SIX - Was wollt ihr an meinem Auto? - ✔️
Aria POV
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„Wie, keine Ahnung?"
Ich springe fast aus meinem Sitz, während Nicola nur die Augen verdreht. „Na, keine Ahnung eben", sagt er dann, und fängt an, auf seinem Navi rumzutippen, bis er den Arm sinken lässt. „Ich schlage vor, wir fahren einfach mal", murmelt er vor sich hin, und nimmt sein Handy hervor. „Was machst du jetzt am Handy? Dein GPS ist doch hier?" Nicola dreht mit einer Handbewegung das Navi etwas zu mir, und ich stocke.
Da steht ganz deutlich, dass wir uns nicht auf einer Straße befinden. Und dass wir keinen Empfang haben. „Hä", ist alles, was ich dazu sage, und ich schaue wieder zu Nicola. „Hier ist auch nichts", murmelt er, und hält mir sein Handy unter die Nase. „Und was machen wir jetzt?" Nicola sieht mich an und seufzt. „Zelte aufschlagen und wie Nomaden weiterleben", schlägt er dann todernst vor, und ich verdrehe die Augen.
„Lustig, wusste gar nicht, dass du sowas wie Humor hast. Jetzt ist aber nicht der richtige Zeitpunkt, mir das unter Beweis zu stellen." Nicola lässt sich in den Sitz zurückfallen und scannt die Umgebung, während ich nervös auf meinem Sitz rumrutsche, und nach einer Lösung für dieses Problem suche. Eine ganze Weile schweigen wir, bis Nicola sich genervt wieder aufsetzt, und mich mit einem Arm wie eben in den Sitz drückt. „Ich kann mich so nicht konzentrieren." Ich seufze nur, und entferne seinen Arm von mir.
„Und das kannst du mir nicht einfach sagen? Ich bin nicht taub." Nicola sagt nichts mehr dazu, sondern stützt sich jetzt mit seinem Kinn auf dem Lenkrad ab. „Ich will ja nichts sagen", fängt er dann an, und schielt zu mir. „Aber ich habe das Gefühl, dass wir hier nicht sein sollten." Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, und schaue mich automatisch hektisch um. „Wie meinst du?", frage ich dann, und Nicola räuspert sich. „Spring mich nicht an, aber ich glaube wir sind auf einem Territorium, welches nicht uns gehört. Verbotenes Territorium sozusagen."
Mein Mund öffnet und schließt sich wieder, ohne dass ich was sage. „Das heißt, wir könnten hier und jetzt erschossen werden?" Nicola zuckt mit den Schultern, und sieht mich kurz an. „Möglich." Ich lege meine flache Hand an meine Stirn, und schließe kurz die Augen. „Okay", fange ich leise an. „Okay. Und wieso genau stehen wir hier dann noch? Wartest du etwa auf deine Kugel, oder wie?"
Nicola schüttelt den Kopf und schließt ebenfalls kurz die Augen. „Ich suche immer noch nach einer Lösung, aber mit dir daneben ist das ja kaum möglich." Ich hebe eine Augenbraue und keuche geschockt aus. „Bitte? Tut mir leid, dass ich mir Gedanken darüber mache, dass ich eigentlich gerne jetzt bei Amy in der Küche stehen würde, anstatt hier mehr oder weniger auf meinen Tod zu warten, nur weil du nicht geschaut hast, wo du uns hinfährst!"
Nicola dreht sich zu mir, und funkelt mich aus seinen blaugrünen Augen böse an. „Ach, jetzt bin ich dran schuld?" Ich nicke wild und setze mich aufrecht hin. „Ja, verdammt, das bist du!" Nicola schüttelt nur den Kopf und wirft die Hände in die Luft. „Wolltest du etwa, dass die Bullen uns schnappen? So hysterisch wie du daneben warst schien es nämlich eher nicht so!" Ich schnappe nach Luft und lache kurz humorlos auf.
„Nein, wollte ich nicht, weil ich da noch bisschen Mitleid mit dir hatte, aber das schwindet gerade von Sekunde zu Sekunde. Für mich wäre es sogar gut gewesen, wenn die Polizei uns angehalten hätte, denn ich bin ja nicht schuld daran, dass ich von einem Haufen Idioten entführt wurde! Ich hätte dann mein normales Leben zurück, welches ich in dem Moment ignoriert habe, weil ich nicht wollte, dass du Probleme bekommst für etwas, das du nicht getan hast. Und außerdem, ich wurde noch nie von der Polizei verfolgt. Tut mir leid, dass ich da nicht so ruhig bleiben kann wie du, aber mein Leben besteht nicht aus Schießereien, Verfolgungen und illegalen Deals, und mein Gesicht hängt nicht groß auf jedem Revier!"
Eine Weile schweigen wir beide, und ich hole Luft. „Bist du fertig?" Nicola sieht mich kühl an, und ich starre fassungslos zurück. „Nein, Nicola Salvatore. Ich bin erst dann fertig, wenn wir endlich hier raus sind", zische ich, und zeige dabei auf unsere Umgebung. „Und das vielleicht noch, bevor es dunkel wird. Amy wartet." Mehr sage ich nicht, denn mehr wäre auch nicht nötig gewesen.
Nicola startet den Motor wieder, und fährt langsam rückwärts. „Wenn ich Dad erzähle, wie du über uns sprichst bist du ziemlich sicher tot", sagt er dann leise, und ich schnaube. „Tot oder euer Hausmädchen - sehr viel Unterschied sehe ich da nicht. Gäbe es Amy und Alexa nicht, hätte ich schon längst selber versucht mich umzubringen." Nicola sieht mich aus dem Augenwinkel heraus an, doch ich wende mich von ihm ab. Ich meine ernst was ich gesagt habe. Ich hätte es selber versucht. Obwohl, wenn es nach Gianmarco ginge, hätte er mich wohl schon lange umgelegt.
Wir fahren eine Weile planlos in der Gegend rum, während ich versuche, nicht plötzlich in Tränen auszubrechen. Diese Genugtuung will ich Nicola nicht geben. „Kannst du nicht irgendwie jemanden anrufen oder so, der uns dann orten kann?" Nicola schüttelt den Kopf und starrt auf die Straße vor uns. „Wie soll ich denn jemanden anrufen ohne Empfang?" Ich zucke mit den Schultern und schließe kurz die Augen. „Was weiß ich, ich dachte vielleicht habt ihr irgendwie einen Plan für solche Situationen", nuschle ich, und halte die Augen geschlossen.
Gerade bin ich dabei, etwas in einen Schlaf abzudriften, als Nicola abrupt anhält, und ich nur dank dem Sicherheitsgurt nicht durch die Windschutzscheibe fliege. „Sag mal, willst du mich tot sehen?!", fahre ich den Italiener an, doch dieser drückt mir eine Hand auf den Kopf und zwingt mich so dazu, mich zu ducken. Ich will gerade fragen was das soll, als Nicola mir seine Hand auf den Mund drückt. „Sei einfach still und froh darum, dass ich dich schütze."
Mit großen Augen schaue ich zu Nicola, der seine Hand langsam von meinem Mund entfernt, und krieche noch etwas weiter unter das Handschuhfach. Dann hebt er seine Jacke etwas hoch und zieht eine Waffe aus seinem Gürtel, die ich vorher noch nie bei ihm gesehen habe. Ich wusste nicht mal, dass er eine mit sich trägt zum Einkaufen gehen. „Bleib hier und beweg dich nicht", befiehlt er mir, und steigt dann aus, wofür ich ihn umbringen könnte. Wenn jetzt jemand ins Auto kommt, bin ich geliefert. Denn mit mir am Steuer kann man nicht flüchten, niemals.
Ich schlucke hart, was sich in dieser Stille ohrenbetäubend laut anhört, und warte darauf, dass was passiert. Doch es passiert nichts, bis ich plötzlich Stimmen vernehme, die sich dem Auto nähern. Schnell ziehe ich mir die Kapuze des schwarzen Hoodies über den Kopf, und mache mich so klein wie möglich. Da die Ausstattung von Nicolas Auto schwarz ist, falle ich vielleicht mit Hilfe des Schattens des Armaturenbretts gar nicht auf, und werde als Fußmatte erkannt.
Ich bin gerade heilfroh darüber, heute Morgen eine schwarze Jeans von Alexa ausgeliehen zu haben, und noch glücklicher bin ich darüber, gestern schwarze Winterstiefel angezogen zu haben. Somit bin ich ganz in schwarz gekleidet, wodurch ich in diesem dunklen Auto nicht hervorstechen sollte. Die Stimmen kommen näher, und ich spitze meine Ohren, um zu verstehen, was sie sagen. „Wem gehört denn diese Karre?" Nicht Nicola. Nicht den Salvatores.
„Keine Ahnung, vielleicht hat wieder jemand den Parkplatz des Naturparks verfehlt und denkt, hier kann man sein Auto auch stehen lassen." Naturpark? Ich weiß, wo der ist. „Gut möglich. Hey, aber die sieht schon ganz geil aus, oder?" Ich höre keine Antwort, weshalb ich davon ausgehe, dass der zweite Mann mit einer Körperbewegung geantwortet hat. Ich schlucke abermals und hoffe, dass man es nicht bis draußen hört. „Hey, lass uns mal reinschauen. Das Teil hat bestimmt eine geile Innenausstattung." Mein Herz rutscht mir in die Hose, und ich fange an, zu zittern. „Man sieht nicht viel, der hat getönte Scheiben."
Nicola, dieses eine Mal liebe ich dich.
Ich atme wieder etwas auf, da die Männer mich durch die Scheiben niemals entdecken können. Sie können nur leichte Umrisse der Sitze erkennen, aber einen Menschen, der schwarz in schwarz in einem Schatten kauert, sieht man so nicht. „Sollen wir es aufbrechen? Der hat sicher was zu holen."
Ja, zufällig einen nicht damit einverstandenen Menschen.
Ich zittere wieder, und gerade als die Männer anfangen, am Auto zu rütteln, ertönt eine mir nur allzu bekannte Stimme. „Was wollt ihr an meinem Auto?" Nicola. „Sieh mal einer an, Gianmarco's Jüngster." Einer der Männer lacht dreckig, und ich übergebe mich fast. „Was verschafft uns die Ehre?" Nicola lacht leise, und ich höre deutlich das Klicken einer Pistole. Entweder hat Nicola seine entsichert, oder jemand der Männer hat eine ihrer Waffen entsichert.
Ich schließe die Augen und vollführe ein kleines Stoßgebet, ehe Nicolas Stimme wieder ertönt. „Ich dachte, ein kleiner Ausflug würde nicht schaden. Dass ich dabei auf fremdes Territorium gekommen bin, tut mir schrecklich leid." Ich schlucke und könnte Nicola dafür schlagen, dass er in so einem provozierenden Ton spricht. Wenn das hier schief geht, sind wir beide geliefert. „Du hattest schon immer die größte Schnauze von allen", brummt einer der Männer, und wieder höre ich das Klicken einer Pistole. „Wir haben noch eine Rechnung offen. Was hältst du davon, wenn wir dich direkt zum Boss bringen?"
Fuck. Fuck. Fuck. Das klingt nicht gut.
„Ich verzichte lieber."
Ja Nicola, ich auch.
„Schade, dass das keine Frage war." Ein Schuss ertönt, und ich presse meine Hand auf meinen Mund, um nicht aufzuschreien. Weitere Schüsse ertönen, und ich kneife die Augen fest zusammen, in der Hoffnung, gleich aufzuwachen. Doch ich wache nicht auf - ich bin schon wach. Um mich herum findet gerade eine Schießerei statt, der Junge, der mich schützt, ist alleine gegen zwei womögliche Gorillas auf dem Platz, und ich sitze mittendrin, und darf weder gesehen, noch gehört werden.
Jetzt gerade wünsche ich mir die Küche der Salvatores herbei, und mit ihr Amy's Gutmütigkeit und Alexas unaufhaltbare, gute Laune. Schreie ertönen, und ich versuche akribisch, Nicolas Stimme auszumachen, doch ich finde sie nicht. Nicola sagt nichts. Nicola schreit nicht. Ist er etwa tot? Nein. Das kann nicht sein.
Ich schlucke und warte weiter ab, bis irgendwann alles verstummt. Ich wage es kaum zu atmen, und schreie fast auf, als die Fahrertüre aufgerissen wird. Nicola setzt sich hektisch auf den Sitz und startet den Motor. „Nicola?", frage ich leise, und erschrecke, als der Junge mich ansieht. Seine Stirn ziert eine Platzwunde, und seine Schulter färbt sich rot. Nicola drückt wie ein Verrückter aufs Gaspedal, und ich krabble langsam wieder auf den Sitz zurück.
„Wir sind in der Nähe des Naturparks", sage ich leise, und Nicola nickt. „Ich hab's gehört", murmelt er, und sieht zu mir. „Du hast das gut gemacht." Ich schaue ihn verwirrt an. „Du hast dich gut verhalten meine ich. Andere wären in Panik ausgebrochen." Ich nicke nur, und schaue wieder auf Nicolas Schulter. „Das muss behandelt werden", bemerke ich ernst, und der Italiener nickt.
„Ich weiß. Mom ist dafür zuständig." Ich nicke nur, und starre vor mich hin. Plötzlich jedoch schwenkt Nicola etwas nach links, und mit einem Blick zu ihm stelle ich fest, dass er Mühe hat, unter den Schmerzen zu fahren. „Halt an." Nicola sieht zu mir, und ich schlucke. „Ich fahre. Los, fahr da ran." Nicola will protestieren, doch dann lege ich meine Hand an die Handbremse. „Ich meins ernst."
Nicola sieht mich aus großen Augen an, befolgt dann aber tatsächlich meine Anweisung, und fährt an den Rand. „Los, raus da", dirigiere ich, und steige ebenfalls aus. Nicola scheint zu verstehen, dass er nicht wirklich gegen meinen Dickschädel ankommen kann, und steigt ebenfalls aus. Er umrundet das Auto und lässt sich auf dem Beifahrersitz nieder, während ich mir einen kurzen Überblick über sein Auto verschaffe, und dann langsam Gas gebe. Nach ungefähr fünf Minuten, in denen Nicola sicher zehn Panikanfälle hatte, habe ich das Auto im Griff, und fahre gerade auf den Highway zu.
Nicola sagt mir immer wieder, wo ich lang muss, und ich fahre mindestens zwanzig Stundenkilometer zu schnell, doch es geht meinem Beifahrer zunehmend schlechter, und ich will keine Leiche durch Seattle kutschieren. Ich zwinge Nicola immer wieder, mir was zu erzählen, und schlängle mich dabei zwischen den Autos durch, in der Hoffnung, die Polizei ist nicht in der Nähe. Das Glück bleibt auf meiner Seite, und wenige Minuten später biege ich auf den Parkplatz der Salvatores ein. Ich springe fast aus dem Wagen und versichere Nicola, gleich wieder da zu sein.
Dann laufe ich los und will gerade die Haustüre öffnen, als Gianmarco rauskommt und mich am Arm packt, da ich sonst in ihn reingerannt wäre. „Was machst du hier?", keift er mich an, doch es ist mir egal. Ich zeige auf Nicolas Auto und schnappe nach Luft. „Nicola, er wurde angeschossen", keuche ich, und Gianmarco lässt mich sofort los, um auf das Auto seines Jüngsten loszulaufen. Ich taumle etwas nach hinten, da ich nur dank Gianmarco mein Gleichgewicht halten konnte, und spüre, wie mich jemand wieder aufrecht hinstellt. „Hast du ihn hergefahren?" Raffa sieht mich aus seinen braunen Augen fragend an, und ich nicke zitternd.
„Danke."
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Wer denkt ihr, dass die Männer waren?
Und hättet ihr an Arias Stelle auch so ruhig bleiben können im Auto?
- Xo, Zebisthoughts
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