FOUR - Regenbogen auf zwei Beinen - ✔️

Aria POV

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„Schau mal was ich gemacht habe!" Ich werde durch eine quiekende Stimme aus meinem Schlaf gerissen, und schaue mich eine Weile verwirrt um, bis ich eine Person in meinem Zimmer entdecke.

Wow, ein Regenbogen auf zwei Beinen... warte, was?

Ich richte mich auf und reibe mir die Augen, um nochmal genau zu sehen, was da vor mir steht. Tatsächlich hat Alexa sich ihre Haare färben lassen - in allen möglichen Farben. „Sag mir, dass das ein Scherz ist", nuschle ich, und Alexa sieht mich verwirrt an. „Was?" Ich seufze und zeige fragend auf ihre Haare. „Scherz?" Alexa schmunzelt über meine spärliche Wortwahl und seufzt. „Nein, ich dachte es wird Zeit für eine Veränderung." Ich nicke nur und betrachte die Haare, die mit jedem Blinzeln schärfer und bunter werden, genauer.

„Was sagst du?" Alexa sieht mich erwartungsvoll an, und ich strecke mich kurz. „Sieht ganz okay aus", nuschle ich dann nur, und ein leises Lachen ertönt. „Süße, das ist eine Perücke. Wie müde musst du denn bitte sein?" Ich schaue Alexa nur mit einem „ist das dein Ernst" Blick an, und zucke dann mit den Schultern. „Sehr", beantworte ich ihre Frage dann, und gähne. „Wozu der Scherz?", frage ich nach, und warte auf die Antwort. „Damit du dich erschreckst und endlich richtig wach wirst. Wir kommunizieren nämlich schon seit einer geschlagenen halben Stunde mit dir, aber du gibst nur so halbe Antworten."

Was?

Halbe Stunde?

Wir??!

„Wer sind wir?", frage ich nach, und erst dann entdecke ich den Schatten neben meiner Türe. „Guten Morgen", lacht Raffa, als er mein Gesicht sieht, und mein Atem stockt überrumpelt. „Äh, Morgen", bringe ich nur verwirrt raus, und Alexa schmunzelt. „Komm, raus aus den Federn. Amy braucht uns bald." Ich nicke nur müde und will gerade aufstehen, als ein lauter Knall ertönt. Sofort schauen Alexa und ich beide zu Raffa, der sich den Hinterkopf reibt. „Alles gut, die Türe ist zu klein", zischt er, und ich schmunzle.

Raffa ist tatsächlich recht groß, ich würde ihn auf etwa eins neunzig mindestens schätzen. Die Räume hier sind aber auch eher tief. Alexa lacht nur und schüttelt den Kopf. Raffa streckt ihr seinen Mittelfinger entgegen und verschwindet dann mit einem schmerzverzerrten Grinsen. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie glaube ich, dass es hier mit Alexa und Raffa an meiner Seite immerhin nicht ganz so schlimm werden wird.

Ich strample den Rest der Decke von mir runter und bleibe dann einfach sitzen. „Ich habe nichts zum Anziehen", stelle ich fest, und so surrealistisch dieser Satz in den meisten Fällen ist - ich habe wirklich nichts zum Anziehen. Alexa hebt den Kopf und springt grinsend auf. „Ich bin gleich da!" Mit diesen Worten verlässt sie mein Zimmer, und ich hoffe, dass wir die gleiche Kleidergröße haben. Wäre bisschen blöd, wenn nicht. Während Alexa sich Kleider für mich raussucht, mache ich mich daran, mein Bett zu richten. Eigentlich habe ich das nie gemacht, aber da ich nicht weiß wie pingelig Gianmarco ist, tue ich es einfach.

Gerade als ich fertig bin wird die Türe wieder aufgestoßen, und zwei wandelnde Kleiderhaufen kommen rein. Ich stoße einen erstaunten und belustigten Lacher aus, als Raffas Gesicht mit verzweifelter Miene zwischen zwei Pullis hervorlugt, während Alexa sich mitsamt ihrem Kleiderhaufen einfach auf mein gerade frisch gemachtes Bett wirft. Raffa legt die Kleider etwas vorsichtiger als Alexa ebenfalls auf mein Bett, und verschwindet dann direkt wieder, aus Angst, Alexa könnte ihn weiterhin einteilen.

Mit großen Augen begutachte ich all die Kleider, die Alexa und Raffa mir gebracht haben, und schaue Alexa dann ungläubig an. „Das verstehst du also unter „etwas zum Anziehen"", stelle ich dann fest, und Alexa nickt stolz. „Ja, genau das tue ich. Los jetzt, anprobieren!" Ich werfe einen Blick auf die Uhr und kann Alexa gerade noch so davon abhalten, mich in einen Pulli zu wickeln. „Alexa, wir müssen gleich runter", schmunzle ich, und weiche dem Pulli weiterhin geschickt aus.

Alexa scheint nichts davon hören zu wollen, denn sie jagt mich unerbittlich einfach weiter. Ich gehe einige Schritte rückwärts, bis ich plötzlich gegen etwas Hartes knalle, und sofort aufhöre zu lachen. Ich lege meinen Kopf etwas in den Nacken, und drehe mich gleichzeitig zu Nicola um, der jedoch zu Alexa sieht, die ihn frech anschaut. „Was denn? Es hat niemand gesagt, dass sie keinen Spaß haben darf. Wenn ihr Hohlbirnen sie schon aus ihrem Leben zieht, dann lasst ihr wenigstens das Privileg von Freunden und Freude."

Nicola seufzt nur, und nickt dann. „Okay, okay. Ich sage nichts dazu, aber passt auf, dass Papá das nicht sieht. Er ist nämlich nicht ganz deiner Meinung, Alexa." Alexa nickt und schmunzelt. „Aber du musst schon zugeben, in dem Pulli sieht Aria wirklich gut aus." Bevor ich etwas dagegen tun kann, hat Alexa mir das Teil über den Kopf gestülpt, und ich taumle wild – und vor allem blind, da ich nichts sehe – vor und zurück, bis mich zwei Hände an den Schultern packen, und mir den Rollkragen aus dem Gesicht ziehen.

Nicola mustert mich eine Weile und nickt dann. „Ja, kann sich schon sehen lassen. Und jetzt beeilt euch bitte, Mamma ist gleich unten, und somit auch Dad." Mit diesen Worten dreht Nicola sich um, und verlässt mit großen Schritten mein Zimmer. Schlauer als sein Bruder einige Minuten zuvor weicht er dem Türpfosten aus, indem er sich etwas duckt, und ich drehe mich langsam wieder zu Alexa um, die sich auf die Lippe beißt, um nicht loszulachen.

„Hat Griesgram Junior gerade gesagt, ich kann mich sehen lassen?" frage ich ungläubig, und zeige mit dem Daumen zur Verdeutlichung, wen ich meine, hinter mich auf die Stelle, an der Nicola eben noch stand. Alexa schmunzelt und nickt, dann kommt sie zu mir, und fischt meine Haare aus dem Kragen. „Ja, das hat er. Und nein, ich habe keine Ahnung wieso. Er muss einen sehr guten Traum gehabt haben, um schon morgens so gut drauf zu sein." Ich hebe eine Augenbraue, und als unsere Blicke auf den Kleiderhaufen auf meinem Bett fallen, schmunzle ich doch etwas.

„Gianmarco wird ausrasten, wenn er das sieht", bemerkt Alexa grinsend, und ich nicke zustimmend. Wir schauen uns an, und obwohl ich es nicht für möglich gehalten hätte, kann ich tatsächlich lachen. Ehrlich lachen. Alexa und ich schauen uns an und lachen einfach, und das erste Mal seit etwas weniger als einem Tag fühle ich mich nicht mehr scheisse, sondern einfach okay. Und das ist schon viel.

Ich tausche noch kurz meine Hose von gestern gegen eine neue von Alexa, die endlich ihre Perücke abgenommen hat, und gehe dann mit ihr zusammen die Treppen runter in die Küche. Dort steht Amy schon und schreibt einige Dinge auf einen Zettel, und als sie uns erblickt, lächelt sie uns warm an. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht, wie so eine liebe Frau die Ehegattin eines Mafiabosses wie Gianmarco sein kann. Wie? 

„Kinder! Kommt kurz her, es gibt was zu besprechen." Alexa und ich stellen uns zu Amy, die uns den Zettel zeigt. „Es gibt ein kleines Problem", fängt sie an, und sieht uns abwechselnd an. „Jemand von euch muss einkaufen gehen." Ich nicke langsam und will schon fragen, was ich so lange hier machen werde, als Amy nach ihrem Jüngsten ruft. „Nicola! Porta il tuo culo qui." Alexa schmunzelt, währendich nur Bahnhof verstehe. Ich sollte vielleicht mal italienisch lernen, denn wie's aussieht, werde ich hierbleiben.

Nicola kommt mit einem genervten Gesichtsausdruck in die Küche spaziert, und Amy sieht ihn auffordernd an. „Stai facendo la spesa con Aria." Nicola hebt die Augenbrauen und sieht zu mir rüber. „Con lei?" Amy nickt, und Nicolas Augenbrauen wandern noch höher. „Mamma! E' un ostaggio." Amy sieht ihren Sohn streng an und geht etwas näher zu ihm ran. Obwohl sie ihm knapp bis zur Nase reicht, wird Nicola trotzdem ziemlich klein. Süß, wie hier jeder den größten Respekt vor Amy hat.

„Ascoltami molto attentamente. Aria non è qui volontariamente, e voglio che sia il più piacevole possibile per lei. Quindi andrai a fare shopping con lei. Sono stato abbastanza chiaro?" Ich habe zwar keine Ahnung, was Amy gesagt hat, aber es schien deutlich zu sein. Sogar ich bin etwas eingeschüchtert, denn ihr Italienisch kann wirklich aggressiv wirken. Nicola nickt nur noch, und schielt zu mir. „Komm."

Jetzt bin ich erst recht verwirrt, und Alexa sieht mich aufmunternd an. „Wohin?", frage ich trotzdem etwas misstrauisch, und Amy drückt mir die Einkaufsliste in die Hand. „Einkaufen." Ich reiße die Augen auf und starre Amy an. „Aber ich bin eine Geisel", sage ich dann, und Alexa schmunzelt. „Genau das hat unser charmanter Nicola eben auch gesagt, und durfte dann Amy's Schimpftirade über sich ergehen lassen. Du gehst also besser einfach mit."

Ich schaue Nicola aus noch größeren Augen an, dann schlucke ich. „Okay", murmle ich, und Amy lächelt mich sanft an. „Er wird schon aufpassen. Und wenn er Mist baut, darfst du ihm eins überhauen." Nicola will protestieren, doch Amy hebt eine Hand, und bringt ihn so zum Schweigen. „Nichts da. Du wirst gut auf sie Acht geben. Und gib ihr einen Hoodie von dir, sie sollte nicht erkannt werden."

Nicola verdreht genervt die Augen und sieht seine Mutter verständnislos an. „Mamma, wieso geht sie überhaupt raus, wenn sie nicht erkannt werden soll? Was mache ich, wenn sie vor allen auf sich aufmerksam macht?" Amy seufzt und schüttelt den Kopf. „Geh einfach. Du kriegst das hin. Bei Alexa und Raffa hat's auch geklappt, und ich bezweifle, dass du eingestehen willst, dümmer als dein Bruder zu sein, oder?"

Ich schmunzle, weil ich genau weiss, welche Schiene Amy gerade fährt. Das Ego eines Jungen verletzt man nicht.

„Ich? Dümmer als mein Bruder? Glaub mir, ich kriege das viel besser als er hin. Sie könnte rumschreien, und keiner würde was merken."

Ich unterdrücke ein Lachen bei der Vorstellung, und auch Amy und Alexa sind sichtlich amüsiert. Nur Nicola steht mit todernstem Blick vor uns, und hat die Arme vor der Brust verschränkt.

„Also komm jetzt, du musst dir was von mir leihen." Ich nicke, und folge Nicola dann aus dem Raum. Er läuft ziemlich schnell, was wohl auch an der Länge seiner Beine liegt, und ich habe Mühe, mit ihm mitzuhalten. Dementsprechend bin ich auch etwas außer Atem, als wir in seinem Zimmer ankommen, wo Nicola sich zu seinem Kleiderschrank dreht. Währenddessen schaue ich mich etwas in seinem Zimmer um und stelle fest, dass Nicola grau und schwarz mag. Farbtöpfe, die was anderes als schwarze oder graue Farbe beinhalten, scheinen dieses Zimmer nicht zu kennen.

„Hier, das sollte so einigermaßen passen." Nicola hält mir einen - überraschenderweise schwarzen - Pulli hin, und breitet ihn kurz vor meinem Oberkörper aus. „Ja, sollte wirklich gehen." Mit diesen Worten drückt er mir den Pulli in die Hände, und verlässt sein Zimmer, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Schnell schlüpfe ich aus Alexas Pulli, mit dem sie mir heute Morgen nachgerannt ist, und schlüpfe in Nicolas Pulli, der ziemlich groß ist.

Er reicht mir bis in die Mitte der Oberschenkel, und ich muss die Ärmel sicher dreimal umkrempeln, damit meine Hände rausschauen können. Aber Gott ist dieses Teil kuschlig! Ein Klopfen ertönt, und ich zucke zusammen. „Bist du bald soweit? Ich weiß nicht wie Dad reagieren wird, wenn wir beide nicht mehr da sind, also sollten wir uns beeilen, bevor er von dem Gespräch zurückkommt." Ich schlucke und schnappe mir schnell meinen Pulli, ehe ich die Türe öffne. „Bin schon bereit."

Nicola lässt seinen Blick kurz über mich schweifen, und nickt. „Leg den in dein Zimmer und komm dann. Ich warte unten." Ich nicke und haste schnell in mein Zimmer, um Alexas Pulli auf mein Bett zu werfen. Dann stolpere ich mehr oder weniger die Treppen runter, und hätte Raffa mich nicht gebremst, wäre ich volle Kanne Kopf voran in die nächste Wand geknallt. „Ich habe gehört du gehst einkaufen?" Ich nicke und richte mich ganz auf. „Ja, mit deinem Charmeur von Bruder."

Raffa schmunzelt, und gerade als ich gehen will, hält er mich nochmal zurück. „Kann ich dich um was bitten?" Ich hebe auffordernd eine Augenbraue, und Raffa schluckt. „Bitte versuche nicht abzuhauen. Ich weiß, es muss hier drin schrecklich sein für dich, aber mein Bruder bekommt die größten Probleme mit Dad, wenn er ohne dich zurückkommt."

Ich schlucke und schaue mit großen Augen in das Gesicht des Jungen, der mich bittend ansieht. In seinem Blick kann ich die Sorge um seinen Bruder sehen, und er tut mir irgendwie leid. Ich denke, es ist nicht gerade leicht in einer Familie aufzuwachsen, die von allen gefürchtet und gesucht wird.

Die Leute erschaffenen Vorurteile und Gerüchte am laufenden Band, und ich will nicht wissen, was sich die Jungs schon alles anhören durften. Zwar zeigen sie sich eher selten großartig in der Öffentlichkeit, doch ich denke, wenn sie erkannt werden, ist es eher unschön für sie. Deshalb nicke ich und lächle Raffa leicht entgegen. „Ich werde nur einkaufen gehen, und dann mit Nicola wieder zurückkehren."

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Soso, die beiden gehen also einkaufen. Denkt ihr, das wird gut gehen?

- Xo, Zebisthoughts

Übersetzung:

Nicola! Porta il tuo culo qui. = Nicola! Beweg deinen Arsch hierher.

Stai facendo la spesa con Aria. = Du gehst mit Aria einkaufen.

Con lei? = Mit ihr?

Mamma! E' un ostaggio. = Mama! Sie ist eine Geisel.

Ascoltami molto attentamente. Aria non è qui volontariamente, e voglio che sia il più piacevole possibile per lei. Quindi andrai a fare shopping con lei. Sono stato abbastanza chiaro? = Jetzt hör mir mal gut zu. Aria ist nicht freiwillig hier, und ich will es ihr so angenehm wie möglich machen. Du gehst also mit ihr einkaufen. Habe ich mich klar ausgedrückt?

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