FOURTY-THREE - Gewagte Hilfe - ✔️

Aria POV

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„Wie jetzt?"

Liam sieht mich entgeistert an, während ich in meinem Zimmer auf und ab gehe.

„Ich werde ihn suchen."

Meine Entschlossenheit ist nicht zu überhören, und mein bester Freund runzelt die Stirn. „Also... suchen? So richtig?" Ich nicke heftig, und bleibe vor ihm stehen. „Ja, Liam. So richtig. Die Polizei wird das nicht hinbekommen, ich meine die Salvatores sind gerade die Hauptverdächtigen. Bis die merken, dass Gianmarco nichts damit zu tun hat, sind Jahre vergangen."

Mein bester Freund setzt sich im Schneidersitz auf meine Bettdecke und legt die Stirn noch weiter in Falten. „Ich verstehe was du meinst, aber wie willst du das denn anstellen?" Ich zucke mit den Schultern, ziehe mir meinen Schreibtischstuhl herbei und setze mich rittlings drauf. Ja, das ist eine gute Frage. Ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, ich bin noch nicht mal volljährig. Außerdem bin ich mir sicher, dass meine Eltern von meiner Idee alles andere als begeistert sein werden, denn Abenteuer habe ich dieses Jahr schon mehr als genug erlebt. Aber es geht um meinen Bruder.

„Ich finde schon einen Weg", verkünde ich deshalb nur, und hoffe, dass meine Stimme überzeugender klingt, als dass ich es in Wahrheit bin. Liam seufzt und scheint zu überlegen, ehe er entschlossen nickt. „Ich helfe dir." Meine Augen weiten sich, und ein unübersehbares Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Zwar war es absehbar, dass Liam auch in Seattle an meiner Seite stehen wird, doch trotzdem freut es mich ungemein, dass er wirklich da ist.

„Danke", murmle ich, und Liam lächelt leicht. „Komm schon her und tu nicht so als wärst du zu schüchtern, um mich zu umarmen." Ich stehe leise lachend auf, um mich neben meinen besten Freund zu setzen und ihn fest in die Arme zu nehmen. Einen Moment verweilen wir so, und ich erlaube es mir, kurz die Augen zu schließen, und den Stress der vergangenen Stunden loszulassen.

Es ist nicht mal einen Tag her, seit die Schule zu einem Drittel niedergebrannt ist, und gleichzeitig mein Bruder verschwand. In dieser kurzen Zeit habe ich kaum ein Auge zugetan, geweint, Löcher in die Wand gestarrt und hektisch alle möglichen Denkansätze durchgekaut. Bis ich mich schlussendlich dazu entschlossen habe, nicht einfach zu warten, denn das habe ich in den letzten Monaten definitiv mehr als genug getan. Ich möchte auch endlich mal etwas tun können, helfen können.

Ein Stück Kontrolle über eine Situation erlangen, die mein ganzes Leben verändern könnte. Ich möchte alles wissen, denn die Zeit, in der immer wieder Dinge vor mir geheim gehalten wurden, hat mich zerstört. Diese Unwissenheit darüber, was als nächstes passieren wird, war die reinste Hölle, und ich möchte auf keinen Fall, dass es wieder so wird, und ich nur die Hälfte mitbekomme. Ich möchte Überraschungen so gut wie möglich vermeiden, auch wenn ich eigentlich ein Fan von Überraschungen bin. Aber eben nur, wenn es gute Überraschungen sind, und ich ahne, dass diese Situation, wenn überhaupt, nur schlechte Überraschungen mit sich bringen wird.

„Wir könnten meinen Dad befragen", schlägt Liam plötzlich aus heiterem Himmel vor, und wir lösen uns wieder voneinander. „Was sollte Jamie denn darüber wissen?" Ich lege nun ebenfalls die Stirn in Falten, und Liam zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung, vielleicht hilft er uns ja. Vergiss nicht, auch er hat gute Kontakte." Ich seufze, und frage mich wie Liam denken kann, dass ich sowas vergessen würde. Ich wüsste nicht, wie. „Stimmt. Uns bleibt ja sowieso kaum was Anderes übrig, nicht wahr?" Gedankenverloren stimmt Liam mir mit einem Nicken zu, ehe er laut seufzt. „Nein, leider nicht."

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„Das ist keine gute Idee, Aria." Jamie sieht mich über den Rand seiner dampfenden Kaffeetasse nachdenklich an, und nimmt schlürfend einen Schluck seines Lebenselixiers. Ich habe Jamie Price selten ohne Kaffee gesehen, und ich kenne ihn schon seit meiner Geburt. Also gute siebzehn Jahre.

Liam, sein Vater und ich sitzen in Jamies Büro, und gerade hat Liam meinen Plan, Jeremy selbst zu finden, angesprochen. „Wieso denn nicht? Ich habe keine Lust mehr, immer auf die Polizei zu warten. Das dauert viel zu lange, und in Jeremys Fall ist jede Minute, sogar jede Sekunde Gold wert. Außerdem verdächtigen die Beamten momentan die Salvatores, und wir wissen alle drei, dass weder Gianmarco noch sonst wer aus seiner Familie was mit Jeremys Verschwinden zu tun hat. Doch bis die das rausgefunden haben, sind Wochen vergangen, und so viel Zeit haben wir nicht. Deshalb möchte ich also auf eigene Faust ermitteln."

Jamie sieht mich weiterhin nachdenklich an, ehe er mit einem leisen Klacken seine Tasse auf die Glasplatte seines Schreibtischs stellt, sich etwas vorbeugt und die Hände faltet. „Ich verstehe deine Argumente Aria, und mein erster Instinkt würde dir bei diesem Punkt überall hin folgen. Das weißt du, und deshalb hast du wohl auch meinen Sohn an deiner Seite." Er sieht kurz mit gehobenen Augenbrauen zu Liam, der nur die Augen verdreht, das kleine Zucken seiner Mundwinkel jedoch nicht verstecken kann.

„Aber wir sprechen hier nicht über einen kleinen Fall, bei dem ein Papierblock geklaut wurde. Es geht hier um eine mutmaßliche Entführung, und vor allem du solltest wissen, dass es extrem gefährlich werden kann, sich alleine – oder zu zweit – in solch eine Situation einzumischen." Ich nicke nur mürrisch, da ich Jamie Recht geben muss. Natürlich ist es extrem gefährlich, was ich vorhabe, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir so große Schwierigkeiten einbrocken werde. Doch Jeremy ist mein Bruder, und ich würde alles dafür tun, dass er so schnell wie möglich wieder nach Hause kommt. Unversehrt.

„Und wenn wir die Salvatores um Hilfe bitten?"

Jamie verschluckt sich an seinem Schluck Kaffee, den er gerade genommen hat, und ich schaue verwundert zu Liam rüber, der diesen Vorschlag gerade tatsächlich vollen Ernstes ausgesprochen hat.

„Junge, geht's dir noch gut? Musst du zum Arzt?" Jamie sieht seinen Sohn an, als wäre er ein Geist, und Liam runzelt nur die Stirn. „Ja, mir geht's gut, danke der Nachfrage Dad. Was genau ist so schlimm daran, Gianmarco anzurufen und um Hilfe zu bitten?"

Jamie reibt sich die Nasenwurzel, und sieht eindeutig so aus, als würde er nächstens einen Nervenzusammenbruch erleiden. Ich jedoch bin nach einigen Überlegungen ziemlich angetan von Liams Idee, und sehe auch nicht genau, wieso das so schlimm sein sollte. „Was so schlimm daran ist? Ich sag's euch jetzt. Gianmarco Salvatore ist der Boss der Mafia in Seattle. Er schlägt sich nur mit etwas oder jemandem rum, wenn es schlussendlich zu seinem Vorteil ist, und meistens geht es bei den Fällen um Geld. Eine große Menge davon, wohlbemerkt. Eine Entführung, die nichts mit ihm zu tun hat, wird ihn nicht die Bohne interessieren, wieso sollte es ihn auch interessieren?"

Jamies Worte sind hart, doch im Grunde genommen hat er Recht. Jedoch vergisst er einen wichtigen Punkt, besser gesagt einen wichtigen Menschen, in dieser Situation. Um genau zu sein vergisst er Gianmarco's gesamte Familie, inklusive mir und Liam.

„Ich denke, Gianmarco wird mir sehr wohl helfen wollen. Ich habe sogar drei Gründe, um genau zu sein. Der erste Grund: Er wird selbst von der Polizei verdächtigt. Ich denke, es wäre sehr in seinem Interesse, den Verdacht von sich zu lenken, indem er bei der Befreiung des Opfers hilft. Denn, welcher Entführer sollte sein Opfer freiwillig und ohne weiteres kurz nach der Entführung freilassen? Der zweite Grund: Es geht hier sehr wohl um etwas, das Gianmarco betrifft. Ich verstehe mich sehr gut mit der Familie, um genau zu sein führe ich sowas wie eine Beziehung mit seinem jüngsten Sohn. Es wäre nicht sehr förderlich für sein Ansehen, wenn er dem Bruder der Freundin seines Sohnes nicht helfen würde, nicht wahr? Und der dritte Grund: Die Familie ist mir was schuldig. Ich wurde fast zweieinhalb Monate von ihnen aus meinem Leben gerissen, habe die größten Ängste meines Lebens ausgestanden, und ihnen schlussendlich noch dabei geholfen, ihren Arsch zu retten. Ich glaube, dafür dürften sie mir auch helfen."

Liam und Jamie schauen mich beide verdutzt an, und ich frage mich ehrlich gesagt auch selbst, wie ich in so kurzer Zeit mit gleich drei so handfesten Argumenten ankommen konnte. Ich sehe Jamie an, dass er nicht weiß, was er sagen soll, und mein Grinsen wird immer wie breiter. „Gut", murmelt Liams Vater schlussendlich ergeben, und nimmt einen großen, verzweifelten Schluck seines Kaffees.

Verwundert mustere ich seine Tasse, und frage mich, ob sie überhaupt einen Boden hat, so viel Kaffee wie Jamie aus ihr trinken kann, bevor sie leer ist.

„Wir rufen Gianmarco an."

Ich springe von meinem Stuhl auf und führe gemeinsam mit Liam unseren längst einstudierten und perfektionierten Siegestanz auf, während Jamie nur ergeben den Kopf schüttelt und anfängt, in seinem Telefonbuch rumzublättern.

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„Scheint so, als müssten wir warten." Jamie sieht mich zum fünften Mal bedauernd an, während er sein Handy wieder sinken lässt. Gianmarco hat kein einziges Mal den Anruf entgegengenommen, und irgendwie breitet sich deswegen ein etwas mulmiges Gefühl in meiner Magengegend aus. Zwar weiß ich, dass Gianmarco oft nicht da ist, aber wir warten jetzt schon seit zwei Stunden darauf, dass er zurückruft oder wenigstens einen unserer Anrufe entgegennimmt.

„Vielleicht sollte ich doch mal den Jungs schreiben", mutmaße ich, doch Jamie schüttelt den Kopf. „Nein, lass das lieber. Raffa und Nicola haben beide noch nichts im Geschäft zu suchen, wenn, dann sollten wir mit dem sprechen, der das Sagen hat. Und das ist nun mal weder Raffael noch Nicola oder Alexandra."

„Aber Amy."

Jamie sieht überrascht zu seinem Sohn, der sich inzwischen auf das bequeme Sofa in Jamies Büro gelegt hat, und desinteressiert von einem Sender zum nächsten zappt. So desinteressiert, dass es mich wundert, dass er überhaupt bei unserem Gespräch zugehört hat.

„Ich weiß nicht...", murmelt Jamie mit gerunzelter Stirn, und Liam hebt den Kopf etwas an. „Wieso denn nicht, Dad? Gianmarco nimmt nicht ab, egal wann, das wäre schon mal ein guter Grund, um es mal bei seiner Frau zu versuchen. Und außerdem würden wir bei ihr die Hilfe sowieso noch viel schneller bekommen als bei Gianmarco, denn Amy ist verrückt nach Aria."

Ich muss schon sagen, mein bester Freund hat - wenn er will - ganz schön was in seinem Kopf drinnen. Ich wäre wohl erst in einigen Stunden auf die Idee mit Amy gekommen, und hätte vorher Raffa, Nicola und Alexa verrückt gemacht mit Nachrichten und Anrufen. „Na gut, wir rufen bei Amy an." Jamie seufzt noch, ehe er erneut eine Nummer in sein Handy tippt, und es sich dann ans Ohr hält.

Gespannt schauen Liam und ich beide zu Jamie, welcher seinen Sohn mit einer Handbewegung andeutet, die Lautstärke des Fernsehers etwas zu senken. Liam kommt seiner Bitte sofort nach, ehe er sich wieder aufgeregt wie ein kleiner Junge bei der Feuerwehr kerzengerade hinsetzt, und wartet. Wir warten lange, und ich frage mich immer wie mehr, was denn da los ist. Santos ist tot, also sollte das größte Problem der Familie gelöst sein. Sonst hätten sie mich auch unter keinen Umständen gehen lassen.

Ich habe seit einigen Monaten nichts mehr von ihnen gehört, aber ich spüre in mir drin, dass sie gut klarkommen. Wenn mich nicht alles irrt, habe ich sogar vor kurzem mal Nicolas Wagen gesehen, doch es kann auch einfach jemand anderes gewesen sein, der dasselbe Auto hat. Trotzdem ist mir das Auto sofort bekannt und unheimlich vertraut vorgekommen.

Der eindeutige Stich in mein Herz hat mir gezeigt, dass auch wenn ich nicht mehr so oft über den italienischen Schönling spreche, er mir immer noch unheimlich fehlt, und ich frage mich, ob dieses Gefühl jemals verschwinden wird. Ich habe Nicolas Brief so oft gelesen, dass die Seiten schon etwas abgenutzt sind, und einzelne Stellen des Papiers sind etwas gewellt, da ich nicht gerade selten weine, wenn ich diese wunderschönen, von Hand geschriebenen Zeilen lese, und mir dabei alle Momente durch den Kopf gehen lasse, in denen ich Nicola nah war.

Ganz egal, ob es ein guter oder schlechter Moment war. Seine Abwesenheit macht mich ehrlich gesagt ziemlich kaputt, doch ich konnte meine Gefühle schon immer gut überspielen. Niemand merkt was, nicht mal Malia. Und Liam weiß Bescheid.

Ein wildes Fuchteln von Jamie reißt mich aus meinen trüben Gedanken, und als ich zu ihm sehe, erkenne ich, dass er grinst.

„Amy? Hey, ich bin's, Jamie. Du sag mal, ist dein Mann gerade da? Wir bräuchten nämlich eure Hilfe."

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Tag 1 des neuen Uploadplans ^^

Was haltet ihr von dem Kapitel?

Glaubt ihr, dass die Mafia Aria und ihrer Familie schnell helfen kann? Ich hoffe es... ;)

Bis am Sonntag <3

- xo, Zebisthoughts

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