THIRTY-THREE - Hilf uns, hilf Alexa - ✔️
Aria POV
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„Und wieso genau muss ich jetzt hierbleiben?" Liam und ich sind zu Hause angekommen, und er seufzt. „Gianmarco muss mit dir sprechen." Ich runzle die Stirn und löse meinen Sicherheitsgurt. Wieso sollte Gianmarco, der mich nebenbei bemerkt immer noch nicht ausstehen kann, ausgerechnet mit mir sprechen wollen?
Ich bin ein einziges, großes Fragezeichen. Ein riesengroßes, um genau zu sein.
Liam scheint das auch deutlich zu sehen, doch er zuckt nur mit den Schultern. „Sorry Kleine, mehr weiß ich auch nicht. Komm jetzt, ich glaube es ist keine gute Idee, einen Mafiaboss unnötig lange warten zu lassen." Ich hebe eine Augenbraue und steige aus. „Glaub mir, er könnte der König der ganzen Welt sein, und es wäre mir scheissegal. Ich nehme mir meine Zeit, und wenn das Stunden sind, dann wartet der werte Herr Stunden auf mich."
Liam schmunzelt nur und schüttelt belustigt den Kopf. „Das ist meine beste Freundin", lacht er leise, und ich lächle leicht. Es tut gut, Liam wieder an meiner Seite zu haben. Zwar habe ich mir die Umstände deutlich anders vorgestellt, aber trotzdem ist es schön, jemanden zu haben, bei dem du weißt, dass du dich seit Kindertagen voll auf ihn verlassen kannst.
Natürlich habe ich zu Raffa, Amy, Alexa und Nicola auch ein gewisses Vertrauen aufgebaut, aber nichts toppt das Verhältnis zwischen Liam und mir. Nicht mal mein Verhältnis mit Malia, auch wenn sie mein ganz persönlicher Engel auf Erden ist. Mein kleiner Bruder ist eher der Teufel auf Erden, aber ich bin selbst nicht besser.
Während wir auf das Haus zugehen, werfe ich einen Blick zur Halle, und schlucke. Sie sieht so aus wie immer, als wäre nie was passiert. So als würde gleich mein Training mit Nicola anfangen, der schon ungeduldig am Fuß der Treppe auf mich wartet, da ich laut ihm immer viel zu lange brauche, um mich umzuziehen. Dass da drin mehrere Männer gestorben sind, erscheint mir fast surreal, und doch ist es die Realität.
Mit viel Kraft wende ich den Blick von der Halle ab und betrete nach Liam das Haus der Salvatores. Es ist merkwürdig still hier drin, und ich kann Amy bis hier leise summen hören, während sie das Mittagessen kocht. Ich werde ihr nach dem Gespräch sofort helfen gehen, immerhin fehlt Alexa auch noch, und Raffa alleine ist zwar flink, nur leider auch ziemlich ungeschickt, wenn es darum geht, zu helfen.
Zwar sind seine Gerichte jedes Mal ein wahres Gedicht, aber eben nur, wenn er ganz alleine oder mit Nicola an seiner Seite in der Küche steht. Wenn ihm jemand vorschreibt, was er zu tun hat in der Küche, geht es meistens etwas schief.
„Aria?" Diese Stimme wird mir immer einen Schauer über den Rücken jagen. Ich weiß, ich wiederhole mich viel zu oft, aber Gianmarco ist wie gemacht für seinen Job. Schon in seiner Stimme schwingt so viel Kälte mit, dass man wortwörtlich fröstelt.
Besagter Mafiaboss steht oben an der Treppe, und sieht mich auffordernd an. Liam lächelt mir kurz ermutigend zu, und ich nicke. „Ich komme." Schnell gehe ich die Treppe hoch, in der Hoffnung bei meiner Tollpatschigkeit mich nicht der Länge nach vor Gianmarco hinzulegen, und stehe Nicolas Vater dann direkt gegenüber. „Wir gehen in mein Büro", ist alles, was dieser sagt, und ich folge ihm stumm. Mich juckt es in den Fingern, so sehr will ich ihn fragen, was er denn so dringend mit mir besprechen will, doch ich halte meinen Mund und hoffe darauf, dass Gianmarco gleich selbst mit der Sprache rausrücken wird. In seinem
Büro angekommen deutet Gianmarco mir still an, mich zu setzen, und völlig versteift lasse ich mich in das weiche Polster des Sofas nieder. Gianmarco setzt sich auf das Sofa mir gegenüber, und er mustert mich kurz. Dann räuspert er sich. „Was du gestern erlebt hast, passiert nicht gerade selten. Zwar war der Angriff direkt auf unserem Grundstück nicht sehr gut für uns, denn das heißt, dass wir bald wieder weiterziehen werden. Es ist hier nicht mehr sicher. Jedoch gibt es vorher einige Dinge, die wir regeln müssen, unter anderem ist auch Alexa dabei. Ohne sie bewegen wir uns keinen Millimeter vom Fleck, denn Santos' Versteck ist kein sicherer Ort für sie, und wir sollten sie so schnell wie möglich da rausholen."
Ich nicke nur, da ich das Ganze auch so sehe. Ohne Alexa passiert hier nichts.
„Jedoch haben wir jetzt die nächsten Tage einen Mann weniger. Nicola wird noch einige Tage im Krankenhaus bleiben müssen, und auch danach ist er nicht sofort wieder voll einsatzfähig. Natürlich, wir haben Jamie und Liam, doch trotzdem sind wir gegenüber Santos ein wenig in der Unterzahl." Erneut nicke ich, da ich in Gedanken auch schon so weit gedacht habe. „Und... wieso willst du das ausgerechnet mir erzählen?"
Meine Stimme ist erstaunlich fest, und Gianmarco's Mundwinkel zuckt kurz, doch dann ist er sofort wieder ernst. „Du hast den Mann erschossen, ohne mit der Wimper zu zucken", sagt er langsam, und ich schlucke. Eher ungerne werde ich daran erinnert, einen Menschen auf dem Gewissen zu haben, denn das zählt sicherlich nicht zu den Glanzleistungen inm einem Leben.
Ehrlich gesagt hätte ich noch vor wenigen Wochen jeden ausgelacht, der mir erzählt hätte, dass ich mal mit der Mafia an meiner Seite jemanden töten werde. Wirklich, ich hätte die Person wahrscheinlich sogar ins Krankenhaus gefahren, um ihr Hirn mal durchchecken zu lassen. Und jetzt ist es tatsächlich passiert. „Ja... das habe ich", bestätige ich Gianmarco's Aussage leise, und meine Stimme klingt ziemlich bitter. Ich bereue es erstaunlicherweise nicht, den Mann getötet zu haben. Freudensprünge sind jedoch auch nicht ganz angemessen für meine Leistung.
„Und du hast mitten in sein Herz getroffen. Hast du vorher schon mal mit einer Waffe geschossen?" Ich schüttle stumm den Kopf. „Das war das erste Mal, dass ich eine Waffe in der Hand hielt", sage ich dann noch, und der Mafiaboss vor mir nickt langsam. „Du hast Talent", murmelt er dann nachdenklich, und ich hebe eine Augenbraue. „Vielleicht war es ja auch bloß Glück", murmle ich, doch Gianmarco schüttelt den Kopf. „Nein, das war kein Glückstreffer. So präzise trifft keiner mit purem Glück, vertrau mir. Ich durfte schon einige Glückstreffer einstecken, traurig genug waren die alle von sogenannten Polizisten. Keiner davon war jedoch tödlich."
Ich denke kurz daran zurück, wie kläglich die Polizei versagt hat, als ich entführt wurde, und schmunzle tatsächlich leicht. Sie scheinen wirklich nicht großartig geschickt zu sein, wenn sie auf die Mafia treffen. Aber ich verstehe immer noch nicht, worauf Gianmarco hinauswill. „Wir werden dich trainieren", sagt er dann auch schon so ruhig, als wäre es das normalste der Welt. Mir jedoch fällt die Kinnlade fast auf den Boden, und meine Augen springen an kleinen Federn befestigt förmlich aus meinen Augen.
Ohne Scheiss, ich glaube ich sehe aus wie eines dieser Spielzeugviecher, die man zusammendrücken kann, damit ihre Augen herausspringen.
Ich soll trainiert werden?
„Aber ich kann mich doch schon verteidigen", bemerke ich verwirrt, und Gianmarco nickt. „Ja, das kannst du. Aber ich meine mit trainieren, dass du ein Schusstraining bekommst. Und zwar von Raffael. Eigentlich hätte ich dir Nicola zugeteilt, aber das geht jetzt leider nicht. In zwei Stunden fängt es an, sieh zu, dass du bereit bist."
Schusstraining.
Ich soll schießen lernen. In zwei Stunden. Von Raffael.
Ich. Soll. Mit. Einer. Waffe. Schießen. Lernen.
Spinne ich jetzt völlig?
„Und noch was", fährt Gianmarco weiter, und ignoriert meine Überraschung gekonnt. „Wir haben einen Gefangenen."
Ich nicke.
„Und er möchte mit dir sprechen."
Ich nicke nicht mehr.
Seit wann können Gefangene Wünsche äußern? Und was ist, wenn ich nicht will? Worüber will er überhaupt mit mir sprechen? Wohl kaum übers Wetter.
„Es ist sehr wichtig. Es geht um Alexa, und ich weiß, dass er mit ihr in enger Verbindung steht. Oder jedenfalls mal stand. Jaden könnte uns wichtige Informationen geben, jedoch müssen wir dafür Druck auf ihn ausüben. Emotionalen Druck, um genau zu sein."
Ich schlucke, als ich den Namen höre.
„Jaden?", frage ich nach, und Gianmarco nickt verwirrt. „Ja, kennst du ihn?" Ich schüttle bloß den Kopf. „Nicht wirklich, nein. Aber er war derjenige, der damals Nicola abgelenkt hat, damit-" „-Santos dich in die Gasse verschleppen konnte, ich weiß. Ich hätte nicht gedacht, dass du dir seinen Namen merkst." Ich seufze nur und schüttle mich innerlich bei dem Gedanken daran, wie dieser Max mich an meinem Hals gegen die Wand gedrückt hat.
„Wieso soll ausgerechnet ich das machen?", frage ich leise, und Gianmarco seufzt nun ebenfalls. Anscheinend weiß er es selbst nicht so wirklich.
„Du bist offiziell unsere Geisel, Aria. Du bist im Gegensatz zu allen anderen hier nicht freiwillig bei uns, und hättest allen Grund, um uns vor Jaden zu verraten, wenn du mit ihm alleine gelassen wirst. Ich denke, er wird dir am meisten Vertrauen schenken." Ich schlucke und muss zugeben, dass ich Gianmarco Recht gebe. Ich glaube, ich würde auch einer Geisel am meisten Vertrauen schenken.
„Aber ich könnte euch ja tatsächlich verraten", bemerke ich dann mit gerunzelter Stirn, und Gianmarco seufzt – mal wieder.
„Ja, das könntest du. Aber wir müssen das Risiko eingehen, und wenn meine Jungs und meine Frau dir vertrauen, dann tue ich das auch." Okay, wo ist das Buch der Weltrekorde? Ich würde gerne eine Doppelseite beanspruchen, mit genau dem Satz, den Gianmarco gerade gesagt hat.
Er vertraut mir.
Gianmarco Salvatore vertraut mir.
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„Du drückst sofort auf den Knopf, falls etwas passieren sollte, okay? Zwar ist Jaden gefesselt und an die Wand gekettet, aber ich möchte ihn nicht unterschätzen." Ich nicke nur stumm, und Raffa zieht mich kurz in eine Umarmung. „Viel Glück, Kleine." Ich lächle nur, und betrete dann den Raum, in dem Jaden sich befinden soll. Zuerst müssen meine Augen sich etwas an das dunkle Licht gewöhnen, doch schnell entdecke ich die zusammengekauerte Person gegenüber von mir.
Jaden sieht zu mir auf, und gleich mehrere Schauer jagen mir über meinen gesamten Körper. Einerseits, weil ich ihn nicht mit guten Erinnerungen verbinde, andererseits jedoch, weil er wirklich schlimm aussieht. Ich will nicht wissen, wie lange er schon gefoltert wurde.
„Jaden", sage ich so bestimmt wie möglich, und setze mich in einem sicheren Abstand vor dem Mann auf den Boden. „Du wolltest mit mir sprechen?" Jaden nickt, und seine dunklen Augen bohren sich fast in meine.
„Ich habe nur eine Frage", sagt er mit seiner rauen Stimme, und ich nicke langsam.„Stell sie mir." Jaden scheint eine Weile mit sich zu ringen, ehe er sich aufrecht aufsetzt, und mir somit noch weitere Wunden präsentiert, die eindeutig nicht nur von gestern stammen. Ich vergesse immer wieder mal gerne, dass die Mafia eigentlich ein brutaler, skrupelloser Clan ist, wenn man ihn sich zum Feind macht. Situationen wie diese zeigen mir wieder mal, an was für einem Ort ich hier eigentlich bin.
„Ist Alexa hier glücklich?"
Diese Frage überrascht mich ziemlich, und anscheinend erkennt auch Jaden dies. Und das, obwohl er nur ein Auge öffnen kann, da das andere zu sehr geschwollen ist, und vor allem ungesund blauviolett verfärbt. Ich überlege eine Weile, ehe ich nicke. „Ja, sie ist glücklich hier. Sehr sogar. Sie hat mir oft davon erzählt, dass sie das Gefühl hat, hier eine neue Familie gefunden zu haben, die auf sie aufpasst und für sie da ist. Sogar für Gianmarco hat sie viel Sympathie übrig, und langsam verstehe ich auch, wieso."
Jaden sieht mich interessiert an. „Wieso?" Ich lächle leicht. „Er gibt seine Liebsten niemals kampflos auf. Obwohl Santos unser Versteck gefunden hat, wird sich keiner von uns auch nur einen Millimeter vom Fleck rühren, bis wir Alexa wieder bei uns haben. Sie ist glücklich hier, sie lacht so unglaublich oft. Sie ist aufgestellt und blüht richtig auf, wenn man mit ihr spricht. Sie hat mir sehr geholfen, als ich neu dazu gestoßen bin."
Jaden nickt nur langsam und seufzt. „Das habe ich mir schon gedacht", murmelt er leise vor sich hin, und ich schlucke. „Ich habe auch eine Frage", verkünde ich dann, und Jaden sieht wieder zu mir. „Hau raus", meint er nur, und ein schmerzliches Lächeln findet sich auf meinen Lippen wieder. „Wie geht es Alexa?" Jaden sagt nichts, und wendet den Blick leicht ab. „Sie ist tapfer", fängter dann an, und nickt, wie um die Worte nochmal zu bestätigen.
„Sie lässt sich von Santos nicht unterkriegen und schweigt wie ein Grab, wenn sie will. Es geht ihr nicht sonderlich gut, aber ihr Kampfgeist hält sie ziemlich aufrecht." Ich nicke und wechsle meine Position etwas, da meine Beine eingeschlafen sind. „Jaden, stehst du – oder standest du mal – in einer persönlichen Beziehung zu Alexa?" Jaden seufzt. „Ich war lange mit ihr zusammen." Meine Augen müssen Untertassen gleichen. Doch schnell fasse ich mich wieder, da ich mich nach diesem Gespräch noch lange genug über diese Information wundern kann.
„Okay. Ich weiß, das klingt banal, aber ich flehe dich an, mit allem was ich habe – wenn du irgendwo auch nur ein kleines Bisschen für Alexa's Wohl kämpfen willst, dann bitte, hilf uns. Es hängt jetzt von dir ab, was mit Alexa passieren wird. Es hängt von dir ab, ob sie vielleicht bald bei Santos sterben wird, oder ob sie hier ihr Leben weiterführen darf, mit der Positiven Energie, die sie in sich trägt. Ich bitte dich, Jaden. Hilf uns, hilf Alexa."
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Denkt ihr, Jaden wird Aria helfen, um Alexa zu befreien?
Und was haltet ihr von Gianmarco's Idee mit dem Schusstraining?
- Xo, Zebisthoughts
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