EIGHTEEN - Ungestörtes Essen bitte? - ✔️

Aria POV

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„Wie lange dauert das denn noch?" Ich schaue schlecht gelaunt aus dem Fenster, und Nicola seufzt genervt. „Ich weiß es nicht, Aria. Wir müssen alle schnellen Möglichkeiten umfahren, da die Gefahr dort auf Santos zu treffen zu groß ist." Ich nicke nur und schließe die Augen. Wir fahren schon wieder seit einigen Stunden, und langsam bekomme ich etwas Hunger.

„Aber eigentlich tun wir doch genau, was er will", überlege ich plötzlich laut, und öffne die Augen wieder. Nicola runzelt die Stirn und schielt zu mir. „Wie meinst du?" Ich zucke mit den Schultern und setze mich etwas aufrechter hin. „Na, jeder Mensch würde so reagieren wie wir, und das weiß Santos auch. Vielleicht ist es gerade sein Ziel, dass wir uns auf abgelegenen Straßen fortbewegen, weil dir denken, der Highway wäre zu gefährlich. Was aber, wenn er damit rechnet, dass wir so reagieren, und uns hier irgendwo auflauert?"

Nicola sieht mich eine Weile an und fährt dann rechts ran. „Du meinst, wir würden ihm einen Strich durch die Rechnung machen, wenn wir uns eben nicht so verhalten, wie alle anderen es tun würden?" Ich nicke wild, und schaue Nicola eine Weile an. „Denk mal etwas länger drüber nach. Er würde hier auch eine viel größere Chance haben, uns eins auszuwischen, ohne dass andere Leute es mitbekommen. Auf dem Highway hingegen kommt er nicht so leicht an uns ran."

Nicola legt seine Stirn in Falten und starrt eine Weile ins Nichts, was mir die Möglichkeit gibt, ihn genauer zu mustern. Seine Augen leuchten förmlich im Licht der Sonne, während seine dichten, schwarzen Wimpern einen nahezu perfekten Kontrast dazu bilden. Seine Haare hängen ihm teilweise etwas in der Stirn, und teilweise stehen sie ihm etwas vom Kopf. Man sieht, dass er sich heute Morgen nicht allzu viel Zeit genommen hat, um seine Haare zu stylen, aber irgendwie mag ich es so. Es sieht so ungewohnt und unschuldig aus, im Gegenteil zu seinem Gesicht und seinem Style. Es zeigt irgendwie, dass auch er ein Chaot ist, nur hat er es etwas besser unter Kontrolle als ich.

Soweit ich mich erinnern kann, sah Nicolas Zimmer nicht aus wie eine reine Explosion, wobei er viel mehr Dinge besitzt als ich. Und mein Zimmer war nach einem Tag schon ein Saustall.

„Ich glaube, du hast tatsächlich eine gute Idee gehabt."

Ich schrecke aus meinen Gedanken auf, und Nicola schmunzelt leicht. „Wir fahren wieder auf dem Highway."

Mit diesen Worten startet er den Motor erneut, wendet den Wagen, und ändert die Route im Navi. Ich grinse nur, da ich tatsächlich helfen konnte, und Nicola Salvatore, Sohn eines Mafiabosses, auf mich hört. Auf mich!

Ich lehne meinen Kopf wieder gegen die Scheibe und schließe erneut die Augen. „Bist du müde?" Ich zucke mit den Schultern. „Nicht wirklich müde. Einfach erschöpft von allen Ereignissen", murmle ich ehrlich, und erwarte keine Reaktion von Nicola. Ich meine, was soll er auch sagen? Er weiß genauso gut wie ich, dass ich hier nicht mehr rauskommen werde, und dass er nichts an meiner Situation ändern kann. Selbst wenn er wollte.

Sein Vater und dessen Wort steht über seinem, und das wird sich so schnell nicht ändern


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„Man hört deinen Magen bestimmt schon auf der anderen Seite der Straße."

Ich stoße Nicola nur leicht in die Seite und ziehe mir meine Kapuze tiefer ins Gesicht, ehe wir besagte Straße überqueren. Ich bin tatsächlich eingeschlafen, und von meinem eigenen Hunger wieder wach geworden. Währenddessen hatte Nicola den Highway schon verlassen, und war auf dem Weg zu einem kleinen Bistro, und wäre ich nicht von selbst aufgewacht, hätte er mich geweckt.

Obwohl wir nicht viel miteinander sprechen habe ich immer wie mehr das Gefühl, dass Nicola doch nicht ganz so sehr nur wie sein Vater ist, wie am Anfang.

„Tut mir leid, dass ich Hunger habe", murre ich gespielt beleidigt, und Nicola schmunzelt leicht. „Jetzt nimm doch nicht alles so persönlich. Wir essen ja gleich was." Ich lächle bei dem Gedanken daran, gleich was essen zu können, und laufe etwas schneller.

Nicola folgt mir, und ich stoße die Glastür des Bistros auf. Drinnen kommt mir ein Geruch von Frittieröl und Kaffee entgegen, und sofort fühle ich mich zu Hause. Nicola zeigt auf eine Sitzbank ganz hinten in der Ecke, und ich nicke. Wir setzen uns hin, und ich schnappe mir sofort die Karte. Konzentriert lese ich mir die verschiedenen Gerichte durch, und entscheide mich schlussendlich für einen Burger, der eine Eigenkreation des Bistros ist.

Ich lege die Karte wieder weg, und stelle fest, dass Nicola noch nicht fertig damit ist, sein Gericht auszuwählen. Also stütze ich meinen Kopf auf meine Hand und starre aus dem Fenster raus, wo sich nicht gerade sehr viel abspielt. Wir sind nicht in einer wirklich belebten Stadt oder so, sondern eher etwas abseits. Der Ort hier erinnert mich etwas an eine Autobahnraststätte, nur, dass der Highway sicher zehn Minuten Fahrt von hier entfernt ist.

Ich denke nicht, dass hier viele Dorfbewohner hinkommen, sondern eher Leute, die kurz mal eine Pause vom Fahren brauchen und sich die Bäuche vollschlagen wollen. Das Bistro ist auch nicht sonderlich groß, und ich glaube, jetzt gerade befinden sich nur um die fünf Personen hier drin. Eine Bedienung läuft gelassen durch die Gänge und erledigt seelenruhig ihre Arbeit, während hinter der kleinen Theke noch eine zweite Bedienung steht, die wahrscheinlich für die Kasse und den Take-away zuständig ist. Beide tragen eine weiße Schürze mit schwarzem Band, und beide haben ihre Haare zu einem Zopf gebunden.

„Weißt du schon was du trinken willst?"

Ich schrecke etwas auf und stelle fest, dass ich gar nicht realisiert habe, dass Nicola seine Karte weggelegt hat. Ich nicke und schließe verträumt kurz die Augen, ehe ich Nicola ansehe. „Ja, eine Cola. Und du?" Nicola hebt eine Augenbraue und schmunzelt. „Keinen Kakao?" Ich lächle und schüttle den Kopf. „Nein, genug Kakao in den letzten Stunden. Und die Cola weckt mich vielleicht." Nicola nickt und winkt der Bedienung. „Zweimal eine Cola bitte, dann für mich den Hauseigenen Burger... und für dich?"

Ich lächle. „Ich nehme den gleichen Burger." Die Bedienung lächelt und nickt dann, ehe sie sich alles aufschreibt. „Zweimal eine Cola und zweimal den hauseigenen Burger... wird gemacht." Ich nicke ihr dankend zu, und sie verschwindet kurz in einem Raum, in dem ich die Küche vermute. Dann starre ich wieder raus und erstarre mehr oder weniger, als ein Streifenwagen auf dem Parkplatz hält.

„Nicola", murmle ich, und nicke nach draußen. Sobald er den Wagen entdeckt, verfinstert sich seine Miene sofort, und der mir nur allzu bekannte, kalte Nicola kommt wieder zum Vorschein. „Schau einfach nicht zu ihnen, vielleicht wollen sie nur kurz etwas abholen", sagt er leise, und ich nicke. Meine Kapuze ist immer noch hochgezogen, und Nicola hat, als wir eben ausgestiegen sind, seine Cap verkehrt rum aufgesetzt, wodurch man nur noch vereinzelte Strähnen seiner Haare erkennen kann.

Sieht man sein Gesicht und diese kennzeichnenden, grünblauen Augen nicht, könnte man Nicola glatt mit einem anderen, gewöhnlichen Jungen verwechseln, und ich glaube, das war auch sein Ziel. So wenig wie möglich erkannt zu werden, denn meine Vermisstmeldung und die Fahndung nach der Salvatore Familie ist bestimmt nicht nur in Seattle geblieben.

Zwei Polizisten betreten das Bistro, und auch wenn ich mit dem Rücken zur Tür sitze und sie somit nicht sehen kann, spüre ich förmlich, wie sie zur Theke laufen. Als sie der Bedienung hinter der Kasse sagen, dass sie gerne zwei Sandwiches hätten zum Mitnehmen, kann man den Stein der mir vom Herzen fällt bestimmt hören, und auch Nicola entspannt sich sichtlich etwas.

„Oder wollen wir nicht doch lieber hier essen?"

Sofort spanne ich mich wieder an, und Nicola ermahnt mich mit einem deutlichen Blick, ruhig zu bleiben. Ich warte auf die Antwort des Kollegen des Polizisten, und bete innerlich dafür, dass er es für eine schlechte Idee hält, hier zu bleiben. Ich will doch nur in Ruhe meinen Burger essen können, mehr nicht. Wieso müssen überall immer wieder Leute auftauchen, die mich daran hindern? Entweder Santos oder die Polizei.

„Meinst du das ist eine gute Idee?"

„Naja, wir haben noch etwas Zeit, bis die Pause vorbei ist."

Kurz herrscht Stille, und auch wenn er sich nichts anmerken lässt, höre ich Nicolas Stoßgebete förmlich. „Nein, komm, wir müssen gleich wieder auf den Highway. Wir würden zu spät kommen."

„Ja, du hast Recht. Ein anderes Mal eben."

Ich schließe erleichtert die Augen, als die Polizisten abrechnen und das Bistro verlassen, und gerade als sie vom Platz fahren, kommt unsere Bestellung. „So ihr zwei, je eine Cola und einen Burger. Guten Appetit!" Ich lächle und nehme meine Bestellung entgegen. „Danke!" Das Mädchen lächelt und verschwindet wieder an einen anderen Tisch, an dem gerade ein junges Kind nach ihr gewinkt hat. „Das war knapp", murmelt Nicola, und ich nicke. „Das war's."

Eine Weile essen wir in Ruhe, und ich denke über die letzten Tage nach. Es ist so unglaublich viel passiert, dass es mir schon fast surrealistisch erscheint, doch Nicola ist der lebende Beweis dafür, dass sich mein Leben vor anderthalb Wochen komplett geändert hat. Ich flüchte jetzt mit einer Mafiafamilie vor einem Drogendealer, der nichts Gutes im Sinn hat. Ich sitze mit einem im ganzen Land gesuchten Jungen in einem kleinen Bistro, verstecke mich mit ihm vor der Polizei und esse dabei einen Burger, als wäre es das Normalste der Welt.

Ich flüchte mit ihm in seinem Wagen vor Santos, und probiere aus der Not heraus gefährliche Manöver aus, um uns von der Autobahn zu holen. Ich habe eine neue Freundin gefunden, die mir seit dem ersten Tag ans Herz gewachsen ist. Ich habe mich in eine Bank gehackt und einen Haufen Geld verfolgt. Ich habe angefangen etwas über Selbstverteidigung zu lernen. Ich habe einige Zeit lang Todesangst ausstehen müssen, und ich habe einen Haufen neue Erfahrungen gesammelt. Auch wenn ich vor all dem hier gerne auf diese Erfahrungen verzichtet hätte.

„Du hast das gut gemacht", bemerkt Nicola plötzlich, und ich sehe wieder zu ihm. „Wie meinst du?", frage ich verwirrt, und er legt seinen Burger kurz hin. „Du hast dich super verhalten, als die Bullen hier waren. Keine Panik oder so bekommen, jedenfalls nicht gegen außen. Das ist auch ziemlich wichtig, wenn du dich später mal gut verteidigen willst. Ruhe bewahren, egal wie unausweichlich die Situation auch scheint. Das irritiert deinen Gegner, und in Fällen wie eben wiegt es ihn in Sicherheit. Er denkt sich nichts dabei, wenn er dich nur flüchtig sieht, und du dich nicht auffällig verhältst. Du stichst erst hervor, wenn du etwas tun würdest, was andere nicht tun würden."

Ich schlucke und starre Nicola kurz an. Er hat Recht. Menschen die sich unschuldig verhalten beachtet man weiter nicht. „Ich hatte mehr als nur Panik gegen innen", nuschle ich, und Nicola hebt eine Augenbraue. „Glaub mir, Aria. Ich auch. Und das ist völlig normal. Sogar Dad hat das." Diesmal hebe ich erstaunt eine Augenbraue. Gianmarco Salvatore kennt sowas wie Panik?

Nicola scheint meine Gedanken förmlich lesen zu können, denn er lacht leise. „Ja, so habe ich auch geschaut. Aber es stimmt. Jedes Mal, wenn eine Situation brenzlig wird, hat er in sich drin Angst, uns könnte was passieren. Oder ihm selbst, was ihn dann daran hindern würde, uns zu beschützen. Auch wenn er es nie zeigt, seine Familie bedeutet ihm alles und noch viel mehr. Würde einer von uns sterben, Alexa mitinbegriffen, würde er sich das Leben lang die Schuld dafür geben."

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Wir sitzen wieder im Auto, und mein Magen gibt ein zufriedenes Geräusch von sich. Nicola lacht leise, und lehnt sich dann in seinem Sitz zurück. Ich bin wieder dran mit Fahren, und laut dem Navi dauert es noch drei Stunden, bis wir endlich da sind.

Tatsächlich hatten wir bisher keine Zwischenfälle mehr mit Santos, und wie sich herausgestellt hat, haben wir ihm wirklich einen Strich durch die Rechnung gemacht. Stolz auf mich selbst klopfe ich mir innerlich auf die Schulter, und starte dann den Motor, um vom Platz zu fahren.

Achtung, Santos. Ich bin nicht dumm.

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Guten Abend :) Tut mir leid dass das Kapitel erst so spät kommt, aber ich bin krank und hab eigentlich den ganzen Tag geschlafen.

Jetzt aber zum Kapitel - Aria konnte Santos also tatsächlich einen Schritt voraus sein ;) Was haltet ihr davon?

- Xo, zebisthoughts

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