Kapitel 20 - Bitte tu das nicht!

Vor 3 Jahren - Ellas Sicht:

,,Jamie bitte, Ich halte das für überhaupt keine gute Idee. Motorräder sind verdammt gefährlich! Ich habe dir schon mal gesagt, dass du deines verkaufen sollst. Ich will keine Angst um dich haben müssen'', tat ich mein bestes, um meinen sturen Bruder aufzuhalten.

Ich sollte niemanden hassen, aber ich verabscheute den besten Freund meines Bruders dafür, dass er ihn dazu gebracht hatte, mit dem Motorradfahren anzufangen. Ich konnte einfach nicht verstehen, dass der Adrenalinkick es wert war, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Auf keinen Fall wollte ich das Hobby von jemandem verurteilen, aber es passte mir ganz und gar nicht, dass mein Bruder sein Motorrad zu seiner neuen Leidenschaft gemacht hatte. Jamie hatte Mom versprochen, dass er es verkaufen würde, doch hatte es nicht getan. Und als ich dann beim Aufräumen auf seinem Nachtisch einen Prospekt zu einer Motorradtour gesehen hatte, den er von seinen tollen Freunden bekommen hatte, war mir der Kragen endgültig geplatzt. Ich durfte nicht zulassen, dass es so etwas waghalsiges unternahm. Ich war seine Schwester und als die Klügere von uns sah ich es als meine Aufgabe, auf ihn aufzupassen.

,,Jetzt sei doch nicht so, Ella. Ich verspreche dir, dass ich aufpassen werde. Es geht doch nur um einen Ausflug, verdammt! Ich mache das ja nicht zum ersten Mal, also musst du dir da keine großen Sorgen machen. Ich bin ein erwachsener Mensch und werde so oder so gehen. Egal, ob dir das passt oder nicht!'', bestand mein Bruder weiterhin auf sein Vorhaben.

,,Sei doch vernünftig. Du kannst Mom und mich doch nicht allein lassen. Wenn dir irgendwas zustößt .... Ich könnte mir das niemals verzeihen. Jamie, ich bitte dich nie um etwas, aber könntest du wenigstens dieses eine Mal auf mich hören? Wenn du gehst, dann versichere ich dir, dass ich verdammt sauer auf dich sein werde, weil du dein Leben nur für ein bisschen Spaß riskierst!''

Wenn er nicht auf mich hören wollte, dann wusste ich auch nicht mehr, was ich noch tun konnte. Falls meine Worte nicht zu ihm durchdrangen, war die Sache aussichtslos. Ich liebte ihn und das, was er vorhatte, machte mir sehr viel Angst. Jamie war erwachsen und konnte seine eigenen Entscheidungen treffen. Aber das hieß nicht, dass er es besser wusste. Wie oft schon hatte ich in der Zeitung Artikel lesen müssen, wo jemand mit seinem Motorrad verunglückt war. Diese Dinge waren Teufelsmaschinen und alles andere als sicher. Mir kam schon der Angstschweiß, wenn ich mir vorstellte, dass es so einen Artikel über meinen Bruder geben würde. Ich brauchte ihn und eine Welt ohne ihn konnte ich mir absolut nicht ausmalen.

,,Wenn du nicht anders kannst, dann sei halt sauer auf mich, Ella! Ich werde diese letzte Fahrt machen und Mom und dir beweisen, dass eure Ängst völlig unbegründet waren. Mag sein, dass Motorräder waghalsig sind, aber sie gehören nunmal in mein Leben, ob es dir passt oder nicht. Ich bin schon groß und kann selbst meine Entscheidungen treffen. Ich lasse mir das bestimmt nicht von dir verbieten.''

Und mit diesen Worten griff er nach seiner Jacke und Helm und ging zur Tür hinaus. Verzweifelt rannte ich ihm hinterher, doch Jamie ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Er ging zur Garage, wo er das Teil herausholte und setzte sich bereits drauf.

,,Jamie. ich bitte dich. Tu das nicht!'', war mein letzter Versuch, ihn umzustimmen, doch es war zwecklos. Am Ende würde ich ihn nicht aufhalten können, weil er selbst dafür verantwortlich war, was er tat und was nicht.

,,Geh zu Seite, Ella. Wir sehen uns dann heute Abend. Hab einen schönen Tag.''

Das waren die letzten Worte, die ich von ihm zu hören bekam. Jamie fuhr unsere Einfahrt hoch und gelangte zur Straße, der er kontinuierlich folgte. Ich fühlte mich machtlos und hoffte einfach nur, dass er heil wieder nach Hause zurückkommen würde. Etwas anderes konnte ich in dieser Situation nicht tun.

Hatte ich noch mehr sagen sollen, das ihn umgestimmt hätte?

Hätte ich es doch irgendwie verhindern können, dass er losfuhr?

Für diese Fragen bekam ich keine Antwort, weil es zu spät war. Jamie hatte sein Motorrad nicht verkauft und hatte nicht auf Mom und mich gehört. Er war gegangen und ich machte mir riesige Sorgen um ihn. Wenn das hier unser letztes Gespräch war, hatte es aus wütenden Worten und Verzweiflung bestanden. Und dabei hatte ich es doch nur gut gemeint. Mein Bruder war mir wichtig und es tat umso mehr weh, dass er es wirklich durchgezogen hatte. Ich war kein gläubiger Mensch, an diesem einen Tag jedoch betete ich dafür, dass er gesund wieder bei uns sein würde.

***

Als Jamie nach mehreren Stunden nicht wiederkam, war meine Geduld am Ende. Ich hatte bereits Mom angerufen und ihr gesagt, was er vorhatte und diese war ausgerastet. Ich versprach ihr, mich zu melden, wenn ich etwas Neues zum Verbleib wusste. Die Polizei war informiert und ich wartete nur darauf, dass sie uns mitteilte, wo er denn nun war.

Nichts hätte mich auf den Moment vorbereiten können, als es an der Tür klingelte und ich ernsten Gesichtern von zwei Beamten entgegen sah, die ihre unverkennbare Uniform trugen.

,,Da sind Sie ja. Was ist mit Jamie? Geht es ihm gut? Wo ist er'', sprudelten mehrere Fragen aus mir heraus und einer der Polizisten legte mitfühlend einen Arm auf meine Schulter. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

,,Dürfen wir reinkommen, Miss Parker? Wir haben ihren Bruder gefunden und es gibt leider eine bedauernde Mitteilung, die wir Ihnen überbringen müssen.''

Es war, als ob meine Welt für eine Sekunde stillstehen würde. Ich nahm nur noch ein schmerzliches Ziehen in meiner Brust wahr und hätte am liebsten laut losgebrüllt.

Ich musste mich verhört haben. Jamie ging es gut. Vielleicht hatte er nur einen kleinen Unfall gehabt und war nun im Krankenhaus. Er würde nach Hause zurückkommen und wir könnten uns beide um den Hals fallen und uns beieinander entschuldigen, dass wir uns vorhin so heftig gestritten hatten. Etwas anderes würde ich nicht akzeptieren. Mein Bruder musste doch dabei sein, wenn ich in ein paar Tagen mein Diplom bekam und meinen Verlobten heiratete. Ein Leben ohne ihn war ausgeschlossen.

,,Miss Parker. Ihr Bruder Jamie wurde am Rand der Straße gefunden. Er muss von einem Auto erfasst worden und sofort tot gewesen sein. Unser aufrichtiges Beileid an Sie und Ihre Familie.''

Das war der Tag, an dem meine Welt für immer zerbrach, weil mein Bruder nicht mehr da war. Sie zerbrach in tausende von Einzelteilen und würde sich nie mehr zusammensetzen lassen. In mir starb etwas und ich wollte nur noch aus diesem beschienen Albtraum aufwachen, der bedauerlicherweise die bittere Realität war.

1118 Wörter

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