es noch eine Türe, die Amy mir jetzt öffnet. „Es ist unser letztes Gästezimmer. Du bist nämlich nicht die einzige mit deinem Schicksal hier." Etwas verwirrt schaue ich Amy an, doch sie lächelt nur milde. „Sei bitte in zwanzig Minuten unten in der Küche, ich brauche Hilfe beim Kochen."
Ich nicke nur abermals, und dann bin ich alleine. Vorsichtig schaue ich mich in meinem zukünftigen Zimmer um, welches eher spärlich, aber trotzdem schön eingerichtet ist. Ehrlich gesagt fühle ich mich von der Einrichtung her überhaupt nicht, als wäre ich in einem Mafiahaus.
Aber du bist es.
Ach, du meldest dich auch wieder mal. Danke.
Ich fange so leise wie möglich an, über den Holzboden auf mein Bett zuzuschleichen. Wieso ich schleiche? Ich will nicht, dass Gianmarco sich über meine zu lauten Schritte nerven könnte. Irgendwie habe ich bei ihm das Gefühl, dass er mich sofort umlegen würde, wenn Amy nicht da wäre. Von Raffa habe ich bisher einen ganz guten Eindruck, jedenfalls hat er mir noch nicht damit gedroht, mich umzubringen, oder mir sonst irgendwie weh zu tun. Und das ist in dieser Familie und vor allem in dieser Situation ein ziemlicher Pluspunkt, jedenfalls aus meiner Sicht.
Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett fallen, und fange damit an, mir meine Schuhe, meine Jacke, und meinen Schal auszuziehen. Schal und Jacke hänge ich über den kleinen Stuhl, und meine Schuhe stelle ich vor die Kommode. Dann setze ich mich wieder auf mein Bett und Rolle mich zur Seite, und da mein Bett am Fenster steht, muss ich nur den Kopf drehen, und habe eine gar nicht mal so üble Aussicht.
Ich starre traurig aus dem Fenster und versuche, anhand der Space Needle zu erraten, wo mein Zuhause liegt. Ich zähle die Hochhäuser und kneife meine Augen zusammen, um auch die kleineren Gebäude etwas zu erkennen, doch irgendwann gebe ich auf. Der Wald ist zu dicht, um zwischen den Bäumen durchzusehen. Ein Blick auf die Wanduhr über meiner Türe sagt mir, dass ich noch zehn Minuten Zeit habe, bis ich Amy helfen gehen muss, und ich fange damit an, Löcher in die Decke zu starren.
Langsam lasse ich den Tag nochmal Revue passieren, um herauszufinden, ob ich vielleicht ein Detail übersehen habe, welches mir zu einer Flucht oder so verhelfen könnte. Alles hat angefangen, als mich der Typ zu sich gezogen hat, und mir die Waffe an den Kopf hielt. Meine einzige Fluchtmöglichkeit war die Polizei, und die hat versagt. Ich schließe meine Augen, und lege meinen Arm über mein Gesicht. Alles, was ich wollte, waren Kerzen. Zwei mickrige Kerzen. Eine rote Kerze, und eine weiße Kerze.
Und was habe ich bekommen? Die Mafia.
Und ihren eher unfreundlichen Boss, der in Gegenwart seiner Frau zum Lamm mutiert.
Wow.
Der Zeiger auf der Uhr schleicht langsam voran, und als ich aus der Küche – oder jedenfalls aus der Richtung, in der ich die Küche vermute – Geräusche höre, entscheide ich mich dazu, schon mal runterzugehen, denn es klingt, als hätte Amy schon angefangen mit kochen. Ich tapse vorsichtig die Treppe runter und laufe in die Richtung, aus der die Geräusche kommen.
Das Haus ist von innen ziemlich modern eingerichtet, und ich frage mich, wie viel das alles wohl gekostet hat. Tatsächlich entdecke ich ganz hinten eine Türe, die zur Küche führt, und scheu stoße ich sie auf. Als mir dann jedoch keine haselnussbraunen Augen, sondern leuchtend grünblaue Augen entgegenblicken, gefriert für eine ganz kurze Zeit das Blut in meinen Adern.
Es gibt einen Gianmarco Junior?
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Oooh... einen Gianmarco Junior also?
Was haltet ihr bisher so von der Geschichte? :)
Und was denkt ihr, dass Amy meinte mit "Du bist nämlich nicht die einzige mit deinem Schicksal hier."?
- xo, Zebisthoughts
Übersetzung:
Oh, mio Dio, vuoi farmi diventare storpio = Oh, mein Gott, du versuchst, mich zum Krüppel zu machen
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