FIFTY-FIVE - Wir können alles - ✔️

Aria POV

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Immer wieder schüttle ich den Kopf, und versuche mich mit der Vorstellung anzufreunden, dass also wirklich Elijah derjenige sein soll, der meinen Bruder und Mick gefangen hält. Ich kann das einfach nicht glauben. Ich habe ihm viel zugetraut, sehr viel, doch das nicht. Niemals.

„Kay, willst du uns helfen?"

Gianmarco sieht Kay fragend an, welcher sich scheinbar nicht ganz so wohl fühlt, da er mittlerweile umgeben ist von der Mafia. Wenn er nicht kooperiert, wird das Konsequenzen für ihn haben, die voraussichtlich daraus bestehen, dass er hierbleibt. Er könnte Elijah sonst warnen, und das wäre fatal.

Etwas unsicher sieht Kay uns alle an, bis sein Blick an mir hängen bleibt. Ich nicke leicht, und versuche, ihm irgendwie Vertrauen zu uns zu geben.

Eine Weile kaut Kay auf seiner Unterlippe rum, ehe er den Blick kurz senkt, bevor er nickt. „Ja", sagt er dann entschlossen, und sieht Gianmarco direkt in die Augen. „Ich will euch helfen." Am liebsten würde ich aufspringen und laut jubeln, doch ich beherrsche mich, und bleibe auf meinem Platz sitzen, während Gianmarco nickt, und Kay die Hand hinhält. „Kann ich dir vertrauen, Kay?"

Kayn ickt erneut, und schüttelt Gianmarco's Hand. „Kann ich euch allen hier vertrauen?", stellt er dann als Gegenfrage, und lässt seinen Blick durch den vollen Raum schweifen. Wir alle nicken, und Kay scheint etwas beruhigter zu sein. „Gut, willkommen im Team."

Kay lächelt nur ganz leicht und fährt sich durch die Haare. „Wir brauchen alle Informationen, die du uns zu Elijah geben kannst. Dinge wie, ob er wirklich dort wohnt, wo es geschrieben steht, oder ob das nur eine Tarnung ist. Und wie genau lautete dein Auftrag bei dem Ball? Wohin musstet ihr Jeremy bringen, wer war involviert? Hat Elijah zwischen den Zeilen noch weitere Informationen gegeben, oder war das alles?"

Gianmarco bombardiert Kay mit Fragen, bis Amy ihm eine Hand auf die Schulter legt. „Gianmarco, prenditi una pausa e lascia che il povero ragazzo dica la sua. Er kann nicht alles auf einmal beantworten." Etwas ertappt nickt Gianmarco, und deutet Kay dann an, dass er jetzt sprechen darf. Dieser holt Luft, und legt die Stirn leicht in Falten, ehe er anfängt, zu sprechen.

„Wir mussten ihn irgendwo mitten im Nirgendwo bei einer Halle abliefern. Ich glaube, der Ort war nicht weit vom Hauptrevier von Elijah entfernt. Da es ziemlich dunkel war konnte ich nicht sehr viel erkennen, doch wir waren in der Nähe des Naturparks."

Ich horche auf, und Nicola fängt meinen Blick auf. Das kennen wir doch schon.

„Ich weiß, wo das ist", sage ich schnell, und Gianmarco sieht zu mir. „Ach ja?" Ich nicke, und Nicola nickt ebenfalls. „Ich habe da den Schuss abgekriegt. Das ist wirklich extrem in der Nähe des Hauptreviers. Wir sind dort gelandet, als wir uns verfahren haben, weil die Bullen plötzlich hinter uns her waren."

Gianmarco nickt langsam, und sieht dann wieder zu Kay. „Ich weiß nicht, wohin sie mit Jeremy gegangen sind, aber ich gehe stark davon aus, dass sie nicht weit gefahren sind. Außerdem denke ich, dass Mick auch dort ist. Elijah hat nicht die Zeit und das Hirn, um zwei verschiedene Verstecke auszumachen. Er ist nicht geeignet für den Job, den Santos vorher gemacht hat. Er verrät sich immer wieder etwas."

Nichts Anderes hätte ich erwartet.

Elijah ist perfekt für den Badboy der Schule, aber ganz sicher nicht für die Rolle eines Bosses einer kriminellen Gang. Wie Kay eben gesagt hat – er hat nicht die Hirnzellen dafür. Nicht mal annähernd.

„Er tut das alles für die Ehre der Familie, sagt er. Er will seine beiden Cousins rächen." Das war abzusehen.

„Der hat sich jahrelang nicht blicken lassen", zischt Alexa plötzlich, und als ich in ihr Gesicht sehe, erkenne ich blanke Wut

„Er ist nicht zu Ilays Beerdigung gekommen, und auch an Lucianos Beerdigung ist er nicht aufgetaucht. Ich wusste nicht mal, dass er existiert, so eine große Rolle hat er in unserem Leben gespielt. Und jetzt will er sich plötzlich für meine Brüder rächen?! Das passt zu seiner Mutter. Er ist genau wie seine Mutter. Sobald man sich irgendwo groß aufspielen konnte, stand sie immer in der ersten Reihe. Gescheitert ist es immer daran, dass sie schlichtweg zu dumm war. Für jeden einzelnen Auftrag. Ein Überfall? Sie ist direkt in die Kameras reingelaufen. Eine Entführung? Sie hat gegen das Opfer verloren und wurde selbst als Geisel genommen. Elijah wird es nicht anders ergehen, Leute."

Ich schmunzle leicht, als Alexa die Geschichten zu ihrer Tante auspackt, und auch die Jungs scheinen sich zu amüsieren. „Du meinst, wir sollten abwarten?" Raffa sieht Alexa skeptisch an, und diese nickt. „Ja. Er wird sich verraten, laut Kay hat er das ja schon ein paar Mal getan. Seine Mission war von dem Moment an zum Scheitern verurteilt, in dem er die Führungsposition eingenommen hat." Kay scheint Alexas Meinung zu teilen, denn er nickt wild.

„Er wird Jeremy nicht töten", sagt er dann auch noch, und ich horche auf. „Woher weißt du das?", frage ich, und Kay nickt zu Alexa. „Wie sie durch die Blume gesagt hat – er sagt viel, sehr viel sogar, doch dahinter steckt nichts. Überhaupt nichts. Nicht mal mehr eine gähnende Leere. Er droht gerne, und er tut es oft. Er will Jeremy nur als Lockvogel für dich einsetzen, Aria. Für ihn ist er zu wertvoll, um ihm etwas anzutun. Jedenfalls so lange, bis du ebenfalls unter seiner Gewalt stehst, doch das tust du ja nicht. Er hat kein Druckmittel mehr, wenn Jeremy nicht mehr lebt."

Ich runzle die Stirn. „Und wieso hast du dich von ihm unterkriegen lassen, als er Mick entführt hat? Wenn er Jeremy nichts tut, wieso sollte er dann deinem Bruder etwas tun?" Kay lächelt bitter, und zuckt dann mit den Schultern. „Mick ist nicht das einzige Druckmittel, das er hat. Mein Vater ist auch in Gefahr. Würde er Mick töten – und das wird er, wenn er von all dem hier erfährt –, hat er immer noch ein Druckmittel, das stark genug ist, um mich zum Schweigen zu bringen. Deswegen fällt es mir auch nicht gerade leicht, all das hier überhaupt zu erzählen. Ich setze gerade das Leben meines kleinen Bruders aufs Spiel."

Gegen Ende klingt Kay so verzweifelt, dass es mir fast das Herz bricht. Sein kleiner Bruder könnte getötet werden, wenn er nur einen einzigen Fehltritt macht, und gleichzeitig erzählt er alles einer Gruppe von Menschen, die er nicht mal richtig kennt – und alles, was wir ihm geben können, ist unser Wort.

Doch wie oft wurde ein Wort wohl schon gebrochen?

Felina, die wohl oder übel mit von der Partie ist, setzt sich neben Kay hin und legt ihre Hände auf seine Schultern. „Sieh mich an", befiehlt sie dem besten Freund ihres Bruders, und fängt Kays Blick ein. „Du kannst den Leuten hier vertrauen. Wir haben es mit der Mafia zu tun, Kay. Diese Leute brechen ihr Wort nicht. Wir werden Mick finden, und er wird unversehrt sein. Und dein Vater wird nicht ins Gefängnis gehen, hörst du? Es wird alles gut. Es war die richtige Entscheidung, alles zu erzählen. Jetzt kann dir geholfen werden. Bereue es nicht. Du hast womöglich gerade das Leben deines Bruders gerettet."

Kay nickt, und schließt kurz die Augen, ehe er den Kopf hängen lässt. „Ich bin einfach nur völlig fertig", murmelt er dann, und lehnt seine Stirn gegen Felina's Schulter. Diese legt ihre Arme leicht um den Jungen vor ihr, und nickt leicht. „Ich weiß, Kay. Aber du bist jetzt nicht mehr alleine. Es ist vorbei, dein Kampf ist vorbei."

Als Antwort schlingt Kay seine Arme um Felina's Taille, und drückt sie an sich.

Ich lächle selig bei dem Anblick und hoffe, dass Kay sich bewusst ist, wie glücklich er sich schätzen kann. Felina ist ein wunderbarer, liebenswürdiger Mensch, dem man so schnell nicht begegnet. Sie hat die ganze Geschichte so souverän aufgenommen, während ich an ihrer Stelle völlig ausgeflippt wäre. Natürlich war sie schockiert, ich meine, wer wäre das nicht? Doch sie hat sofort zu Kay gehalten, und ihm eingeredet, dass er keine Schuld trägt.

Und genau genommen tut er das ja eigentlich auch nicht. Ich weiß nicht, wieso, aber ich hätte in seiner Situation genauso gehandelt. Familie ist für mich das Wichtigste, und für ihn eben auch. Vor allem, nachdem seine Familie schon so viel erlebt hat.

„Penso che per ora dovremmo lasciare questi due da soli. Volere iniziare subito non è un bene per nessuno di noi due. Siamo tutti esausti." Obwohl ich kein Wort von dem was Amy gerade gesagt hat verstanden habe, erhebe ich mich trotzdem mit allen anderen und deute Kay und Felina an, dass wir vorerst abbrechen. „Kay, ruh dich aus. Wir machen später weiter, sobald du so weit bist, okay?" Nicola sieht unser neuestes Mitglied an, und Kay nickt dankbar. „Okay. Danke."

Nicola winkt nur ab, und als letzte verlassen wir den Raum. Felina bleibt bei Kay, und fängt erneut an, auf ihn einzureden, während wir die Türe hinter uns schließen.

Zusammen mit Nicola verschwinde ich in meinem Zimmer, und lasse mich auf mein Bett fallen. Nicola legt sich neben mich, und ich kuschle mich sofort an den Italiener. „Ich bin völlig fertig", gebe ich nach ein paar Minuten müde zu, und schließe kurz die Augen. „Ich hätte nie erwartet, dass Elijah dahintersteckt. Ich verstehe das einfach nicht. Was will er damit erreichen? Was will er von mir? Ich kann Luciano und Ilay doch auch nicht zurückbringen."

Nicola drückt mir einen Kuss auf den Kopf, und fährt mir mit den Fingern leicht durch die Haare, während er nach einer Antwort zu suchen scheint. „Ich weiß es auch nicht genau, Pulcino. Vielleicht glaubt er, dich zu opfern wäre Rache genug?" Ich hebe den Kopf, und schaue Nicola erschrocken an. „Du meinst, er will mich töten oder so?" Nicola zuckt mit den Schultern, und richtet sich etwas auf. „Was glaubst du denn, was er mit dir angestellt hätte? Seine Hausfrau wärst du sicherlich nicht geworden. Vergiss nicht, auch wenn er strohdumm scheint – er ist immer noch ein Santos. Ich traue dem gesamten Stammbaum keinen Millimeter über den Weg, und das solltest du auch nicht."

Ich schlucke trocken, und lege mich wieder hin. Nicola hat schon Recht – es gäbe wohl kaum etwas Anderes, was Elijah mit mir hätte anstellen wollen. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Bringst du jemanden von meiner Familie um, bringe ich jemanden aus deiner Familie um.

Ich könnte schreien. 

„Wie spät ist es?", frage ich Nicola, und er schaut kurz auf seine Armbanduhr. „Halb elf abends", antwortet er dann, und ich richte mich leicht nickend etwas auf. „Ich sollte schlafen gehen", teile ich Nicola mit, und steige von meinem Bett, um mir meine Schlafsachen zu holen. „Ich muss morgen immerhin wieder so tun, als wäre alles in Ordnung, und als wüsste ich nicht, wer Elijah ist", murmle ich zu mir selbst, und gähne ausgiebig.

„Schaffst du das?"

Nicola hat sich im Schneidersitz auf meine Matratze gesetzt, und sieht mich ernst an. Ich schnappe mir eines seiner Shirts aus meinem Kleiderschrank, und ziehe es mir über. Da Nicola über einen Kopf grösser ist als ich reicht mir das Shirt bis zu den Knien, und somit muss ich untenrum nichts weiter als eine Unterhose tragen. Es ist alles abgedeckt.

Schulterzuckend drehe ich mich wieder von Nicola weg, und fange an, meine Tasche für morgen zu packen. „Habe ich eine andere Wahl?"

Eine Weile ist es still, und ich will gerade schauen, ob Nicola eingeschlafen ist, als ich spüre, wie sich zwei Arme um mich legen. „Du hast immer eine Wahl, Aria. Wenn du nicht mehr damit klarkommst, dann musst du das nur sagen, und wir sorgen dafür, dass du Elijah wenigstens in der Schule nicht mehr ausgeliefert bist."

Ich drehe mich zu Nicola um, wobei dieser mich nicht loslässt, und streiche ein paar widerspenstige, schwarze Strähnen aus seiner Stirn.

„Das wäre doch viel zu offensiv", argumentiere ich, und senke den Blick leicht. „Und außerdem würde Elijah dann sofort Verdacht schöpfen. Könnt ihr mich überhaupt einfach so aus der Schule nehmen? Ich habe schon mal ziemlich lange gefehlt, und ich will das Jahr nicht wiederholen." Nicola legt mir einen Finger auf die Lippen, und lächelt leicht. „Mach dir nicht zu viele Gedanken darum. Wir sind immer noch die Mafia. Wir können alles, wenn wir es wollen. Du musst nur etwas sagen."

Ich lächle gegen Nicolas Zeigefinger, und schlinge meine Arme um seinen Torso. Dann stelle ich mich auf die Zehenspitzen, und drücke meinem Freund einen Kuss auf die Lippen. Sofort reagiert er, und legt eine Hand an meine Wange. Ich löse mich wieder leicht, und schaue Nicola in die Augen. „Ich liebe dich", murmle ich lächelnd, und Nicolas Pupillen weiten sich etwas. „Ich liebe dich auch", flüstert er gegen meine Lippen, und küsst mich erneut.

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Ich liebe die beiden. Ich brauche einen Nicola.

Denkt ihr, Kay konnte alle wichtigen, ausschlaggebenden Informationen geben?

- xo, Zebisthoughts

Übersetzung:

prenditi una pausa e lascia che il povero ragazzo dica la sua = Mach eine Pause und lass den armen Kerl doch auch mal zu Wort kommen

Penso che per ora dovremmo lasciare questi due da soli. Volere iniziare subito non è un bene per nessuno di noi due. Siamo tutti esausti. = Ich denke, wir sollten die beiden vorerst in Ruhe lassen. Jetzt damit beginnen zu wollen, ist für keinen von uns gut. Wir sind alle erschöpft.

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