Bingo

Habt ihr auch diesen einen Typen in eurer Klasse, bei dem man sich fragt, was wohl in seinem Kopf vorgeht, aber eigentlich will man es auch gar nicht wissen? Dieser eine Typ, der es irgendwie schafft, mehr Freundinnen zu haben, als ihr Unterhosen habt? Okay, zugegeben, so viele Unterhosen besitze ich nicht, aber Ignacio schafft es trotzdem, jede Woche eine Neue abzuschleppen.

Es war viel zu warm. Der Unterricht war für heute vorbei, das Mittagessen gegessen und die Motivation, irgendetwas außer Dösen zu tun, ging gegen Null. Toni und ich hatten uns unter dem Vordach unserer Hütte unsere Hängematten aufgespannt und gammelten vor uns hin.

Mit lahmer Hand fing ich den Tennisball, der schon seit Monaten auf unserer Terrasse herumlag, der seine typische Neonfarbe wohl schon seit Jahren gegen ein gräuliches Grün eingetauscht hatte, und warf ihn wieder zu Toni. Ich musste geschickt um die Kurve werfen, woran ich leider viel zu oft scheiterte. Meine Hängematte hing rechts von der Tür, Tonis links von der Tür. Zwischen uns hätte noch eine Hängematte gepasst, aber leider nur theoretisch. Hätte man zwischen die beiden Pfosten auch noch eine gehängt, dann wäre man nicht mehr durch die Tür gekommen, ohne akrobatische Höchstleistungen zu vollbringen.

Seufzend ließ ich mich nach hinten in den festen Stoff der Hängematte sinken und starrte an die Unterseite der Palmwedel, die unser Dach bedeckten. Als Libelle wurde mir selten so warm. Gegen die Hitze halfen in Menschengestalt auch Hot-Pants und ein Top nicht.

„Miri!" Ich schreckte auf und streckte meinen Kopf aus der Hängematte, was dafür sorgte, dass mir der ranzige Tennisball genau gegen die Schläfe knallte. Mit einem holen Pock prallte er ab und hüpfte vom Boden gegen die Hüttenwand.

„Aua!", maulte ich sie an. „Sag doch das nächste Mal was".

„Hab ich doch" Das Grinsen in ihrer Stimme war unüberhörbar.

„Ja, aber zu spät", murrte ich und ließ mich, wie ein Pfannkuchen, der fertig mit Backen war, aus der Hängematte rutschen, um den Ball wieder zu holen.

Gerade, als ich mich wieder in die Matte gelegt hatte, schallte eine, mir nur zu bekannte Stimme über das Schulgelände.

„Das machst du nicht ernsthaft, oder?! Du bist so ein verlogener Arsch! Und ich dachte, ich bedeute dir etwas!"

„And here we go again", hörte ich Toni murmeln.

Nur ein paar Sekunden später stürmte Domino zwischen uns hindurch und rannte mit einem lauten Poltern in die Hütte. Sicherlich lauter, als es nötig gewesen wäre, knallte sie die Tür zu. Sehr ungelenk kramte ich den kleinen, zusammengefalteten Schmierzettel aus meiner Hosentasche und faltete ihn auseinander.

„Toni, lass mal nen Kuli rüberwachsen, ich hab Bingo".

„Das gilt nicht", gab sie entschlossen zurück. „Du hast dir Manuel angekreuzt, obwohl Ignacio nie mit ihm zusammen war!"

„Aber er hat ihm das Herz gebrochen. Die haben an einem Abend hinter dem Haupthaus rumgeknutscht, das hast du doch gesehen. Du willst doch nur nicht verlieren"

„Das auch"

„Na meinetwegen" Zum wiederholten Mal quälte ich mich aus der Hängematte, um mir drinnen einen Stift zu suchen.

„Bring mir was zu trinken mit!", rief Toni mir noch zu, als ich die Tür erreicht hatte. Kurzfristig änderte ich meinen Plan. Mit wenigen, schnellen, barfüßigen Schritten hatte ich sie erreicht und kippte das dunkelhäutige, schwarzhaarige Mädchen aus ihrer Hängematte. Mit einem zufriedenstellenden Quietschen landete sie auf dem Holzboden der Terrasse.

„Komm mit und hol dir selber was", grinste ich, während sie sich aufrappelte und mich mit ihren dunklen Augen anblitzte.

„Sadist", murmelte sie.

„Immer", gab ich zurück.

Gemeinsam machten wir uns also auf den Weg nach drinnen. Toni hängte sich im Bad unter den Wasserhahn und ich machte mich in unserem Vierbettzimmer auf die Suche nach einem Kugelschreiber. Erst auf den zweiten Blick fiel mir der Ozelot auf, der sich in Dominos Bett zusammengerollt hatte.

„Alles okay?", fragte ich langsam, während ich an unserem Tisch ihren Namen in meiner Bingotafel durchstrich.

Hau ab, fauchte sie in meinen Kopf.

„Mach dir nichts draus", versuchte ich sie zu beschwichtigen.

Er hat einfach so Schluss gemacht! Nach zwei Wochen! Weil er was mit einer Anderen anfangen will!, fauchte sie wieder. Und jetzt hau ab!, schob sie noch hinterher, als hätte sie gerade festgestellt, dass sie mich eigentlich nicht mochte.

„Ich wohne hier auch, du Kratzbürste", antwortete ich kalt und strich ihren Namen noch paar Mal mehr durch. Leider so aggressiv, dass der etwas ramponierte Zettel, den ich schon seit ein paar Monaten mit mir herumtrug, an der Stelle einriss.

Verpiss dich! Sie fauchte. Da ich absolut nicht scharf darauf war. Mit ihren Krallen in meinem Rücken zu enden, leiste ich ihren Anweisungen lieber schnell Folge.

„Die kann mich mal", murmelte ich Toni zu, als ich sie im Gang wiedertraf.

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