Kapitel 5

Der Bass zerfetzte beinahe mein Trommelfell.
Ich wusste nicht, was ich hier tat, warum ich mir das überhaupt an tat, aber ich schätze, da war wohl mein Beschützerinstinkt zum Vorschein gekommen. Es war nämlich der Geburtstag von Sofie und sie hat Emma eingeladen. Leider auch diesen Philip und da Emma auf die Party wollte, hatte ich mich bereit erklärt, ein bisschen Bodyguard zu spielen.

Doch nun stand ich wie ein Kleiderständer in der Ecke und verzog das Gesicht, da die Musik viel zu laut war. Ich verstand nicht, warum die Leute so ein großes Ding aus Partys machten. Es war einfach nur laut und eng.

»Mag, lass uns tanzen.«

Meine Schwester kam auf mich zu getaumelt. Sie hatte schon einiges intus, was man auch an ihren Atem riechen konnte.

»Nein, ich will nicht«, gab ich zurück und fuhr mir durch die Haare. Die Luft hier drinnen war geschwängert von Schweiß, Alkohol und sämtlichen Parfums. Es war einfach nur stickig und ich wollte hier weg.
»Lass uns besser nach Hause gehen«, brummte ich und sah meine Schwester an, die ein übertrieben trauriges Gesicht machte.

»Waaaas? Die Party hat doch gerade angefangen. Na los, hab dich nicht so«, meinte Emma fröhlich und drehte sich einmal um sich selbst, was ihr schwarzes Kleid zum Fliegen brachte. Ihre roten Haare klebten ihr teilweise schon an der Stirn, da sie kurz vorher alleine getanzt hatte oder besser gesagt, sie war herum gehüpft, wie eine Verrückte.

Ich schluckte. Ich hatte keine Lust mehr auf diesen Zirkus hier. Ich kannte keinen von diesen Leuten, außer Sofie, obwohl kennen auch nicht wirklich das richtige Wort war. Ich hatte ein paarmal mit ihr gesprochen und sie gesehen, weil die oft bei uns war, aber das war's auch schon.

Emma griff nach meiner Hand und zog auffordernd daran.
»Komm schon. Mach dich locker.« Sie kicherte und strich sich die Haarsträhnen hinters Ohr, die an ihren Lippenglos bestrichenen Lippen klebten.

Augenverdrehend ließ ich mich von ihr auf die Tanzfläche ziehen und wiegte mich leicht im Takt, während Emma wieder anfing, wild herum zu springen, was mit ihren Schuhen sehr gewagt war. Ich könnte in diesen Hacken nichtmal laufen.

Irgendwann wurde mir das ganze aber zu bunt.
»Emma, wir gehen jetzt«, meinte ich entschlossen. Diesmal war ich es, der nach der Hand meiner Schwester griff und sie mit mir zog. Natürlich wehrte das Mädchen sich und riss sich los.

»Was soll denn das? Ich will noch nicht gehen?«

Ich spürte, wie sich die Blicke der anderen auf uns richteten und wurde nervös. Innerlich betete ich einfach, dass Emma widerstandslos mit mir mit kommen würde, doch dafür war es wohl nun schon zu spät.

Philip drängte sich durch, bis er vor mir stand.
»Was ist hier los?«, fragte er, als würde ihn das auch nur irgendwas angehen.

»Mag will, dass ich mit ihm nach Hause komme, aber ich will noch hier bleiben«, lallte meine Schwester. Man konnte sie so doch nicht mehr ernst nehmen.

»Warum willst du denn so unbedingt nach Hause? Geh doch und lass deine Schwester hier. Sie ist alt genug, um selbst entscheiden zu können«, sagte Philip an mich gewandt.

Emma kicherte nur hinter vorgehaltener Hand.
Viel brauchte es nicht mehr und mir würde der Kragen platzen. Ich hasste diesen Typen und ich würde meine Schwester ganz bestimmt nicht hier alleine lassen, wenn der noch frei herum lief.

»Was mischst du dich überhaupt ein? Das ist ja wohl eine Sache zwischen mir und meiner Schwester«, meinte ich und schluckte.

Philip grinste nur. »Das hier ist ein freies Land. Jeder sollte selbst entscheiden können, was er wollte und was nicht und deine Schwester will hier bleiben.«

»Meine Schwester ist betrunken. Sie kann doch gar nicht mehr wirklich sagen, was sie will«, fauchte ich zurück. Ich packte Emma am Handgelenk und wollte sie mit nach draußen ziehen, doch Philip zog mich zurück, so dass ich zu Boden flog.

»Was soll das?«, zischte ich. Inzwischen hatte sich eine kleine Menge um uns versammelt.

Ich sprang auf und rannte auf Philip zu. Wütend ballte ich meine Hände zu Fäusten und griff an. Philip war nur leider viel kräftiger als ich und es blieb nicht bei diesem einen Mal, das ich dem Boden hallo gesagt hatte. Hart prallte ich gegen den Oberkörper, der sich so anfühlte, als wäre er aus Stahl.

Emma hatte aufgehört zu kichern und sah erschrocken zu uns.
»Hört auf, bitte.« Ihre Stimme zitterte und ich wusste, dass sie sich gerade in diesem Moment schuldig fühlte.

Philip schlug mir ein blaues Auge und meine Nase fing an zu bluten. Als ich auch noch die Faust spürte, die mir einen harten Kinnhaken verpassten, fuhr ich mit der Zunge kurz über meine Zähne, um zu prüfen, ob noch alle da waren, was zum Glück der Fall war.

»So, und jetzt hau endlich ab!«, schrie er mir entgegen.

Mein Herz hämmerte und ich stand auf. Ich nahm die Beine in die Hand, wie ein Feigling, packte meine Schwester am Handgelenk und stürmte durch die Tür nach draußen.

Während dem Nachhauseweg sagte Emma kein Wort. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Ich konnte nicht sagen, ob es deswegen war, weil sie sich so konzentrieren musste, geradeaus zu gehen, oder ob die Schuldgefühle an ihr nagten.

Als wir Zuhause angekommen waren, hatte uns unsere geschockte Mutter empfangen.
»Magnus. Um Gottes Willen! Was ist denn mit dir passiert?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, hatte sie mir ein Kühlpad geholt und auf meine Nase und mein Auge gedrückt. Emma hatte ihr dann erzählt, was passiert war, nachdem sie ein Glas Wasser getrunken hatte.

»Du bist betrunken. Du gehst dich jetzt am besten sofort hinlegen«, meinte meine Mutter und zu meiner Überraschung ging Emma ohne Widerrede nach oben in ihr Zimmer.

Meine Mutter wartete noch, bis sie die Zimmertür hörte und fing dann an, mit ihrer Was-hast-du-dir-dabei-gedacht-Prädigt.
»Ich hasse diesen Typen. Ich hasse ihn einfach. Er ist unsympathisch und ein dummer Idiot«, sagte ich nur und zuckte mit den Schultern. Ich musste richtig aufpassen, um nicht noch ganz andere Begriffe zu nennen.

Meine Mutter wusste, dass ich kein Schläger war, weshalb sie mir glaubte, als ich ihr erzählte, wie genau das passiert war.
»Du gehst dich jetzt auch besser hinlegen. Schlaf ist immer noch die beste Medizin«, sagte sie, als ich geendet hatte und ich nickte. Ich hatte nichts dagegen, schlafen zu gehen. Mein ganzer Körper schrie bereits nach meinem Bett.

Müde schleppte ich mich die Treppen nach oben und ließ mich dann einfach, so wie ich war, mit Blut auf meinem hellblauen Shirt, ins Bett fallen. Ich war so kaputt.
Brummend drehte ich mich auf die Seite und seufzte. Was war Philip bloß für ein Arschloch.

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