097. Bergsteiger

Ein kleiner Babylapin grub verzweifelt im Schnee bei einer mit Krallen besetzten Pfote.

Seine Pfoten waren bereits wund vor Kälte, doch es machte weiter.

Tränen rannen dem kleinen Tier über das Gesicht und es jammerte verzweifelt.

Ruffy und ich schritten wortlos näher.

Mein Bruder packte die große Pfote des vergrabenen Lapins und zog diesen aus dem Schnee.

Danach liefen wir einfach weiter.

Der Lapin und sein Junges schauten ihm hinterher.

Ruffy trug Nami auf seinem Rücken, die seine Jacke zusätzlich zu ihrer um die Schultern gelegt bekommen hatte.

Ich trug wieder meine dunkelblaue.

Ich dachte, dass Ruffys Jacke unsere Freundin besser wärmer konnte als meine, da sie größer war, darum hatte ich die Jacken getauscht.

Ich lief neben und ein wenig hinter dem Strohhutträger und fing allmählich an zu keuchen.

Betrübt lief ich durch den Schnee. Ruffy hatte mir zwar vorgeschlagen, dass er mit Nami und Sanji zum Schloss gehen könne, während ich nach meinem Gürtel suchen konnte, doch ich hatte abgelehnt. Ich konnte meinen Bruder mit den zwei Verletzen beziehungsweise Kranken nicht alleine lassen!

Der Grund, warum der Gürtel plötzlich aufgegeangen war, war wahrscheinlich der, dass ich nach dem letzten Wasserlassen, ihn nicht richtig wieder zugemacht hatte und bei den Erschütterungen der Lawine war er dann ganz aufgegangen.

Wir mussten kurz stehen bleiben, damit ich den bewusstlosen Sanji auf meinem Rücken in eine bessere Lage rücken konnte.

„Ich kann Sanji auch nehmen!", meinte Ruffy ruhig.

„Nein!", widersprach ich. „Du bist viel zu dünn angezogen und trägst mit Nami schon eine große Verantwortung! Sanji trage ich!" Ruffy und ich waren zwar Zwillinge, aber trotzdem verhielt er sich manchmal wie der große Bruder... Und ich fand das in Ordnung. So war es schon unser ganzes Leben lang gegangen. Im Gegenzug durfte ich auch mal die große Schwester spielen, aber eigentlich... Ruffy war ja auch schließlich der Kapitän und nicht ich.

Damit beließen wir es vorerst und stapften weiter durch den Schnee Richtung Berg. Ich hoffte so sehr, dass sich das ganze hier lohnen würde.

„SIRE! DA SIND SIE!!", hörten wir plötzlich jemanden hinter uns rufen.

Ruffy und ich drehten uns fragend um.

Auf einem komischen Nilpferd mit Pelz kam ein alter Bekannter angeritten.

Warpol saß zusammen mit dem Typ mit dem Afro und dem Kerl, der aussah wie ein Hofnarr im Sattel.

Was machten die denn hier? Könnte es möglicherweise sein, dass das hier das Land Drumm ist, von dem Warpol neulich gesprochen hatte?

„Stopp!!!", rief der Möchtegernkönig, als er bei uns angekommen war. „Wie konntest du mir das antun?", fragte er an Ruffy gewandt.

„Lass uns vorbei!", verlangte Ruffy bloß ernst.

„HOHOHO!! WARUM SOLLTE ICH?!! Habt ihr's eilig wegen eurer Freunde?", kam es gehässig zurück.

Wir beide blickten Warpol noch ernst an, dann drehten wir uns gleichzeitig wortlos um und liefen unseren Weg weiter.

„WARTET!!!"

Ruffy und ich hörten gar nicht auf ihn und gingen weiter.

„Ich weiß ein neues Gesetz", hörte ich Warpol hinter uns knurren. „Schreib auf, Chess!"

„Jawohl!", gehorchte eine unbekannte Stimme. Durch den Nané-Blick konnte ich sehen, dass sie zum Hofnarren gehörte.

„'Tod wegen Ignorieren'", diktierte der Lilahaarige. „ZUERST DIE VERWUNDETEN!! DIE HABEN NICHT MAL AUFGEGUCKT!!!"

„Jawohl, Sire!", sagten Chess und der andere Typsi synchron und nahmen die Verfolgung auf.

„Wie?", kam es gleichzeitig von Ruffy und mir.

„Mon dieu! Ihr seid Hackfleisch!!", rief der Afro-Mann und schlug mit seinem Handschuh nach uns, der aussah wie sein Afro und mit Stacheln verziert war.

Wir wichen rechtzeitig aus.

Ruffy war drauf und dran zurückzuschlagen, doch ich warnte ihn: „Nicht, Ruffy! Schon vergessen? Keine planlosen Attacken!!"

Ruffy schnaubte, sah es aber ein und wir rannten davon.

Der Hofnarr schoss mit drei Pfeilen gleichzeitig nach uns, über die wir hinwegsprangen.

Schnell sprinteten wir weiter. Ich versuchte Sanjis Gewicht einfach zu ignorieren.

Plötzlich warnte mich mein Nané-Instinkt. „Warte, Ruffy!!!"

Ich bog vor dem kleinen Schneehügel vor uns ab, als Warpol, der sich als ebendiesen Hügel ausgegeben hatte, nach uns schnappen wollte.

Ruffy hatte meine Warnung noch gehört und sprang außer Beißweite.

Auf einmal kamen die anderen zwei aus dem Schnee geschossen und zielten von beiden Seiten mit ihren Waffen auf uns.

„SO KÄMPFT MAN IM SCHNEE!!!"

„ICH SCHIESS EUCH AB!!"

„STOOOOOOPP!!!", riefen Ruffy und ich gleichzeitig.

Unser Hilferuf wurde erhört, denn es sausten zwei Lapins herbei und knockten unsere Angreifer aus.

Ruffy und ich blinzelten verdutzt. „Eisbären...", meinte mein Bruder.

„Lapins!", korrigierte ich ihn.

Warum halfen die uns?

Der eine Lapin drehte sich um. Auf seinem Rücken saß das Lapinjunges. Das waren die Lapins, denen Ruffy vorhin geholfen hatte!

Schnell rannten wir davon und bedankten uns bei den Lapins. „Danke, Flauschi!!!"

Warpol, Chess und der dritte Typ wollten uns immer noch verfolgen, wurden allerdings von den Lapins aufgehalten.


Es hatte wieder angefangen zu schneien und der Wind blies immer kälter mit jedem Meter, den wir höher kamen.

Für mich war das ja schon schwierig, wie musste das dann für Ruffy sein, der in Sommersachen herumlief?!

Nach einer Weile hörte ich ihn etwas murmeln, immer dasselbe... „Zum Doc... Zum Doc... Zum Doc..."

Ich passte meine Schritte seinen Worten an, so lief ich regelmäßiger. „Zum..." Schritt „... Doc..." Schritt „Zum..." Schritt „Doc..." Schritt...

Nach einer Ewigkeit gelangten wir am Fuß des zylinderförmigen Berges an.

Kurz blickten wir noch auf den Boden, dann, wie auf Kommando, schauten wir gleichzeitig auf.

„Wo ist der Gipfel?", wollte Ruffy erschöpft wissen.

„Zu weit oben", murmelte ich.

Minutenlang standen wir so da und guckten einfach nach oben.

Aber das würde Nami und Sanji auch nicht helfen.

„Wir müssen da hoch...", stellte ich leise klar.

„Gib mir Sanji!", verlangte Ruffy.

„Nein!", protestierte ich. „Das schaffst du gar nicht! Nami UND Sanji?!!"

Okay, das war gelogen, das wussten wir beide... Aber ich wollte nicht, dass mein Bruder sich überanstrengte!

„Ich bin schon an sich nicht begeistert davon, dass meine Schwester da hochkraxeln muss... Wenn sie noch einen Typen tragen muss, der fast doppelt so schwer ist wie sie, würde sie unweigerlich dabei draufgehen!!", sagte Ruffy ruhig, aber bestimmt. Ruffy, der große Zwillingsbruder.

Ich schwieg.

Er hatte recht, ich würde das nicht schaffen... Aber...

Ehe ich etwas machen konnte, nahm Ruffy mir unseren Schiffskoch ab und trug ihn halb neben, halb über Nami auf dem Rücken. „Kannst du Sanji festbinden?"

Ich zögerte erst noch, dann gehorchte ich.

Mit Ruffys Jacke befestigte ich unsere beiden Freunde noch sicherer am Rücken meines Bruders als sie eh schon waren.

Als nächstes zogen wir beide Handschuhe, Schuhe beziehungsweise Sandalen und in meinem Fall noch Socken aus und verstauten alles.

Der kalte Schnee brannte an meinen nackten Füßen, doch ich ignorierte das, genauso wie das nicht enden wollende Zittern.

Es gab ein paar Stellen in Ruffys rotem Gesicht, die bereits blau waren und ich wettete, dass ich nicht viel besser aussah.

Wir schauten abermals nach oben.

Na dann... Los ging's!


Zwei Stunden später:

Das war die Hölle.

Zwar nicht ganz so schlimm, wie Glamorias Käfig voller Nená-Essenz, aber fast...

Ich spürte am ganzen Körper Schmerz, der immer stärker wurde. Allmählich wurde es verdammt schwer, ihn zu ignorieren.

Es war scheißkalt, meine Finger und Zehen taten weh, der Wind heulte immer stärker... als würde er nicht wollen, dass wir bei unserem Ziel ankämen.

Ruffy war etwa fünf Meter weiter als ich.

Keuchend kletterte ich weiter.

Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich tot wäre, hätte ich es ihm geglaubt.

Aber ich durfte auf keinem Fall so denken! Wir mussten unbedingt hoch!

Wie viele Meter wohl schon hinter uns hatten? Vielleicht konnte jetzt schon von Kilometern die Rede sein? Ich wollte gar nicht daran denken, ich hatte nämlich Höhenangst.

Ruffys Jacke war bereits ziemlich am Anfang weggeflattert und lag jetzt irgendwo in den unendlichen Weiten des Schnees.

Aua! Ich hatte mir die Haut bei meinen Fingern aufgerissen und sie bluteten.

Immer... weiter... nach... oben... zum... Schloss... zum... Doc... Immer... weiter...

Plötzlich schrie Ruffy über mir schmerzhaft auf und riss mich aus meinem Selbstansporn.

Im nächsten Moment rutschte mein Bruder an mir vorbei und riss sich seine Finger und Zehen noch weiter auf, als sie ohnehin schon waren. Man sah eine beträchtliche Menge an Blut.

Ungefähr zehn Meter unter mir kam er zum Halt.

„Alles okay?", fragte ich laut nach.

„Ja", hörte ich leise durch das Heulen des Windes.

Immerhin konnte ich jetzt eine kurze Pause einlegen.

Keuchend klammerte ich mich an die steinerne Senkrechte und schloss die Augen.

Ich hörte, wie Ruffy wieder die verlorenen Meter hochkletterte. Sein Schnaufen kam immer näher.

Irgendwann hatte es mich eingeholt und schließlich überholt.

Es war kalt.

So kalt...

Als Ruffy wieder einige Meter Vorsprung hatte, riss ich mich zusammen und machte mich wieder ans Klettern.

Meine Gliedmaßen wurden taub.

Ich wusste gar nicht, wie ich es schaffte, weiterzukommen...


Weitere eineinhalb Stunden später:

Inzwischen kletterten wir auf Höhe der Wolken, deswegen konnte ich Ruffy nicht mehr sehen.

Mit dem Nané-Blick konnte ich das sicherlich, doch wenn ich mich jetzt darauf konzentrieren würde, würde mein Hirn platzen.

Ich folgte einfach der Blutspur, die durch Ruffys Finger und Zehen entstanden ist, und dem durchgängigem Schnaufen meines Bruders, was mir gleichzeitig sagte, wie viel Vorsprung er hatte.

Nach einer Weile hielt ich plötzlich inne.

Ich schnappte keuchend nach Luft und presste meine Stirn gegen den Berg.

„Alles okay, Ally?", hörte ich Ruffys Stimme aus dem Wolkendunst zu Tode erschöpft nachfragen.

Nein!

„Ja...", keuchte ich.

Nein! Nichts war gut... Mein Nané-Instinkt und mein eigener Körper verrieten mir etwas, was mir momentan überhaupt nicht in den Kram passte.

Ich kletterte weiter.

Auf einmal sah ich Ruffy neben mir. Er hatte auf mich gewartet. „Sicher, dass alles in Ordnung ist?"

Ruffy befand sich in genau der gleichen Situation wie ich... ihm war verdammt kalt, wenn er die Augen schloss, hätte er locker als Leiche durchgehen können, die wegen Erfrieren zur dieser geworden war, seine Finger und Zehen bluteten und er trug zwei Personen auf dem Rücken... Und trotzdem machte er sich Sorgen um mich.

Unter anderen Umständen würde ich heulen.

Meinen Bruder würde ich für absolut gar Nichts eintauschen wollen!!!

„Ja...", keuchte ich. „Alles... in Ordnung..."

Ruffy kletterte nicht weiter, sondern schaute mich weiterhin an. Er wusste, dass ich log.

Ich keuchte noch ein paarmal, dann nahm ich meine letzten Kräfte zusammen. „Ruffy... Tut mir leid...!! Ich wette, es ist nicht mehr weit bis oben!"

Mir fielen die Augen zu und ich spürte, wie sich meine Hände vom Stein lösten.

Langsam kippte ich nach hinten.

Dann übermannte mich die Dunkelheit.

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