Advent, Advent, ein Lichtlein brennt - OS

Für dasAlien. Die Fortesetzung eines Traums, vielleicht einem der besten, die ich je hatte. Mit einer Prise Weihnachtsstimmung.

Es ist der zweite Advent und genau zehn Monate her, dass meine Lieblingsband mit mir in eine fürchterlich chaotische WG gezogen ist. Bis heute habe ich keine Ahnung, wieso sie das getan haben und wieso ich mich bedenkenlos darauf eingelassen habe. Das war eine Schnapsidee, wir alle sind uns in dieser Sache einig. Und das ist eine Seltenheit, denn sonst sind wir uns nie einig. N. I. E. Luk und Bastian veranstalten ein Mein-Geld-kann-ich-auch-aus-dem-Fenster-Schmeißen-Fest.
"Bist du besoffen, Luk?", frage ich meinen Mitbewohner und setze Wasser für Tee auf.
Er lächelt mich dämlich an, was ich als Zustimmung auffasse. Zur unwiderruflichen Bestätigung entdecke ich zwei leere Glühweinflaschen auf der Arbeitsfläche.
"Warst du schon einkaufen?", will Bastian wissen.
"Stean ist dran", meine ich erstaunt.
"Stean denkt, du bist dran."
"Der Idiot, ich hab schon letzte Woche für ihn eingekauft", ärgere ich mich über meinen Mitbewohner. "Wo ist der überhaupt?"
"Er zockt in seinem Zimmer", meint Luk und lässt ein paar Geldscheine in den Innenhof flattern.
"Gott, ihr braucht alle dringend eine Freundin", massiere ich mir die Schläfen. Seit der Kokainklan bei mir wohnt, plagen mich die Kopfschmerzen täglich.
"Wir haben doch dich", lächelt Raptoah mich zuckersüß an.
"Glaub ja nicht, du könntest das mit deinem unverbesserlichen Charme wieder geradebiegen!", drohe ich ihm wild gestikulierend, wobei ich wahrscheinlich aussehe, als würde ich einen Dämon beschwören wollen.
"Kannst du Spekulatius und Dominosteine kaufen?", ruft er mir hinterher und sieht mich aus flehenden Hundeaugen an.
"Du bist reich, ich nicht! Kauf sie dir selbst, zum Beispiel mit deinem Geld, das du gerade vom Balkon geworfen hast", präsentiere ich ihm meinen Mittelfinger.
"Dein Mittelfinger glitzert", wundert sich Bastian.
"Wann hat er das je nicht?", kontere ich und streiche über den kirschdunkelrotschwarzen Nagellack, der dringend erneuert werden müsste. Hätte ich ja jetzt gemacht, wenn nicht ein gewisser Blödmann, sich weigern würde, den Einkauf für die WG zu erledigen.
"Stean!", reiße ich wütend die Tür zu seinem Zimmer auf.
"Hey, hey", murmelt er desinteressiert. "Privatsspähre und so", sagt er monoton, ohne die Augen vom Fernsehbildschirm zu lösen.
"Ist nicht, als hätte ich dich beim Wichsen erwischt", knurre ich.
"Das wird auch nie passieren", grinst er. "Was gibt's denn?"
"Du musst einkaufen, das gibt's! Wir haben nix mehr im Haus, ich werde mich mit einem Bier zum Abendbrot ganz bestimmt nicht zufrieden geben."
"Nur weil du nicht trinkst. Ich kann noch immer nicht glauben, dass du in achtzehn Jahren keinen Tropfen Alkohol angerührt hast", schüttelt er den Kopf.
"Habe ich wohl!"
Er legt die Stirn in Falten.
"Auf Familienfeiern", gebe ich nuschelnd zu und der Dunkelhaarige lacht mich eiskalt aus.
"Ey", schubse ich ihn kräftig und er plumpst wirklich fast vom Stuhl.
"Okay, hier ist der Deal", wischt er sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel. "Ich gehe einkaufen, wenn du mir beim Tragen hilfst."
"Seh ich aus wie He-Man?"
"Dein Bizeps hat einen größeren Umfang als Luks Nudelarme."
"Fair enough", steige ich in die kleine Lästerei mit ein und Stean bugsiert mich in den Flur.
"Ist es kalt draußen?", überlegt er laut.
"Wann hast du das letzte Mal dieses Haus verlassen?", frage ich schockiert.
"Muss ein Weilchen her sein", kratzt er sich am Bart.
Ich verdrehe die Augen und schiebe ihn vor die Tür. Wir laufen zum Lidl, als wir aber schon davorstehen, packe ich ihn am Handgelenk.
"Was denn?"
"Wir müssen zum Aldi, bei Lidl haben sie keinen Kinderpunsch." Festentschlossen mache ich auf dem Absatz kehrt und Stean trottet widerwillig hinterher, nachdem er gequält gestöhnt hat, was ich geflissentlich ignoriere.
"Wo ist Timmi?", frage ich stattdessen.
"Keine Ahnung, woher soll ich das wissen. Bin ich seine Mutter?"
"Stimmt, so ein Mist, du kannst nicht einmal sein Vater sein, als er geboren wurde, da warst du noch Quark im Schaufenster", sinniere ich und mein Begleiter verpasst mir einen leichten Klaps auf meinen freiliegenden Nacken. Schals werden überbewertet, selbst bei mickrigen fünf Grad Außentemperatur.
Im Aldi ist es etwas wärmer, obwohl das Licht innen schrecklich kühl ist.
"Guck mal, ich hab Timmi gefunden", deutet Stean über mich hinweg und tatsächlich werden wir Zeugen davon, wie er Brötchen vom Backstand in eine Tüte fallen lässt.
"Hallo, Mitbewohner", tippe ich ihm auf die Schulter und er bekommt einen halben Herzinfarkt.
"Zur Hölle mir dir, Saskia", fährt er mich an. "Du wärst echt eine verdammt gute Mörderin, dich hört man überhaupt nicht, wenn du auf einen zuläufst. Was schleichst du denn auch immer durch die Gegend?" Die Tüte mit den Brötchen, die er fallen gelassen hat, reiche ich ihm. "Dafür kann ich nix, so gehe ich eben: Leise und schnell", lache ich.
"Dann geh jetzt mal leise und schnell nach Hause", rät er mir. "Was wollt ihr hier eigentlich?"
"Er ist dran mit einkaufen", zeige ich auf Stean.
"Hä, ich dachte, ich bin dran."
"Perfekt, Timmi ist dran", will der Faule sich davonstehlen.
"Hiergeblieben!", zerre ich ihn zurück.
"Und du wolltest Brötchen für uns alle kaufen und das war's?", mustere ich Timmi skeptisch.
"Nein, ich wollte mir ein paar Brötchen für unterwegs holen, während ich zum Lidl laufe und dort richtig einkaufe. Ich hab tierischen Hunger, ist das ein Verbrechen?"
"Wenn du dir Brötchen holst, ohne mir Kinderpunsch mitzubringen, definitiv." Vorwurfsvoll zwinge ich ihm zwei Tetra-Paks mit besagtem Kinderpunsch auf.
"Ach, Luk will Dominosteine und Spekulatius", landen extra Süßigkeiten in den Händen unseres Packesels.
Timm seufzt. "Sollen wir einfach alles gleich kaufen?", schlägt er vor.
"Gute Idee, Timmi", lobe ich ihn
"Die beste, die du seit Jahren hattest", neckt ihn sein Bandkollege.
"Halt die Fresse, Stean."
"Genau. Trag lieber was!", schmeiße ich ihm ein Netz Kartoffeln zu und die anderen Lebensmittel, die uns fehlen.

Am Abend sitzen wir endlich gemeinsam im Wohnzimmer zusammen. Luk hat die Kerzen am Kranz angezündet und bedient sich nun ausgiebig am Weihnachtsteller, den ich für uns zusammengestellt habe. Nüsse, Mandarinen, Schokolade und Spekulatius.
"Wisst ihr, Jungs, ihr seid furchtbar anstrengend", kuschele ich mich an Steans Seite.
"Wissen wir", erwidert Bastian trocken.
"Du erst", zwickt mich Timm.
"Aber wir haben uns doch trotzdem irgendwie alle gern, oder?", wirft Luk ein und wir nicken andächtig. Ja, irgendwie haben wir uns trotzdem alle gern.

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