NINETEEN - Gescheiterte Lauschversuche - ✔️
Aria POV
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„Ihr seid ja auch mal da!" Raffa kommt auf uns zu sobald wir vor dem Haus parkiert haben, und ich steige aus, um mich erstmal zu strecken. Gerade rechtzeitig entdecke ich den Schatten, der sich mir extrem schnell nähert, und kann Alexa auffangen ohne mich selbst rücklings hinzulegen.
„Ich dachte euch wäre sonst was passiert", murmelt sie, und klammert sich an mich, während Nicola sich auch mal vom Beifahrersitz bequemt. Raffa klopft ihm auf die Schulter und öffnet dann den Kofferraum, um unsere Taschen rauszunehmen und ins Haus zu tragen. „Es ist ja alles gut gegangen", murmleich, und Alexa nickt. „Zum Glück. Ich hätte Santos eigenhändig kalt gemacht, wenn er dich auch nur angefasst hätte."
Ich lache leise bei der Vorstellung, und entdecke dann eine Person im Türrahmen, die mir das Lachen sofort vergehen lässt. Gianmarco, wer denn sonst? Er sieht mich eine Weile lang nachdenklich an, ehe er sich umdreht und ohne eine Begrüßung oder eine Verabschiedung wieder im Haus verschwindet.
Auch gut?
Als Kompensation zu Gianmarco's Verhalten kommt Amy dafür jedoch aus dem Haus geschossen, und wirft sich ihrem Jüngsten um den Hals. Nicola kann seine Mutter gerade noch so abfangen und verhindern, dass beide in sein Auto krachen, und Raffa schmunzelt. „Sie war kurz davor zu heulen, als ihr im Hotel schlafen musstet", berichtet er mir dann, und ich lache leise. „Das hört sich ganz nach Amy an."
Ich beobachte Amy und ihren Sohn noch eine Weile, ehe Raffa mich anstupst. Ich schaue fragend zu ihm, und er mustert mich nachdenklich. „Wie geht's dir?", fragt er dann, und ich erschrecke mich fast etwas. Diese Frage habe ich schon eine Weile nicht mehr gehört, und irgendwie kommt sie ziemlich unerwartet. „Ganz okay", sage ich, was mehr oder weniger stimmt. Momentan fühle ich mich nicht mehr so scheisse wie die ersten Tage nach meiner Entführung, aber gut fühle ich mich auch nicht. Ich bin einfach heilfroh nicht ganz alleine hier zu sein, und dass wir endlich angekommen sind.
„Wirklich?" Ich nicke und lächle Raffa entgegen. „Ja, im Moment schon." Raffa nickt langsam und legt dann einen Arm um meine Schultern. „Ich bin stolz auf dich", murmelt er, und ich lächle leicht. „Nicht jeder hätte den Mut dazu gehabt, wie du zu reagieren und uns einfach zu vertrauen." Ich zucke mit den Schultern und seufze. „Ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl. Entweder hätte Santos mein Leben in der Hand gehabt, oder ich selbst, in dem ich eure Anweisungen befolge. Und ich entscheide lieber für mich selbst."
Raffa schmunzelt, und Amy kommt zu mir. „Kind, es tut mir so leid was du erleben musstest", sagt sie, und ich sehe deutlich die Reue in ihren Augen. „Es ist okay", ist alles, was ich sage, da es ja jetzt vorbei ist. „Wir sind heil angekommen und uns geht es gut. Du musst dir nicht die Schuld dafür geben." Amy sieht mich lange an und seufzt dann. „Du hast so ein großes Herz."
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„Und das hier ist dein neues Reich." Ich schaue mich in meinem neuen Zimmer um und nicke dann langsam. „Okay."
Raffa lässt mich in meinem Zimmer alleine, und ich fange an, meine wenigen Sachen auszupacken. Mein Zimmer besteht aus einem großen Bett, einer Kommode, einem Sessel und einem Schreibtisch mit Stuhl. Neben meinem Bett steht ein kleiner Beistelltisch mit einer Lampe und einem Wecker drauf, und über der Kommode hängt ein Spiegel. Unter meinen Füssen befindet sich ein weicher Teppich, der zwei Drittel des Holzbodens meines Zimmers verdeckt.
Eigentlich ist es hier wirklich schön, aber ich fühle mich einfach nicht zu Hause. Es ist nicht Seattle. Es ist nicht mal in der Nähe von Seattle. Ich kann die Space Needle nicht mehr sehen, dafür aber das Meer. Aber was soll ich mit dem Meer? Anhand des Meeres kann ich nicht den Ort meines Hauses ermitteln. Ja, ich kann schwimmen gehen, aber das auch nur im Sommer.
Wo bin ich überhaupt?
Sobald ich meine Kleider eingeräumt habe, lasse ich mich auf mein Bett fallen, und bleibe dort eine Weile liegen. Wieso ist das alles hier so, wie es ist? Wieso kann ich nicht einfach wieder nach Hause und irgendwas mit Liam, Jeremy und Malia aushecken? Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen werde, aber manchmal vermisse ich sogar die Schule. Ich vermisse es, mit meinen Freunden die Mittagspause zu verbringen, Lehrer zu ärgern und Bitches der Schule die kalte Schulter zu zeigen.
Ich bin nicht extrem beliebt oder so, aber trotzdem reden die beliebten Jungs mit mir, als wären wir die besten Freunde. Unter anderem gehört auch Liam zu diesen Jungs, und ich glaube durch ihn verstehe ich mich auch so gut mit seinen Freunden. Ich will von keinem was, da ich momentan einfach keinen Kopf habe für eine Beziehung. Jetzt erst recht nicht. Doch die aufgetakelten Schreckschrauben der Schule verstehen das nicht, und wollen mir mit ihrem Gekreische wirklich das Leben zur Hölle machen.
Als ob ich was dafür könnte, dass keiner der Jungs sie will.
Sie sind davon überzeugt, die Schönsten und Besten der Schule zu sein und verhalten sich auch so, doch ich weiß nicht wirklich was schön daran sein soll, wenn man sich morgens die ganze Visage zu tapeziert und dann dafür sorgt, dass gerade mal Brüste und Arsch abgedeckt sind, und so dann auch noch rausgeht. Im Winter. Ich wickle mir drei Schale um meinen Hals, zwänge mich in zwei Pullis, trage eine Strumpfhose unter meiner Jeans, kombiniere das alles mit der dicksten Winterjacke, die ich finden kann, platziere eine Mütze auf meinem Kopf und friere immer noch.
Nicht zu vergessen, stecken meine Füße in gefütterten Schuhen und meine Hände in Handschuhen.
Ich verstehe nicht, wie diese Mädchen nicht auf der Stelle erfrieren.
Ich drehe mich auf den Bauch und seufze. Dann rapple ich mich langsam auf und entscheide mich dafür, zu Alexa zu gehen, um mich etwas abzulenken. Gerade verlasse ich mein Zimmer, als ich zwei laute Stimmen vernehme, die deutlich am Diskutieren sind. Als ich genauer hinhöre stelle ich fest, dass es sogar drei sind. Ich weiß, dass ich besser nicht lauschen sollte, doch irgendwas hält mich davon ab, einfach weiterzugehen, erst recht, als ich meinen Namen höre. Also stelle ich mich einfach in meinen Türrahmen damit es so aussieht, als würde ich gerade erst aus meinem Zimmer kommen.
Die Stimmen sind laut genug, dass ich sie bis hierher hören kann, und nach einigen Sekunden stellt sich heraus, dass Raffa und sein jüngerer Bruder mit Gianmarco diskutieren. Über mich. Also eigentlich habe ich dann ja sogar das Recht darauf, zu wissen, um was es geht – oder?
Ich nicke für mich selbst und spitze dann die Ohren.
„Wieso habt ihr das getan?" Nicola.
Wer hat was getan?
„Nicola, du hättest wissen müssen, dass sowas passiert." Gianmarco.
„Nein, Dad, hätte ich nicht! Ihr wusstet, dass es so kommen wird, und trotzdem habt ihr ausgerechnet mir Aria gegeben! Dad verdammt, wir müssen sie schützen, und das teilweise auch aus Eigenschutz, und ihr zieht sowas ab? Was, wenn Santos' Männer sie gesehen haben, und jetzt hinter ihr her sind?"
Eine Weile schweigen alle, und ich schlucke als ich verstehe, worum es geht. Nicola ist wütend, weil sein Bruder und sein Vater beide wussten, dass Santos ihm hinterherfahren würde, mich aber trotzdem in sein Auto gesetzt haben. Und ich kann Nicola verstehen. Er musste nicht nur sich selbst schützen, sondern mich auch noch.
„Nicola hör mir zu-"
„Nein Dad! Ich höre dir jetzt nicht zu, sondern du hörst mir zu. Es war scheisse, was ihr gemacht habt. Es hätte uns alle den Kopf kosten können. Manchmal fühle ich mich als wäre ich der einzige hier mit einem Gehirn! Ich weiß, dass du Aria nicht magst, wieso auch immer denn das Mädchen hat keinem von uns was getan, aber diese Aktion ging zu weit."
Das saß.
Ich schlucke und hoffe einfach, dass die Jungs das geregelt kriegen, denn auf Streit in der Familie können wir glaube ich gerade alle verzichten. „Okay", höre ich Gianmarco langsam sagen, und es scheint, als würde er zuerst noch in seinem Kopf die folgenden Worte zurechtlegen müssen.
„Okay. Ich verstehe dich, Nicola. Tut mir leid."
Meine Augen weiten sich, und ich verschlucke mich fast an meiner eigenen Spucke.
Gianmarco Salvatore entschuldigt sich? Wo bin ich hier gelandet?!
„Ich brauche kein Verständnis. Sagt mir einfach, dass das nicht mehr passieren wird, oder dass ich wenigstens bessere Hilfe bekomme, wenn es wieder mal passieren würde. Diejenige, die uns aus der Scheisse geritten hat, war nämlich Aria."
Mit diesen Worten erscheint Nicola auf dem Flur, und ich mache einen Schritt vorwärts, während ich meine Türe langsam schließe. Nicolas Blick ruht auf mir, und ich weiß, dass er sich gerade fragt, ob ich gelauscht habe, weshalb ich versuche, so ahnungslos wie möglich auszusehen. Nach einem kleinen Starrduell verschwindet Nicola schlussendlich ohne ein Wort in seinem Zimmer, und ich schlucke. Ich weiß nicht genau, ob er mir glaubt. Ich hoffe es einfach.
Ich laufe zum Zimmer von Alexa und klopfe kurz an, ehe ich eintrete. Alexa sitzt auf ihrem Bett und scheint gerade dabei zu sein, ihre Sachen einzuräumen, denn sie sieht ziemlich konzentriert aus. „Oh, Aria", sagt sie lächelnd, sobald sie mich erblickt, und ich lächle ebenfalls. „Lust mir zu helfen?" Sie zeigt auf ihren Koffer, und ich schmunzle. „Aber natürlich."
Mit einem übertriebenen Grinsen knie ich mich neben den geöffneten Koffer und fange an, einige Kleider herauszunehmen. „Ich weiß, dass mich das meinen Kopf kosten könnte", fange ich an, und inspiziere ein Top, ehe ich es Alexa zuwerfe. „Aber ich habe eben ein Gespräch mitbekommen."
Alexa sieht mich kurz an und faltet dann die Kleider, ehe sie diese in ihrer Kommode verstaut. „Hast du gelauscht?" Ich verziehe meinen Mund und zucke mit den Schultern. „Naja... sie waren nicht unbedingt so leise, dass man es wirklich lauschen nennen kann." Alexa hebt eine Augenbraue und schmunzelt. „Aria Davis..., wenn Gianmarco das weiß, bist due inen Kopf kürzer. Erzähl mir mehr."
Ich lache leise und setze mich mitsamt dem Koffer zu Alexa. „Nicola hat hauptsächlich seinen Vater dafür zur Rede gestellt, dass er mich zu ihm ins Auto gesetzt hat, obwohl er wusste, dass Santos sich zuerst seinen Jüngsten schnappen würde." Alexa nickt langsam und faltet ebenfalls eines ihrer Shirts. „Wie hat Gianmarco reagiert?" Ich schmunzle und stoppe kurz mit dem, was ich gerade tue. „Um genau zu sein hat er sich entschuldigt."
Alexa lässt ihr eben gefaltetes Shirt fallen, und sieht mich aus großen Augen an. „Du verarscht mich", murmelt sie, und ich grinse, während ich den Kopf schüttle. „Nein. Er hat sich wirklich entschuldigt. Hätte ich Zeit und Mittel dazu gehabt, hätte ich es aufgenommen, aber ob du's glaubst oder nicht – es kam ziemlich plötzlich."
Alexa starrt mich weiterhin an und schnappt dann kurz nach Luft. „Du willst mir sagen, Gianmarco Salvatore hat sich bei jemandem, der nicht Amy ist, entschuldigt?" Ich nicke und lächle siegessicher. „Ja, genau das will ich dir sagen." Alexa nickt langsam und lacht dann ungläubig auf. „Wow", schmunzelt sie dann leise, und grinst. „Das passiert ungefähr einmal pro Jahr, und ich verpasse es einfach. Du hättest mich holen sollen."
Ich schmunzle ebenfalls und schnappe mir das letzte Kleidungsstück aus dem Koffer. „Glaub mir, ich hätte es getan. Aber naja, wäre etwas auffällig gewesen, wenn wir beide zufällig aus deinem Zimmer gekommen wären, nicht?" Alexa zuckt nur mit den Schultern und lacht. „Kommt drauf an, wer uns gesehen hätte."
„Nicola?"
Alexa lehnt sich zurück und scheint nachzudenken. „Schwieriger Fall. Kann sein, dass er uns verraten hätte, aber da er wütend auf seinen Vater ist, hätte er es vielleicht nicht getan. Außerdem schien es ja kein Gespräch, in dem es um geheime Angelegenheiten ging – von daher hätte er es wohl einfach ignoriert." Ich seufze. „Dann habe ich ja nochmal Glück gehabt." Alexa richtet sich auf und sieht mich an. „Wie, Nicola hat dich gesehen?"
Ich nicke und reiche ihr das letzte Shirt. „Ja, als er aus dem Zimmer gegangen ist." Alexa schließt die oberste Schublade und sieht mich immer noch an. „Hat er was gesagt?" Ich schüttle den Kopf. „Nein, wir haben uns nur kurz angestarrt, ehe er in seinem Zimmer verschwunden ist. Ich weiß nicht, ob er das mit dem zufällig aus dem Zimmer kommen geglaubt hat."
„Glaub mir Aria. Nicola fällt auf solche Dinge nicht rein. Wenn jemand alle Tricks kennt, was das Lauschen anbetrifft, dann der jüngste Sohn von Gianmarco Salvatore. Nicola."
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Joa.. da wurde Aria wohl vom falschen erwischt. Aber denkt ihr, dass Nicola petzen wird oder eher nicht?
Und was haltet ihr so davon, dass Gianmarco sich tatsächlich entschuldigt hat? xD
- Xo, Zebisthoughts
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