TWENTY-THREE - Blut - ✔️
Aria POV
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Nicolas Stimme löst sofort eine Gänsehaut auf meinen Armen aus. Der Mann, der mich festhält, sackt langsam zu Boden, und ein erstickendes Geräusch ertönt aus ihm heraus. Sobald er mich losgelassen hat, falle ich ebenfalls zu Boden, doch lange bleibe ich da nicht. Santos, der die ganze Zeit neben dem Mann und mir stand, zieht mich grob am Oberarm hoch und drückt mich dann gegen seine Brust. Da ich kaum stehen kann, hänge ich irgendwie in seinem Griff, und zwinge mich dazu, meine Augen offen zu halten.
Am Eingang der Gasse erkenne ich Nicola, welcher zwar blutet, es aber scheinbar unter Kontrolle hat. Er hat seine Waffe, ohne sie auch nur einen Millimeter zu bewegen, auf Santos gerichtet, und obwohl ich Nicolas Schiesskünste nicht kenne, bin ich mir sicher, dass er nicht mich treffen würde. Dafür sieht er viel zu selbstsicher aus. Dieser Junge weiß, was er tut.
Was mich jedoch erschaudern lässt, ist der Ausdruck auf seinem Gesicht. Seine sonst schon strahlenden Blaugrünen Augen leuchten jetzt schon fast gefährlich auf, während sich um seine Lippen ein kleines, fast nicht sichtbares, wissendes Grinsen spielt. Wieso lächelt er so? Ich schlucke, und eine zweite Person erscheint neben Nicola. Erst als ich diese braunen, verwuschelten Haare erkenne, stelle ich fest, dass Raffa auch hier ist.
Die Salvatore Brüder sind da, um mich zu retten.
Vor Santos.
Vor dem Mann, der über Leichen geht, nur für ein paar Informationen. Vor dem Mann, dessen Bankkonto ich vor kurzem erst gehackt habe. Irgendwie schon gruselig, dass er wohl keine Ahnung hat, dass dieses wehrlose Mädchen in seinen Armen genau weiß, wohin jeder kleinste Penny seines Kontos geflossen ist. Wüsste er es, wäre ich wohl schon lange einen Kopf kürzer.
„Nicola und Raffael Salvatore", lacht Santos leise, und ich frage mich, was gerade so lustig ist. Wenn ich mir die Gesichter der Brüder so ansehe, würde ich mich lieber mal darum kümmern, schnellstmöglich von hier verschwinden zu können. Das letzte, was ich tun würde, wäre, sie auszulachen. „Ihr kommt bestimmt, um eure kleine Freundin zu retten, nicht? Oder warte – will Gianmarco etwa, dass seine Geisel wieder unter seiner Aufsicht die Drecksarbeit erledigen kann?"
Ich schlucke hart und versuche, nicht einfach zu zappeln. Ich hasse es, so nahe an diesem schmierigen Typen zu sein. „Ich frage mich, ob du immer noch so lachst, wenn du unter der Erde bist." Nicolas Gesichtsausdruck ändert sich keinen Millimeter, doch in seinen Worten schwingt purer Hass, und eine fast ungesunde Menge an Spott mit. Man merkt schon nur an der Spannung hier, dass sich gerade zwei große Feinde gegenüberstehen, und ich weiß nicht, ob das nachvollziehbar ist, aber ich wäre liebend gerne nicht dazwischen.
Doch anscheinend hat mein Leben mal wieder andere Pläne für mich, und ich frage mich langsam, was ich verbrochen haben muss, um sowas zu verdienen. Anscheinend war ich vor all dem hier der Teufel in Person.
„Schlagfertig wie eh und je, so kennt man den Jüngsten von Gianmarco. Schade, dass wir so schlecht aufeinander zu sprechen sind – es wäre sicherlich amüsant, mit euch mal einen Kaffee zu trinken. Oder einen Tee, was auch immer ihr wollt." Nicolas Miene verändert sich immer noch nicht, doch ein leises Schnauben entfährt seinem Bruder. „Ich kann gerne auf dieses Erlebnis verzichten, Luciano, aber herzlichen Dank für das Angebot."
Santos schnaubt nur und schüttelt den Kopf, ehe er sich plötzlich meinen Arm schnappt, und ihn mir auf den Rücken dreht. Ich glaube, er hat ihn gebrochen.
Ein schmerzerfüllter Schrei entkommt meiner Kehle, und ich beiße mir so stark auf die Lippe bis ich Blut schmecke, um gegen meine Tränen anzukämpfen. Ich krümme mich leicht, obwohl ich nicht wirklich viele Möglichkeiten habe, mich zu bewegen, und verziehe mein Gesicht.
Leise wimmere ich dann doch auf, als Santos noch etwas fester zu drückt, und obwohl Nicola und Raffa immer noch ihre Masken tragen, kann ich deutlich erkennen, wie gerne die Beiden Santos gerade den Hals umdrehen würden. „Dad wird gleich hier sein", fängt Raffa langsam an, zu sprechen, und macht einen bedrohlich wirkenden Schritt auf Santos zu. „Und dann wirst du dein blaues Wunder erleben."
Raffas Stimme hat alle Emotionen außer Hass verloren, und auch sein Blick ist eisern. Seine Haltung verkörpert Überlegenheit und Macht, und ich stelle fest, dass ich diese Seite an Raffa noch nie gesehen habe. Das ist also der Raffael Salvatore, vor dem viele sich fürchten. Und ganz ehrlich, ich verstehe es. Seine sonst so braunen Augen sind fast schwarz, und seine Haare werfen fast die perfekten Schatten auf sein Gesicht, welches noch markanter und furchteinflößender wirkt als so schon. Seine Lippen hat Raffa zu einer dünnen Linie zusammengepresst, und sein Griff um die Waffe in seiner Hand ist fest. Ich glaube, er wäre jederzeit dazu bereit, zu schießen.
Aber auch sein kleiner Bruder ist anders, als dass ich ihn kenne. Zwar ist Nicola schon von seinem Aussehen her eher der düsterere der beiden Brüder, doch so wie jetzt habe ich ihn noch nie erlebt. Ich weiß nicht, ob er gerade überhaupt Emotionen besitzt. Dieses spöttische Lächeln verunsichert einen unglaublich, und es wirkt wortwörtlich gruselig auf ihm. Zusammen mit diesen hasserfüllten, nahezu mordlustigen Augen, die förmlich Funken sprühen, und den pechschwarzen Haaren, die sein Gesicht perfekt umrahmen, könnte Nicola sofort einem Actionfilm entspringen.
Nicht mal der kleine Blutfaden aus seinem Mund fehlt, was auch der einzige Hinweis darauf ist, dass er sich eben noch mit jemandem einen Kampf geliefert hat.
Erdrückt ab, und verfehlt Santos.
Dieser lacht höhnisch und drückt mich auf die Knie. „Verfehlt, Kleiner", flüstert er dann lachend, und Nicola seufzt. „Nein, nicht verfehlt. Ich pflege es nur nicht, Leute vor meiner... wie hast du nochmal gesagt? Kleinen Freundin? Ja, genau. Ich pflege es nur nicht, Leute vor meiner kleinen Freundin zu töten. Das hier war eine Warnung, und ich glaube, sie ist deutlich. Wenn nicht, versuche ich es gerne nochmal. Ich kann aber nicht garantieren, erneut zu verfehlen."
Nicolas Stimme trieft nur so vor Spott, und ich höre Santos seufzen. „Drecksbengel", murmelt er, und sieht sich kurz um. Dann reißt er mich wieder hoch, wobei ich mir fast die Zunge abbeiße, um nicht einfach zu schreien, und kurz darauf stößt er mich den Brüdern entgegen. Ich gerate ins Straucheln und versuche, mich mit meinem gesunden Arm an der Wand neben mir festzuhalten, doch ich schürfe ihn mir nur auf. Direkt darauf kommt mir etwas hoch, und als ich anfange zu husten, sehe ich deutlich Blut in meiner Hand.
Zwei warme Hände schließen sich um meine Oberarme, und Nicolas Gesicht erscheint vor meinem. Besorgt streicht er mir eine Strähne hinter mein Ohr, und sieht dann das Blut in meiner Handfläche. „Aria",murmelt er, und zwingt mich, ihn anzusehen. „Aria, geht's dir gut?" Ich schüttle nur stumm den Kopf, und huste ein erneutes Mal. Wieder Blut, aber weniger.
„Wir müssen hier weg", murmelt Nicola, und bevor ich überhaupt reagieren kann, hebt er mich hoch, und mein Kopf fällt fast leblos gegen seine Brust. Meine Arme hängen einfach schlaff an mir runter, da ich weder Kraft noch Lust dazu habe, sie zu bewegen, und ich versuche nicht der Versuchung zu verfallen, meine Augen zu schließen. Schnellen Schrittes treten Nicola und Raffael aus der Gasse raus, und kurz darauf höre ich, wie sich eine Autotür öffnet.
„Ich fahre", höre ich Raffa sagen, und Nicola setzt sich mit mir auf die Rückbank. „Mom oder Krankenhaus?" Nicola seufzt, und ich erkenne, wie er leicht mit den Schultern zuckt. „Mom zuerst. Sie kann dann immer noch entscheiden, ob wir sie ins Krankenhaus bringen müssen." Ohne einen weiteren Kommentar fährt Raffa los, und ich schließe schlussendlich doch meine Augen. Nicola hat immer noch seine Arme stützend um mich gelegt, und mit einer Hand hält er meinen Kopf aufrecht.
„Aria sieh mich an", ertönt plötzlich seine Stimme, und ich kämpfe innerlich darum, meine Augen zu öffnen. „Erzähl mir was", murmelt Nicola, und ich versuche, irgendeine Geschichte aus meinem Kopf hervorzugraben. Doch dieser ist wie leergefegt, ich weiß nicht mal mehr, was ich gestern gemacht habe. „Du warst anders", ist alles, was ich sage, und Nicola sieht mich verwirrt an. „Wann?" Ich schlucke, was mir schwerfällt, und klammere mich etwas in Nicolas Pulli fest.
„In der Gasse", murmle ich, und erinnere mich an dieses teuflische Grinsen. Nicola seufzt tief und fährt mir mit der Hand, die meinen Kopf hält, kurz durch die Haare. „Ich weiß, Aria. Ich weiß. So bin ich immer, wenn wir auf einen Feind treffen." Ich nicke nur leicht und seufze ebenfalls. „Ich will schlafen", murre ich, und will meine Augen schließen, als Nicola mich ganz leicht schüttelt. „Nein, nicht schlafen. Sprich weiter."
Ich starre Nicola direkt in die Augen, in der Hoffnung, mir würde irgendwas einfallen, worüber ich sprechen könnte. Doch in meinem Kopf herrscht immer noch diese Leere. „Mein Kopf ist leer", sage ich deshalb einfach wahnsinnig einfallsreich, und Nicola schmunzelt leicht. „Das ist er immer, Aria", erwidert er, und beleidigt schiebe ich meine Unterlippe etwas vor. „Das stimmt nicht." Nicola hebt nur eine Augenbraue, sagt aber nichts weiter dazu.
„Wir sind da." Raffa bremst ziemlich ruckartig, und Nicola fängt wieder an, sich zu bewegen. Er hebt mich wieder hoch und verlässt das Auto. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich, wie Raffa auf das Haus zu sprintet, und Nicola folgt ihm etwas langsamer mit mir im Arm. Sobald wir das Haus der Salvatores betreten haben, kommt Amy auf uns zu, und sieht mich kritisch an. „Bring sie mir in ihr Zimmer", sagt sie dann zu Nicola, und dieser fängt an, mich die Treppen hochzutragen.
„Raffael, was ist passiert?"
„Jaden, einer von Santos' Männern, hat Nicola und Aria beim Einkaufen überrascht. Darauf hat ein anderer Aria entführt, während Jaden mit Nicola beschäftigt war. Ich weiß nicht genau, was sie alles mit Aria gemacht haben, aber als ich neben Nicola auftauchte, lag da vor ihr ein Mann am Boden – erschossen durch Nicola –, und Aria saß würgend am Boden. Santos hat ihr daraufhin vermutlich den Arm gebrochen, und danach hat sie Blut gehustet und war so wie jetzt drauf."
Amy sieht ihren Sohn geschockt an und schluckt dann. „Okay, geh zu deinem Vater. Er muss das wissen." Raffa nickt und verschwindet. Währenddessen sind wir in meinem Zimmer angekommen, und Nicola legt mich auf mein Bett. Seine Wärme fehlt mir sofort, doch Amy braucht Platz, weshalb Nicola sich etwas im Hintergrund halten muss. „Bring mir die Apotheke", murmelt sie nur, und Nicola verschwindet.
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Mir tut alles weh. Und ich meine wirklich alles.
Nicola sitzt seit Stunden neben mir auf meinem Stuhl, und momentan schläft er, während ich nur leer aus dem Fenster starre. Ich konnte nicht schlafen, und obwohl Amy es mir verboten hat, das Bett zu verlassen, musste ich mich doch ans Fenster stellen. Von hier aus hat man einen Ausblick auf das Meer, welches in sanften Wellen immer wieder auf die Küste trifft. Im Haus ist es völlig ruhig, und ich höre leise Nicolas regelmäßige Atmung.
Oder besser gesagt – ich hörte sie, denn jetzt erscheint besagter Junge neben mir.
„Du scheinst nicht wirklich viel von Verboten zu halten, hm?"
Ich schaue erschrocken zum Italiener hoch, der mich aus kleinen Augen mustert. Dann zucke ich bloß mit den Schultern und schaue auf meinen Arm. „Ich konnte nicht schlafen." Nicola nickt und gähnt dann herzhaft. Ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, da ich Nicola selten so verschlafen gesehen habe. „Nicola?" Der Junge sieht auf mich herab, und ich muss mich zusammenreißen, um nicht einfach stundenlang in diese Augen zu starren.
„Danke", murmle ich, und Nicola lächelt leicht, ehe er einen Arm um meine Schultern legt, und mich leicht an sich zieht. Er sagt nichts, doch das ist auch nicht nötig. Ich spüre, dass er mich nicht nur gerettet hat, weil Amy ihm sonst den Hals umgedreht hätte. „Wir sollten schlafen", murmelt Nicola irgendwann, und ich nicke ganz leicht. Nicola schiebt mich auf mein Bett zu, und als er sich einfach neben mich legt, atme ich einige Male stockend ein.
„Ich bin zu müde, um in mein Zimmer zu gehen", murmelt der Italiener nur, legt vorsichtig einen Arm um mich und zieht mich an seine Brust. „Und du riechst gut." Ich schlucke schwer und versuche, mich zu entspannen, was nach einigen Minuten auch mehr oder weniger klappt. „Gute Nacht Aria", murmelt Nicola verschlafen, und ich lächle leicht. „Gute Nacht, Nicola."
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Denkt ihr, Aria wird sich schnell wieder erholen?
- xo, Zebisthoughts
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