Kapitel 4
Am nächsten Morgen schlurfte Meghan in ihrem blaugestreiften Pijama in die Küche. Sie wollte sich gerade einen Kaffee machen, als ihr Blick auf die Uhr fiel. "Scheiße! Schon viertel vor acht!", fluchte sie laut und ließ den Kaffee bleiben. Das Frühstück musste schon wieder ausfallen. Sie würde sich unterwegs bei einem Kiosk einen Kaffee und etwas zu essen kaufen und dann so schnell wie möglich zum Polizeipräsidium fahren.
Eilig ging sie zurück in ihr Schlafzimmer und zum großen Kleiderschrank. Meghan hatte keine Zeit dazu, sich groß fertigzumachen, weswegen sie einfach wahllos hineingriff. Am Ende hatte sie einen grauen Wollpullover, eine blaue Jeanshose, so wie ihre braune Daunenjacke ergattert und zog sich um. Noch während sie sich die Jacke anzog lief sie zum Schuhregal und nahm sich ihre abgetragenen Turnschuhe heraus.
Schnell zog sie sie an, schnappte sich ihre Dienstmarke, ihr Smartphone und ihre Autoschlüssel und verließ damit die Wohnung. Meghan rannte die Treppen so schnell sie konnte herunter und stürzte dabei fast, da sie keine Zeit hatte, um das Geländer zu benutzen. Als sie unten angekommen war, riss sie die Haustür auf und ließ sie hinter sich mit einem Knall zufallen. Mit schnellen Schritten lief sie auf ihren Range Rover zu. Zeit, um die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut zu genießen, hatte sie keine.
Meghan stieg in ihren Wagen und brauste davon. Es war ihr egal, ob sie einen Strafzettel bekommen würde. Das wäre nicht das erste Mal. Sie bekam häufiger Strafzettel, da sie nicht noch später, als ohnehin, sein wollte. Meistens brachte es jedoch nichts. Jedes Mal dachte sie darüber nach auf dem Revier anzurufen und zu sagen, dass sie etwas später kommen würde, doch letzten Endes verwarf sie diesen Gedanken immer wieder.
Sie raste förmlich durch die Straßen von Queens. An einem Zebrastreifen musste sie haarscharf bremsen, da eine Seniorin mit ihren Einkäufen gerade darüber lief. Meghan nahm die Hände vom Lenkrad und fuhr sich über ihr Gesicht. Beinahe hätte sie die Frau überfahren. Jetzt musste sie auch noch so langsam laufen. Sie war erst bei der Hälfte des Streifens angekommen. Die Polizistin seufzte auf.
Der Tag konnte wirklich nicht mehr besser werden. Sie verfolgte jeden Schritt der Frau genau mit ihren Augen. Dadurch wurde sie aber auch nicht schneller, sondern viel eher langsamer. Meghan schürzte ihre Lippen und schaltete das Radio ein, um sich ein wenig zu beruhigen. Doch überall kamen nur Nachrichten oder irgendwelcher Rap und das konnte sie so gar nicht ab. Jetzt zumindest nicht. Dafür hatte sie gerade keinen Nerv.
Da die Polizistin so lange am Radio herumhantierte bemerkte sie gar nicht, dass die Seniorin schon weg war. Erst als ein Auto hinter ihr hupte, schaute sie auf und stieß ein kurzes "Oh" aus. Dann trat sie wieder auf das Gaspedal und fuhr in schnellem Tempo über die Kreuzung.
Immer wieder wechselte ihr Blick zwischen der Uhr und der Straße hin und her, weswegen sie einmal über eine rote Ampel fuhr, was ihr gerade aber herzlich egal war. Endlich war Meghan vor dem Polizeirevier angekommen. Sie parkte ihren Wagen und stieg aus. Allerdings betrat sie das Gebäude noch nicht, sondern lief noch ein paar Meter weiter, zu einem kleinen Kiosk. Sie hatte wirklich Glück, dass er gleich um die Ecke war.
Der Verkäufer begrüßte sie freundlich. "Guten Morgen, Detective. Das Übliche? Sind Sie wieder mal spät dran?" Ein leichtes Grinsen zierte das Gesicht des Anfang 40-Jährigen. Die Brünette nickte. "Ja, das Übliche. Sie haben's erfasst", sagte sie und zuckte mit ihren Schultern. Sie konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft sie ihr Frühstück hier gekauft hatte, weil sie spät dran gewesen war.
Der Mann nickte und übereichte ihr einen warmen Kaffee-To-Go Becher und eine Tüte mit einem Käsesandwich. Die Polizistin gab ihm sein Geld und verabschiedete sich dann von ihm. "Einen schönen Tag noch", rief er ihr hinterher. Meghan nickte flüchtig und hastete schon wieder gestresst weiter. Als sie zum zweiten Mal beim Revier angekommen war, warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. 20 Minuten zu spät. Na wunderbar.
Sie stieß die Eingangstüre auf und lief zu ihrem Schreibtisch. Die Blicke der anderen Polizisten ignorierte sie dabei gekonnt, denn auch das war nichts Neues für sie. Mit einem Stöhnen ließ sie sich auf ihren Stuhl sinken. Es war nicht gut, so gestresst in den Tag zu starten, das war ihr bewusst, doch leider war das bereits Routine für sie.
Meghan biss in ihr Sandwich hinein. Es war noch frisch. Das war wirklich einer der wenigen Kioskstände, bei dem man halbwegs erträgliches Essen, das nicht einfach aufgetaut wurde, bekam. Sie genehmigte sich einen großen Schluck von ihrem Kaffee. Da kam ihr Kollege Ryan aus dem Besprechungsraum. Jeanine, Benjamin und der Captain folgten ihm. Letzterer sah sie strafend an.
Die schlanke Frau tat so, als hätte sie den Blick übersehen und aß genüsslich ihr Sandwich. Sie war wirklich am Verhungern gewesen. Wie froh sie jetzt war, endlich etwas im Magen zu haben. Ryan kam auf sie zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr. "Der Captain war alles andere als erfreut, dass du nicht da warst. Wir haben die Teambesprechung ohne dich gemacht. Wir zwei sollen zur Gerichtsmedizin fahren und fragen, wie weit sie mit der Autopsie sind", erklärte er und gegen Ende nahm seine Stimme wieder einen normalen Tonfall an.
Meghan nickte verstehend. "Alles klar, aber lass mich noch schnell fertig essen", bat sie, woraufhin ihr Partner genervt seine Augen verdrehte. "Erst zu spät kommen und dann auch noch Forderungen stellen", konnte sie plötzlich die Stimme des Captains hinter sich hören. Meghan verschluckte sich an ihrem Kaffee und Ryan musste ihr auf den Rücken klopfen.
"Oh, hallo, Mister Henderson", murmelte sie, nachdem sie sich wieder halbwegs beruhigt hatte. "Guten Morgen", erwiderte er knapp und sah sie kühl an. Sie biss sich auf die Lippe und zuckte entschuldigend mit ihren Schultern. Das war jetzt nicht so gut für sie gelaufen. Ihre Freundin Jeanine war nun auch dazugekommen und hatte Mühe, ein Kichern zu unterdrücken. Benjamin schüttelte nur seinen Kopf. Es war nichts Neues, dass Meghan sich immer wieder in unangenehme und peinliche Situationen hineinmanövrierte.
"Sie können auch auf dem Weg zur Gerichtsmedizin frühstücken", sagte der Captain schließlich noch. "Ja, klar, tut mir leid", murmelte Meghan nun etwas verlegen. Sie hatte wirklich nicht gewollt, dass er das hörte. Bei ihren Kollegen war es ihr egal, aber nicht bei ihrem Vorgesetzten, denn so machte sie sich nicht gerade beliebt.
Die Polizistin blickte ihm nicht mehr in die Augen und stand wortlos auf. Sie nahm sich ihr Sandwich und ihren Kaffeebecher und verabschiedete sich dann noch der Höflichkeit halber. Mit schnellen Schritten eilte sie aus der Türe und verließ das Polizeirevier. Sie hatte wirklich keine Lust darauf, schon wieder im Auto sitzen zu müssen. Sie wollte sich doch nur ein einziges Mal zumindest für ein paar Minuten entspannen.
Sie konnte hören, wie Ryan ihr irgendetwas hinterherrief. Vermutlich, dass sie auf ihn warten sollte oder etwas in der Art. Doch sie reagierte einfach nicht und blieb vor dem Polizeiwagen stehen. Sie kramte in ihrer Jackentasche und als sie dort nichts fand, in ihrer Hosentasche, doch auch dort waren keine Schlüssel für das Auto. Nur für ihre Wohnung und ihren Range Rover.
Sie konnte das Klimpern eines Schlüsselbunds hören und drehte sich um. Es war ihr Partner, der ihn ihr entgegen streckte. Als sie danach greifen wollte, zog er ihn ihr wieder weg, woraufhin sie ein saures Grummeln ausstieß. Er grinste nur frech und am liebsten hätte sie ihm eine geknallt. Normalerweise war Meghan nicht so mies drauf, doch heute schien wirklich alles und jeder gegen sie zu sein.
Ryan bemerkte, dass er Meghan besser nicht weiter provozieren sollte, weswegen er es bleiben ließ und stattdessen den Wagen aufschloss und sich hinter das Steuer setzte. Wortlos und noch immer grimmig dreinblickend setzte sich seine Kollegin auf den Beifahrersitz. Er sah nochmal kurz zu ihr und startete dann den Motor.
Meghan schaute demonstrativ aus dem Fenster und ignorierte ihn einfach. Eine Weile fuhr Ryan so durch die Straßen, doch irgendwann reichte es ihm. "Was ist los?", fragte er und musterte sie. "Ich sehe doch, dass es nicht nur wegen dem Captain und mir ist." Zuerst reagierte sie überhaupt nicht, aber schließlich drehte sie doch noch ihren Kopf zu ihm. "Es ist nichts! Was soll denn auch groß sein?! Mein Tag ist einfach nur beschissen, das ist alles!"
Ryan überlegte und beschloss einfach drauf los zu raten. "Ist es wegen mir? War ich zu blöd?" Meghan verdrehte genervt ihre Augen und reagierte nicht. "Oder ist irgendetwas mit Tim?" Als er ihren Freund erwähnte, spannte sie sich kurz an und biss ihre Zähne fest aufeinander. Dann schüttelte sie jedoch ihren Kopf. "Was soll denn mit ihm sein?"
Ihm war ihre Reaktion nicht verborgen geblieben, weswegen er jetzt auch nicht mehr locker lassen würde. "Es ist also wegen Tim, interessant. Geht es ihm nicht gut? Oder... habt ihr Schluss gemacht?" Er musterte sie besorgt und mitfühlend zugleich. "Lass es einfach gut sein, ja?!", fauchte Meghan und als sie das große weiße Gebäude der Gerichtsmedizin erkennen konnte, atmete sie erleichtert auf.
Ryan parkte und sofort wollte Meghan aussteigen, doch er verriegelte die Türen von innen. "Sag mal spinnst du?! Was soll das?!" Wütend sah sie ihn an. "Mach sofort die Tür auf! Wir sind sowieso schon spät dran!" Er machte keine Anstalten, ihrer Aufforderung nachzukommen. Seine Kollegin rüttelte an der Tür, obwohl sie wusste, dass es nichts bringen würde.
"Hey! Beruhig dich!", rief Ryan, nun offensichtlich auch genervt. "Ich will nur mit dir reden! Du bist nicht nur meine Partnerin, sondern auch meine Freundin! Wenn es dir nicht gut geht, dann will ich das wissen und dir helfen! Bitte..." Gegen Ende wurde seine Stimme immer leiser und er seufzte auf. Seine Kollegin war wirklich eine sehr schwierige Frau.
Langsam gab Meghan ihre Fluchtversuche auf und ließ ihre Schultern hängen. "Tut mir leid, dass ich so unhöflich war, bin, was auch immer...", murmelte sie und wirkte nun ziemlich niedergeschlagen. "Aber mein Tag heute war echt scheiße. Gestern Abend hat Tim mir per SMS geschrieben, dass er Schluss macht... Deine Vermutung war also richtig." Sie fuhr sich durch ihre braunen Haare.
"Oh Shit! Das wusste ich nicht! Ich war wohl nicht gerade sonderlich sensibel... Sorry", sagte er und sah seine Partnerin besorgt an. Er war sich nicht sicher, ob sie noch weiter darüber sprechen wollte. Eigentlich hatte er noch einige Fragen, aber bedrängen wollte er sie wirklich nicht. "Deswegen war ich heute auch so spät dran. Ich habe nämlich kaum schlafen können", gab Meghan zu.
"Es tut mir so leid, ich hatte echt keine Ahnung", murmelte Ryan. Er überlegte und breitete dann seine Arme aus, um sie zu umarmen, was sie nach kurzem Zögern auch erwiderte. "Ich versteh's nicht...", flüsterte sie. "Lass es ruhig raus." Er strich ihr beruhigend über den Rücken. Meghan schüttelte ihren Kopf. Sie wollte keine Schwäche zeigen. "Es ist okay, ich komme schon klar."
"Das glaube ich nicht. Ich kann vollkommen verstehen, dass es dir gerade nicht gut geht", meinte Ryan, doch Meghan versicherte ihm, dass sie in Ordnung war und löste sich aus der Umarmung. "Machst du bitte die Tür wieder auf? Ich möchte echt nicht länger darüber reden, aber ich verspreche dir, dass ich den Rest des Tages nicht mehr so unhöflich sein werde", sagte sie.
Kurz überlegte er, aber dann überzeugten ihre Worte ihn doch und er entriegelte die Autotür. Bevor sie ausstieg, reichte er ihr noch ein Taschentuch, welches sie dankend annahm. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und lächelte ihr aufmunternd zu. Dann liefen sie gemeinsam auf das Gebäude der Gerichtsmedizin zu. Katelynn und Amber warteten sicher schon ungeduldig auf sie.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top