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**Emilio**

Nightmare Unleashed.
Was für ein beschissener Name. 
Und noch beschissener ist es, dass diese seltsamen halb nackten Kerle, die ihre Show liefern, hier waren, was für eine  beschisse Veranstaltung. Wer setzt sich freiwillig Hörner auf und macht anderen Angst damit?! 
Ich verschränkte meine Arme. 
Aber Lizzy hatte daran unheimlich Spaß, sie jubelte den Typen zu. 
Ich verdrehte die Augen. 
„Eifersüchtig?“ fragte Christian. 
„Was? Nein. Natürlich nicht.“ Mein Ton war eher ein Brummen, und Christian lachte. 
Cedric stand genauso mit verschränkten Armen neben mir, worauf die Nervensäge wieder lachte. 
„Hannah guckt sich das aber auch gut an.“ 
„Die Kerle sind maskiert, worauf soll ich eifersüchtig sein? Wer weiß, wie die aussehen, wenn die Masken weg sind?“ sagte Cedric selbstbewusst. 
Der Kerl hatte leicht reden, sieht aus wie ein Model und sein Charakter stimmte auch. 
Ich räusperte mich, was bei mir ganz anders aussah. „Gut, dass ich Single bin, da muss ich mir keine Gedanken machen.“ murmelte Christian, und ich schnaubte. „Ich bin auch Single.“ 
„Und irgendwie auch nicht!“ 
Und ich verdrehte wieder die Augen und sah zur Seite. 
„Wollte dein alter Herr nicht, dass du langsam heiratest?“ fragte ich und hatte sofort einen Kloß im Hals. Seit ich wusste, wie Lizzy unter diesem Heiratsthema zu leiden hatte, wollte ich auch nicht drüber reden. 
„Ja, der will aber auch, dass ich meine Medikamente hochdosiere, damit ich nicht so viel labere, weil es ADHS angeblich nicht gibt.“ seufzte er. „Oder dass ich aufhöre, in der Werkstatt zu arbeiten.“ 
Ich hörte ihm zu und sah, wie Cedric sich löste und auf Hannah zusteuerte. 
Waren ihm die halb nackten Typen doch nicht so geheuer, wie es aussieht. 
„Ich meine, irgendwo hat mein Vater Recht. Wenn ich das so sehe, will ich auch jemanden haben.“ 
„Oh, nicht du auch noch, Christian.“ 
Er verschränkte nun die Arme genauso wie ich und sah diesen kostümierten Affen zu, wie sie herumstiefelten und Leute erschreckten. Einer kam Lizzy gefährlich nahe, ich versteifte mich. 
„Ach bitte, schau doch mal, wie du Lizzy beschützt. Wer will sowas nicht?“ 
„Beschützen?! Bist du dumm?“ 
Er lachte und klopfte mir auf die Schulter. 
„Cedric hat Hannah, du hast Lizzy und ich hab das Chaos in meinem Kopf.“ Er tippte sich gegen seinen Schädel und lachte bitter. 
„Ich habe überhaupt nichts. Solche Beziehungen führen einen nur in den Abgrund.“ 
„Vergleich dich nicht mit deinen Eltern, Emilio.“ 
Und sofort raste mein Herz. 
Bilder davon, wie sich meine Eltern stritten, wenn sie wieder zu viel getrunken hatten, kamen über mich. 
Ich hörte das Geschrei meiner Mutter genauso, als wäre es jetzt in diesem Moment. Ich sah die Decke, die ich über meinen Kopf gezogen hatte, vor meinem Auge. Ich hörte die Beleidigungen meines Vaters gegen meine Mutter und… mir gegenüber. 
Gerade als ich merkte, dass dieser Flashback mich verschlingen wollte und meine Hände zitterten, packte mich etwas. „Alles in Ordnung?!“ 
Ich schnappte nach Luft, kam ins Hier und Jetzt zurück und sah in dunkle blaue Augen voller Sorge. 
Ich sah Lizzy an. „Was? Na-türlich.“ murmelte ich und strich mit zitternden Händen durch meine Haare. 
„Du lügst do-“ wollte sie gerade sagen, als eine fremde Frau: „Oh mein Gott!“ rief. 
Ich sah von Lizzy hoch, und Lizzy drehte sich um. 
Wir sahen Hannah, die auf einen Cedric blickte, der sich hinkniet hatte und irgendwas sprach. Sie hatte die Hände vor ihrem Mund geschlagen. 
Alle Frauen drumherum schmolzen dahin und wollten wahrscheinlich nur zu gerne an Hannahs Stelle stehen, nur… 
Ich spürte, wie Lizzy tief ausatmete. Ihr Knoten im Bauch war beinahe spürbar, aber sie sah ihn und versuchte die ganze Zeit, ihr Lächeln zu behalten, was immer wieder verschwand. 
Cedric öffnete mit zitternden Händen die kleine dunkelrote Box und Hannahs Augen wurden riesig. 
Ich gönnte es beiden wirklich von Herzen. Wir hatten die Monate so viel Angst um Cedric, nachdem er im Koma lag, dass man nichts anderes konnte, als sich zu freuen. Und ich wusste, dass sich Lizzy auch freute, auch wenn sie gerade emotionslos hinstarrte. Ihr Gesicht verriet nichts, ihre Augen aber alles. 
Innerlich tobte in ihr ein großer Kampf. 
Sie freute sich, andererseits starrte sie sehnsüchtig auf die Szene und wünschte sich nichts mehr, als dass jemand sowas auch für sie tat. Und dann hatte sie noch das unheimlich schlechte Gewissen Hannah, ihrer besten Freundin gegenüber, dass sie nicht so voller Freude sein konnte, wie sie es eigentlich sollte. 
„Ich… ich muss ins Hotel. Sag Hannah, ich bin müde.“ Sie biss sich auf ihre Lippe und ging im schnellen Gang weg. 
Ich sah ihr nach und seufzte. 
Christian sah an mir vorbei, stirnrunzelnd, und sah Lizzy ebenfalls nach. „Was hat sie denn?“ fragte er. „Ihr… geht es wohl nicht so gut.“ murmelte ich. 

Eine Stunde später kamen wir anderen im Hotel an. 
Während Cedric und Hannah wild kichernd ihr Zimmer betraten, wartete ich darauf, dass Christian unseres öffnete. 
Ich betrat das Zimmer genervt und zog mein Shirt aus. 
Der Schweiß aus der dunklen Geisterbahn klebte noch an mir, und ich warf das Shirt in meinen offenen Koffer. 
„Ich muss duschen.“ murmelte ich. 
„Haaaa! Vergiss es! Ich bin zuerst dran!“ rief Christian sofort, sprang vom Bett auf, schubste mich zur Seite und lief in die Dusche. 
Ich stand einfach nur genervt da und schüttelte den Kopf. 
Ich setzte mich aufs Bett und nahm mein Handy aus der Hosentasche. 
Mein Finger schwebte über Lizzys Namen, doch anrufen tat ich nicht. Meine freie Hand wischte über mein Gesicht, ich seufzte. 
Anrufen nicht, aber eine Nachricht werde ich wohl schaffen. 
„Ist alles in Ordnung?“ 
Und zack! Auf senden. 
Doch es kam keine Antwort. Auch nicht, als Christian aus der Dusche kam und auch nicht, als ich aus der Dusche kam. 
Fuck, ich machte mir selten Sorgen, aber dass dieser Wirbelwind sich überhaupt nicht meldete, war ungewohnt. 
Ich zog mir ein größeres Hemd drüber, eines, was ich meistens zum Schlafen nutzte, strich mir nochmal über meine feuchten Haare und sah Christian an. „Ich schau eben nach Lizzy.“ sagte ich und öffnete die Tür. 
„Lizzy? Junge, du hast keine Schuhe an.“ 
Wen jucken Schuhe? Hier war doch sowieso alles voller Teppichboden, und die waren nicht dreckig. 
Als die Tür geschlossen war, peilte ich das vorletzte Zimmer an. 
Der schwarze Teppich unter meinen Füßen war weich, man hörte meine Schritte nicht. 
Ich klopfte an Lizzys Hotelzimmer, doch sie öffnete nicht. 
Ich klopfte lauter. 
„Ich bins. Mach auf. Ich… mache mir Sorgen.“ 
Und Gott, wie ich mir Sorgen machte. 
Ich wusste überhaupt nicht, dass ich mir Sorgen machte. Konnte über eine Person, die nicht ich war. 
Aber irgendwas regte sich tief in mir, nur wenn ich sie sah. 
Sie machte mir eine heide Angst, forderte mich heraus auf einer ganz tiefen Ebene. Gerade, als ich fluchen wollte, öffnete sich die Tür, und Lizzy starrte mich mit geröteten Augen an. Ihre Schminke um die Augen herum war verschmiert. 
Ende. 
Ich drängte sie etwas zurück ins Zimmer, schloss die Tür und packte ihren Kopf, um sie zu küssen. 
Ich erkenne mich selber nicht mehr wieder.

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