ONE - Kerzen, Waffen und die Mafia - ✔️
Aria POV
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Kerzen. Kerzen! Für verdammte Kerzen stapfe ich gerade durch den Schnee, friere mir meinen Arsch ab und hole mir womöglich eine Lungenentzündung, an der ich dann kläglich abkratzen werde. Und das alles nur wegen Kerzen. Mit meinem Blick stur nach vorne gerichtet bahne ich mir einen Weg durch die Menschenmenge, und langsam bekomme ich ernsthafte Gedanken, manchen einfach auf die Füsse zu treten, damit sie merken, dass mitten auf der Strasse kein geeigneter Platz ist, um mit drei Kinderwägen einfach mal stehen zu bleiben um die Space Needle zu bewundern, die man ja von fünf Metern weiter rechts nicht mehr gesehen hätte.
Die ist ja so winzig.
Mit einem genervten Seufzer wickle ich mir meinen Schal noch etwas enger um den Hals und bin froh, als ich Malia's Lieblings-Weihnachtsgeschäft endlich am Ende der Strasse entdecke. Sie akzeptiert nur Kerzen, die von dort stammen, und leider habe ich eine Wette verloren, und muss jetzt welche holen gehen. Wir stecken nämlich gerade mitten in der Adventszeit, und heute wollen wir das Haus dekorieren. Jedenfalls war dies der Plan, bevor mein bester Freund, Malia und ich uns eine Kissenschlacht geliefert haben, bei der leider zwei Kerzen zu Bruch gegangen sind.
Ups.
Jetzt dekorieren Malia, übrigens meine ältere Schwester, und Liam eben alleine weiter, während ich uns Kerzen besorge.
Mit einem innerlichen Jubelschrei betrete ich das Geschäft und werde von leiser Weihnachtsmusik und einem köstlichen Geruch nach Plätzchen empfangen. Der etwas ältere Verkäufer, dem der Laden auch gehört, streckt vom Lager kurz den Kopf hinein und lächelt, als er mich sieht. „Aria! Schön, dich auch mal wieder zu sehen. Bisher ist fast nur noch Malia aufgetaucht." Ich lächle ebenfalls, und ziehe mir den Schal vor dem Mund etwas runter, damit Mr. Humps mich überhaupt verstehen kann, wenn ich spreche.
„Ja, wir dekorieren gerade das Haus, und dabei sind uns leider zwei Kerzen runtergefallen. Malia und Liam haben es fertiggebracht, mich bei dieser Kälte vor die Türe zu setzen, und hier bin ich nun." Mr. Humps lacht, und der warme Klang erwärmt jedem sofort das Herz. Er ist so unglaublich gutmütig, dass es fast wehtut. Er kennt Liam, Malia und mich seit wir klein sind. Wir haben immer auf dem Platz vor dem Geschäft gespielt, und er hat uns mit seiner Frau zusammen immer Plätzchen, Kuchen und Getränke serviert.
Seine Frau ist leider vor einem Jahr verstorben, doch Mr. Humps scheint sehr gut darüber hinwegzukommen. Er hat es geschafft, mit nur einer Aushilfe den Laden wieder neu aufblühen zu lassen, und er sieht richtig glücklich aus. Ich denke, dies ist auch genau das, was Mrs. Humps wollte. Dass ihr Mann glücklich ist mit seinem Leben, und dass das Geschäft, ihr gemeinsames Lebenswerk, läuft. Ich gehe zum Regal in welchem die Kerzen stehen, und nehme mir eine Weisse und eine Rote heraus.
Dann gehe ich damit zur Kasse, wo Mr. Humps schon auf mich wartet. Er streckt mir einen Teller mit unglaublich gut riechenden Plätzchen entgegen, und ich merke erst, dass ich vor Hunger fast umkomme, als ich sie sehe. Dabei habe ich zum Mittagessen zwei nicht gerade kleine Portionen Spaghetti Carbonara verschlungen. Mr. Humps lächelt mich auffordernd an, und ich greife zu. Mit zwei Plätzchen im Magen, zwei Kerzen in der Tasche und dem Auftrag, meine Familie und Liam zu grüssen, verlasse ich das Geschäft wieder, und vergrabe meine Nase sofort in meinem Schal.
Es ist nicht kalt.
Es ist arschkalt.
Sofort sinkt meine Laune etwas, als ich all die Menschen sehe, und am liebsten würde ich direkt wieder Kehrt machen und Mr. Humps beim Backen oder so helfen. Ich kann nicht backen, aber es wäre mir weitaus lieber, als das hier. Menschen, Kinderwägen, plärrende Kinder – alles Dinge, die ich an einem Samstag wirklich nicht erleben will. Ich laufe in Gedanken versunken für mich selbst fluchend die Strasse entlang, und weiche den Menschen nur sehr knapp aus, als plötzlich ein Raunen durch die Menge geht, und alles stehen bleibt, weshalb ich ebenfalls eine Notbremsung hinlegen muss.
Hallo? Sind jetzt alle verrückt geworden?
Genervt fange ich an, mich durch die Wand von Menschen zu kämpfen, doch als ich vorne angekommen bin, bleibe ich mindestens so abrupt stehen, wie alle Menschen zuvor. Mein Atem stockt, und was ich sehe, würde ich am liebsten gleich wieder aus meinem Hirn verbannen. Drei maskierte Männer stehen mit je einer gezückten Waffe vor einem Laden, und ihnen gegenüber stehen drei Polizisten – ebenfalls mit gezückten Waffen.
Ich stehe hinter den maskierten Männern, weshalb es für mich ein leichtes sein sollte, einfach wieder abzuhauen, doch leider sagen meine Beine was Anderes. Die sind nämlich interessiert an dem, was hier vor sich geht, und bewegen sich keinen Millimeter. Ich höre, wie die Männer sich etwas zurufen, und wenn ich es richtig verstanden habe, habe ich gar nichts verstanden. Sie sprechen nämlich italienisch.
Plötzlich fangen die Männer an sich umzusehen, und spätestens jetzt ist für mich der Moment gekommen, um abzuhauen. Ich will gerade rückwärts aus der Menge rauslaufen, als mich plötzlich einer der Männer mit seinem Blick fixiert. Er ruft etwas, und bevor ich reagieren kann, werde ich fest gegen eine Brust gezogen und stehe plötzlich mit den maskierten Männern mitten im Kreis. Und mit dem Lauf einer Pistole an der Schläfe.
Malia, Liam – holt euch das nächste Mal eure blöden Kerzen selbst.
Zitternd atme ich ein und aus, in der Hoffnung, der Mann der mich festhält würde nicht abdrücken. Ich bin nämlich erst siebzehn und würde gerne noch weiterleben. „Es ist besser für dich, wenn du jetzt einfach ganz ruhig bleibst und mitmachst", raunt mir der Mann ins Ohr, und ich schlucke trocken. „O-Okay", stottere ich dann leise, und gebe mein Bestes, um jetzt nicht in Panik zu verfallen.
Vielleicht lassen sie mich ja gleich wieder gehen. Vielleicht ist das hier nur eine Übung der Polizei, wie man Gegner mit Geiseln überwältigt. Ja, das wird es sein. Es ist nur eine Übung. Mehr nicht. Ich bin gleich wieder frei und kann nach Hause zu Malia und Liam, die bestimmt schon auf mich warten. Ich schließe kurz die Augen als sich der Griff um meinen Bauch etwas verstärkt, und fahre damit fort mir einzureden, dass das hier nicht real ist.
„Lassen Sie sofort das Mädchen los!" Einer der Polizisten zielt auf den Mann hinter mir, und ich kneife die Augen zusammen. Würde der Polizist abrücken, könnte es genauso gut auch mich erwischen. „Dobbiamo andarcene da qui!" Der Mann neben mir sieht zu dem Mann, der mir immer noch seine Knarre gegen den Kopf drückt, und nickt. „Lo so, ma e' difficile uscire da qui."
Der Mann hinter mir scheint über die Worte seines Kumpels nachzudenken, während ich kein Wort verstanden habe. Ich kann eben kein italienisch. Langsam wird meine Position wirklich ungemütlich, und es wird nicht mehr lange dauern, bis ich mich anders hinstellen muss, ansonsten geben meine Beine nach. Aber ich darf mich ja nicht bewegen...
Und was, wenn ich auf Toilette muss?
Ja, danke. Daran denke ich jetzt gerade wirklich nicht. Der dritte der maskierten Männer diskutiert die ganze Zeit mit den Polizisten, und hält so direkt alle drei in Schach, während die Männer neben und hinter mir irgendwas auf Italienisch diskutieren. Wahrscheinlich versuchen sie eine Lösung zu finden, um hier raus zu kommen. Ich hoffe, sie sind zu dumm dafür. Plötzlich zählen die Männer jedoch, und auf drei explodiert zwischen den Polizisten und uns etwas. Gleichzeitig werde ich mit einem starken Ruck über eine Schulter befördert, und dank dem sich ausbreitenden Rauch kann ich nur knapp meinen Entführer erkennen.
Und der läuft, und zwar um sein Leben. Mit mir und meinem bald hochroten Kopf.
Soviel zum Thema „das ist nur eine Übung" - irgendwie bekomme ich das bedrückende Gefühl, dass das hier keine Übung ist, sondern die bittere Realität. Ich werde gerade entführt und kann nichts dagegen tun. Tränen steigen mir in die Augen, und ich mache mir nicht die Mühe, sie aufzuhalten. Wieso denn auch? Sollen die Männer ruhig wissen, dass sie wen zum Heulen gebracht haben. Nicht dass ich denke, dass es sie wirklich interessiert, sondern aus reinem Prinzip.
Da ich eh weiß, dass es nichts bringt wie eine verrückte auf dem Rücken meines Entführers herum zu trommeln, lasse ich es einfach, um mir weiteren, unnötigen Ärger zu ersparen. Ich will schließlich irgendwann heil nach Hause kommen, und ich denke nicht, dass ein Streit mit den Entführern da förderlich wäre. Ich schlucke die Tränen so gut es geht runter und hoffe einfach, dass die Männer einsehen, dass es ihnen nur riesige Probleme einhandeln würde, mich als Geisel zu nehmen.
Sie hätten die Polizei noch enger am Hals als wohl eh schon, und bei Entführungen sind sie immer besonders hart. Das Opfer muss um jeden Preis gefunden werden, es handelt sich um ein Menschenleben. Das hat mir Liams Vater mal gesagt, der sich anscheinend wirklich auskennt.
Liam, Malia, Jeremy...
Ich denke an meinen besten Freund und an meine beiden Geschwister, und frage mich, wie sie sich wohl gerade fühlen müssen. Was sie wohl gerade tun und wann genau sie von der Nachricht erfahren, dass ich, beste Freundin und Schwester, entführt worden bin. Ich glaube ich wäre am Boden zerstört. Ich würde alles daran setzen meine Geschwister oder meinen besten Freund - oder auch alle drei, wenn's sein muss - zu finden, und zwar auf anderem Wege als die Polizei.
Seit ich vierzehn bin habe ich mich immer wie öfters im Hacken und Entschlüsseln verschiedener Dokumente versucht, und es hat sich herausgestellt, dass ich ein gewisses Talent besitze. Eigentlich wollte ich ja nach der Highschool mein Studium darauf basieren, aber wie es scheint, kann ich mich auch davon verabschieden. Wenn das eine gut organisierte Gang oder Gruppe ist, werde ich wohl entweder bald sterben oder für immer gefangen sein.
Stimmt, mit wem hast du's hier eigentlich zu tun?
Zum ersten Mal, seit ich die Männer gesehen habe, denke ich darüber nach, wer sie wohl sein mögen. Ich weiß, dass hier in Seattle die Mafia mit den Salvatores ihr Unwesen treibt. Aber es gibt auch noch sehr viele kleinere Grüppchen, die ebenfalls recht kriminell und verdammt gut organisiert sein können. Aber schlussendlich wird alles ab irgendeinem Punkt von den Salvatores gesteuert, da sie die Oberhand über den illegalen Markt haben.
Kurz gesagt: Gianmarco Salvatore hat den illegalen Markt Seattles aufgekauft und übernommen.
Ja, so mächtig ist er.
Und genau deshalb habe ich jetzt noch umso mehr Schiss vor dem, was kommen wird, denn egal was es ist - es wird nichts Gutes sein.
Wir halten endlich an, und ich entdecke einen großen, schwarzen Van, in den die Männer einsteigen. Also auch ich. Das erste Mal seit ich in den Kreis mit reingezogen wurde, kann ich endlich sitzen, ohne festgehalten zu werden, doch ich werde von vorne und von der Seite überwacht. „Wer ist das?" Der Fahrer des Vans sieht in den Rückspiegel und mustert mich kritisch. „Ein Mädchen, wie du offensichtlich erkennen kannst."
Der Fahrer verdreht die Augen, und würde die Lage nicht so ernst sein, würde ich schmunzeln. Tue ich aber nicht, denn ich bange hier gerade um mein Leben. „Sie ist unsere Geisel", berichtet der Mann, der mich eben festgehalten hat, und alle fangen an, ihre Masken loszuwerden. „Geisel?" Der Fahrer sieht alarmiert zu mir, und fast dankbar schaue ich zurück. Er hat also auch verstanden, dass meine Situation auch für sie problematisch werden könnte. „Ja, Raffael, Geisel. G-E-I-S-E-L."
Der Fahrer, der anscheinend Raffael heißt, schüttelt nur den Kopf. „Dad, Mama wird ausflippen, und Alexandra gleich mit ihr." Anscheinend handelt es sich hier teilweise um eine Familie, und ich betrachte Raffaels Vater nochmal genau. Er hat wirklich pechschwarze Haare und fast verächtlich funkelnde, grüne Augen, die direkt von einer Katze stammen könnten. Irgendwas sagt mir, dass dieser Mann für den Job, den er ausführt, wie gemacht ist.
Neben dem Vater sitzt ein weiterer Mann, der ihm ziemlich ähnlich sieht, weshalb ich davon ausgehe, dass sie Brüder sind. Der Mann, der mich festgehalten hat, ist der einzige mit braunen Augen und braunen Haaren. Da der Rest hier eine Familie ist, könnte es ja vielleicht sein, dass der Mann mit der Frau des Vaters verwandt ist. Oder er ist von außen dazu gestoßen.
Da ich ziemlich tief in meinem Sitz Hocke, und neben mir diese beiden Gorillas sind, kann ich keinen Blick nach außen werfen und habe deshalb auch automatisch keine Ahnung, wo ich bin. Mein Orientierungssinn hat sich nach der Explosion offiziell von mir verabschiedet. Ich weiß auch nicht, wie lange wir schon fahren. Alles was ich weiß, ist, dass ich verdammt tief in der Scheisse stecke, und ich muss dringend einen Weg finden, um hier so unversehrt wie möglich rauszukommen. Und das am besten noch heute.
„Wo ist dein Bruder?" Der Vater sieht zu Raffael, und der zuckt mit den Schultern. Aha, einen Bruder hat er also auch noch. Was noch? Eine Schwester? „Nicola ist zum Training und weiter weiß ich auch nicht." Raffael sieht seinen Vater entschuldigend an, und blickt dann wieder auf die Straße, wo wir eine scharfe Rechtskurve machen. Keine Minute später bleiben wir stehen, und ich gehe davon aus, dass wir angekommen sind.
Raffael steigt aus und wartet vor dem Wagen, bis diesen alle verlassen haben. Weil ich in der Zwischenzeit provisorische Fesseln bekommen habe, gestaltet es sich als eher schwierig für mich, ohne meine Arme wirklich benutzen zu dürfen aus dem Auto auszusteigen, und als alle anderen mich ignorieren, streckt Raffael seine Arme nach mir aus. Bevor ich überhaupt was machen kann, hebt er mich aus dem Auto, und stellt mich sicher auf dem Boden wieder ab.
Dann mustert er meinen wohl ziemlich eingeschüchterten Blick, bis er breit lächelt. „Ich bin Raffael, aber Raffa reicht." Ich nicke langsam und schlucke. „Aria. Ich bin Aria", sage ich so fest wie möglich, und Raffa nickt. „Interessanter Name. Tut mir übrigens leid für das Verhalten meines Vaters. Aber als Anführer der Mafia hat er ziemlich viel um die Ohren."
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Naaa wer hat's erwartet? ;)
Ja, es gibt eine neues Buch, namens "Nicola". Einfallsreich, ich weiss xD Jedenfalls werden die meisten Kapitel hier wohl eher aus Arias Sicht geschrieben sein. Ich werde ab jetzt einen etwas anderen Uploadplan haben, und zwar wird an einem Tag ein Kapitel von "What's behind the scenes" kommen, und am anderen dann eines von "Nicola". Also werden die Bücher jeden zweiten Tag geupdatet, da ich es nicht schaffe, pro Tag zwei Kapitel zu schreiben.
Nun, was soll ich sagen? Ich habe einfach viel zu viel Fantasie, weshalb ich das jetzt machen musste xD Ich hätte unmöglich alle meine Ideen in ein einziges Buch stecken können. Das wäre viel zu viel geworden, also gibt es nun eben zwei ;)
Ich wünsche euch noch einen wunderschönen 24. Dezember, und wir lesen uns morgen mit einem neuen Kapitel von "What's behind the scenes" <3
- Xo, Zebisthoughts
Übersetzung:
Dobbiamo andarcene da qui! = Wir müssen hier verschwinden!
Lo so, ma e' difficile uscire da qui. = Ich weiss, aber es ist schwer, hier rauszukommen.
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