FOURTY-SIX - Sein Vater... - ✔️

Aria POV

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„Wo warst du denn so lange?" Schmollend drehe ich mich zu Nicola um, der dem Jungen vor uns immer noch deutliche Blicke zuwirft. Er mag ihn nicht, so viel ist klar. Mir tut er fast leid, immerhin muss es ihm wohl ziemlich peinlich sein, ein vergebenes Mädchen angefragt zu haben, und dabei auch noch von deren Freund erwischt zu werden. Entschlossen lege ich eine Hand an Nicolas Wange und bringe ihn so dazu, mir seinen Kopf zuzuwenden, damit der Junge wenigstens nicht mehr von seinen Blicken durchbohrt wird.

„Ich musste noch was erledigen, nicht so wichtig. Papierkram für meinen Dad und so." Ich seufze und hebe eine Augenbraue. „Und das konntest du nicht machen, nachdem du in Seattle angekommen bist?" Nicola schüttelt den Kopf und nimmt eine lose Haarsträhne von mir zwischen Daumen und Zeigefinger. „Nein, ich musste das jemandem in San Francisco bringen. Persönlich."

Nicola sieht mich entschuldigend aus seinen blaugrünen Augen an, und ich entscheide mich dazu, nicht mehr beleidigt zu sein. Es hat eh keinen Wert, und außerdem sollte ich froh darum sein, Nicola endlich wieder mal sehen zu können. Ich seufze und schlinge dann meine Arme um Nicolas Torso, während ich nach drei Monaten endlich wieder diesen Geruch einatmen kann. Und sofort werde ich wieder süchtig danach. „Tut mir leid, ich hasse es einfach nur, zu warten", murre ich, und erkläre so mein Verhalten eben. Nicola lacht nur leicht, wobei seine Brust sanft vibriert, und legt seine Arme beschützend um mich.

Starrt er den Typen etwa immer noch an?

„Ich versteh das doch, du musst dich nicht entschuldigen. Mir tut es leid, ich hätte früher mit dem Kram anfangen sollen, damit ich rechtzeitig angekommen wäre. Alles gut?" Ich lächle und nicke leicht. „Alles gut. Ich habe dich vermisst." Nicola platziert seine Lippen auf meinem Scheitel, und ich spüre sein Lächeln. „Ich dich auch", murmelt er dann gegen meine Haare, und ich schließe leicht die Augen, während ich den Moment hier in vollen Zügen genieße.

Nicola stützt sein Kinn auf meinem Kopf ab, und ich spüre, wie sein Brustkorb sich bei seiner Atmung langsam und regelmäßig hebt und senkt. Es hat eine beruhigende Auswirkung auf mich, was ich nach den letzten Tagen wirklich gerne in Empfang nehme. Meine Atmung passt sich automatisch der von Nicola an, und mein Kopf lüftet sich endlich wieder etwas, und lässt positive Gedanken herein. Und das alles nur, weil Nicola hier ist und mich fest in seinen Armen hält.

„Sollten wir nicht langsam mal zu Raffa gehen? Er weiß zwar, dass ich hier bin, doch allzu lange möchte ich ihn auch nicht warten lassen. Außerdem bin ich gespannt auf deine Familie." Ich löse mich eher widerwillig von Nicola, doch er hat leider recht. Es wäre nicht fair Raffael gegenüber, wenn wir hier noch stundenlang umherstünden, und uns in den Armen halten würden.

Also nicke ich und greife nach Nicolas großer Hand, die meine sofort verschlingt. Doch trotz dem Größenunterschied passen unsere Hände perfekt ineinander, und mir wird warm und Herz. Wortlos ziehe ich Nicola hinter mir her zu Raffas Wagen, und tatsächlich lehnt der Italiener schon recht gelangweilt dagegen.

„Ach, ihr lebt noch?"

Grinsend stößt Raffael sich von seinem Wagen ab, und klatscht sich dann mit seinem Bruder ab. Dieser lässt dabei meine Hand nicht los, und ich lächle leicht in mich hinein.

„Kommt, die anderen warten schon auf uns. Aria, bei wem fährst du mit?" Bevor ich antworten kann, schmunzelt Nicola neben mir leicht, und legt mir seinen Arm um die Schultern. Ohne ein Wort zu sagen grinst Raffa zurück und nickt verstehend, ehe er die Autotür auf der Fahrerseite öffnet. „Verstehe, man sieht sich in diesem Fall gleich." Ich lächle bloß, und während Raffa seinen Motor startet, gehen wir zu Nicolas Wagen.

Sobald ich mich auf dem Beifahrersitz niederlasse, könnte ich innerlich ausflippen vor Freude darüber, endlich wieder in diesem Auto zu sitzen. Ich bin keineswegs ein Autofreak oder so, doch bei diesem Auto hier - und nur bei diesem - kann ich nicht anders, als fast loszuheulen, sobald ich es berühre. Zu viele Erinnerungen sind hier drin, damit es einfach nur irgendein Auto wäre.

„Können wir?"

Ich nicke und schnalle mich an, und Nicola startet den Motor.

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„Gut, da wir jetzt vollständig sind", Gianmarco wirft seinem Sohn einen deutlichen Blick zu, und Nicola verdreht nur die Augen, „können wir ja anfangen. Lasst uns zuerst alle Informationen zusammentragen, die wir haben. Jedes Detail könnte wichtig sein, vergesst das nicht."

Wir nicken, und ich fange an zu erzählen, was an dem Abend passiert ist. Die Salvatores hören mir dabei ruhig zu, und Gianmarco macht sich einige Notizen. Meine Eltern und Jamie sitzen ebenfalls in unserem Wohnzimmer, halten sich jedoch im Hintergrund. Natürlich waren meine Mutter und mein Vater – vor allem mein Vater! – nicht sonderlich gut auf die Mafia zu sprechen, doch Jamie konnte sie beruhigen und ihnen erklären, wieso es nötig ist, sie zu rufen. Vor allem nach meinem Traum, den sogar die Salvatores sehr ernst nehmen.

Ich bin also doch nicht verrückt.

Nicola sitzt neben mir auf dem Sofa und drückt immer wieder mal beruhigend meine Hand, wenn ich zu einer Stelle komme, an die ich mich nur sehr ungern erinnere. Ich bin wirklich sehr froh darum, ihn als Stütze bei mir zu haben, und lächle ihn auch ab und zu dankbar an. Er soll spüren, dass ich seine Anwesenheit wirklich schätze.

Amy schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf, und ich habe fast mehr Mitleid mit ihr als sie mit mir. Ich frage mich wie es als junge Mutter sein muss, immer wieder solche Dinge zu hören und zu sehen, und eigentlich selbst immer mittendrin zu sein. Für mich ist es schon schockierend zu sehen, was alles hinter den Kulissen so vor sich geht, doch für jemanden der eine Familie hat, die das ganze Geschehen erst so richtig auf Trab bringt, muss es noch viel schlimmer sein. Ich weiß nicht, ob ich das auf Dauer aushalten könnte.

Dabei bin ich ja selbst mit einem Mafiasohn zusammen.

Sind wir eigentlich zusammen?

Oder läuft da nur was?

Gianmarco runzelt die Stirn, während er seine Notizen nochmals durchgeht, und nickt dann leicht. „Gut, ich schau mir das in Ruhe an. Sonst noch irgendwelche Anhaltspunkte? Mrs. Und Mr. Davis, Sie dürfen natürlich auch mitreden, falls Ihnen eine Idee kommen könnte. Haben Sie keine Angst vor uns, wir wollen Jeremy helfen." Meine Eltern schauen Gianmarco etwas skeptisch an, und Malia gibt ihnen einen leichten Schubs von hinten. „Na los, sie haben sich auch gut um Aria gekümmert", murmelt sie, und das scheint meinen Eltern den nötigen Antrieb zu geben.

„Naja", murmelt meine Mutter, und räuspert sich verhalten. „Jeremy hat sich in letzter Zeit immer mit einem neuen Schüler getroffen, der in seine Klasse gekommen ist. Mitten im Semester. Es kam mir etwas komisch vor, dass die beiden von jetzt auf gleich beste Freunde waren, und nur noch miteinander rumgehangen sind." Gianmarco nickt, und ich werde etwas hellhörig. Ich habe in den letzten Monaten auch mitbekommen, dass Jeremy sich anscheinend neue Freunde gemacht hat, und ich weiß auch sofort, welchen Jungen Mom meint.

Tatsächlich war er von jetzt auf gleich beim Abendessen eigentlich fast immer dabei, hat jedoch kaum mit uns gesprochen. „Denken Sie, er könnte was damit zu tun haben?" Malia zuckt zeitgleich mit Mom die Schultern, nur mein Dad steht immer noch mit gerunzelter Stirn da. Es scheint, als würde er immer noch an etwas rumstudieren. „Sein Vater", murmelt er dann langsam, und hat somit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden.

„Was ist mit seinem Vater?" Gianmarco hält seinen Stift fest in der Hand, jederzeit dazu bereit, sofort etwas aufzuschreiben. Ich habe ihn selten so konzentriert gesehen.

„Naja, ich dürfte solche Dinge nicht verraten. Aber es geht hier um meinen Sohn, also mache ich da eine Ausnahme. Sein Vater war mehrere Male wegen verschiedenen Strafdelikten vor Gericht, wobei Personenschädigungen nicht fehlten. Zwar ist er momentan auf freiem Fuß, da das alles schon recht lange her ist, doch trotzdem ist er mir, meiner Kanzlei und allen Anwälten, die ich kenne, durchaus bekannt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Junge damit was zu tun haben sollte, immerhin ist er in Jeremys Alter. Doch ich glaube, wenn, dann könnte sein Vater was damit zu tun haben."

Als Dad aufzählt, was Micks Vater alles schon verbrochen hat, wird mir leicht übel. Auch Gianmarco ist deutlich alarmiert, und Nicola streicht mir beruhigend über den Rücken. „Könnten Sie mir die Adresse und den Namen nennen?" Dad nickt, und holt sich einen Zettel hervor. „Er hat außerdem noch einen älteren Sohn, der sollte in Arias Alter sein. Ich weiß aber seinen Namen nicht."

Gianmarco nickt, und legt seinen Notizblock beiseite, ehe er den Zettel meines Vaters entgegennimmt. „Vielen Dank. Sie helfen uns wohl wirklich weiter." Mein Dad nickt nur, ehe er Gianmarco zögerlich seine Hand entgegenstreckt. „Ich bin Harvey. Sie können mich ruhig duzen."

Gianmarco nimmt die Hand meines Vaters an, und schüttelt sie kurz. „Freut mich, ich bin Gianmarco."

Mein Vater lächelt kurz, ehe er meine Mutter auffordernd ansieht. Diese räuspert sich abermals, und reicht Gianmarco dann ebenfalls die Hand. Man sieht ihr den Respekt vor ihm deutlich an, und ich kann sie verstehen. Ich habe gezittert wie sonst was, als ich Gianmarco die ersten Male gesehen habe. Ob absichtlich oder nicht – er weiß, wie er sich Respekt verschaffen kann.

„Ich bin Melody", sagt meine Mutter leise, und Gianmarco lächelt. „Freut mich ebenfalls. Das hier ist meine Frau, Amy, und das hier sind meine Söhne, Raffael und Nicola. Und das da ist Alexandra, sie ist vor etwa zwei Jahren zu unserer Familie dazu gestoßen." Meine Mutter nickt, und lächelt alle kurz an, ehe sie sich wieder neben meinen Vater stellt.

„Gut, dann wäre das jetzt auch geklärt. Ich werde mich mit meinen Leuten beraten, und weihe euch dann natürlich in unseren Plan ein. Eine Bitte habe ich an alle – bitte bewegt euch nie alleine vom Haus weg. Ich gehe stark davon aus, dass Jeremys Verschwinden kein Zufall war, und kann nicht versichern, dass ihr alle sicher seid. Nehmt bitte mindestens eine männliche Person meiner Familie mit, Jamie und Liam gehen auch. Es ist wichtig, dass wir jetzt nicht noch weiteren Gefahren ausgesetzt werden."

Alle nicken, und ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. Kaum drei Monate hatte ich meine Freiheit, und jetzt fängt das ganze schon wieder an.

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„Sie hat sicher kein Problem damit, wenn du auch da bist." Ich schaue auffordernd zu Nicola, welcher nur seufzt, ehe er sich ergibt und aufsteht. „Gut, wir gehen zu dieser... wie hieß sie nochmal?"

Ich verdrehe die Augen und schnappe mir Nicolas Hand, ehe er es sich doch noch anders überlegt. „Felina. Und jetzt komm."

Mit einem breiten Lächeln ziehe ich den Italiener hinter mir aus meinem Zimmer raus, und obwohl er mich leicht daran hindern könnte, folgt mir Nicola ohne weitere Widerworte. Er kennt meinen Dickschädel, und außerdem möchte ich sowieso, dass er meine Freunde kennenlernt. Nicht, dass ich davon sonderlich viele besitze, doch ich glaube, Felina könnte wirklich eine gute Freundin werden.

Wir setzen uns in Nicolas Wagen, und ich gebe ihm die Adresse, während ich Felina schreibe, dass wir unterwegs sind. Wir wollten uns wegen den vergangenen Tagen mal treffen, nachdem wir immer wieder mal geschrieben haben, da es Felina scheinbar auch nicht sonderlich blendend geht. Außerdem hat Nicola so die Möglichkeit, unauffällig Informationen über den Abend zu bekommen, die ich oder Malia vielleicht in der Aufregung vergessen haben zu erwähnen.

Es ist immer besser, sich doppelt und dreifach abzusichern.

Und ehrlich gesagt muss ich auch einfach mal aus diesem Haus und dem ganzen Getümmel raus. Die Salvatores haben ihr Haus in Seattle wieder bezogen, und überlegen, Malia und mich vielleicht dort aufzunehmen. Jamie und Liam könnten für die Sicherheit meiner Eltern sorgen, und da beide von zu Hause arbeiten können, müssen sie das Haus eigentlich gar nicht verlassen.

Malia und ich jedoch müssen zur Schule, und daher glaubt Gianmarco, dass es schlauer ist, wenn wir unter seiner Beobachtung stehen, und uns immer unauffällig jemand von seinen Männern folgt, für den Fall, dass etwas passieren würde. Uns aus der Schule zu nehmen wäre zu auffällig, und falls der Täter uns wirklich kennen sollte, würde er so viel schneller Verdacht schöpfen. Das müssen wir verhindern.

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Was haltet ihr von dem Verdacht der Familie(n)?

- xo, Zebisthoughts

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