Kapitel 25
Wir saßen auf meinem Bett, ich an ihn gelehnt und erzählend. Oscar hörte zu. So wie immer.
»Krass. Emma und Philip? Das kann ich irgendwie nicht glauben«, war alles, was er dazu sagte.
Ich zuckte bloß mit den Schultern und schüttelte langsam den Kopf.
»Ich weiß langsam nicht mehr, was ich glauben soll und was nicht«, nuschelte ich und presste mich enger an den warmen Körper von Oscar. Er tat mir so gut und ich war froh, dass ich nun endlich langsam mich diesem Gefühl hingeben konnte. Ich wusste, dass Oscar mich nicht mehr verlassen würde.
Plötzlich kam mir eine Idee und ich fragte mich, warum sie mir nicht früher gekommen war.
Ich tastete nach meinem Handy und entsperrte es. Meine Hände zitterten so heftig, dass ich bei den ersten Versuchen kläglich scheiterte, doch beim zweiten erschien mein Homebildschirm.
Ich ging auf meine Kontakt und durchsuchte mein Handy hektisch, bis ich schließlich auf die Nummer von Philip stieß. Ich hatte sie Mal eingespeichert ohne wirklichen Grund, aber nun hatte ich einen.
Ich rief ihn an und wartete ungeduldig, doch es piepte nur und am Ende ging die Mailbox dran.
»Dieser verdammte Arsch geht nicht ran«, fluchte ich leise vor mich hin und versuchte es noch zweimal, aber es war wieder das gleiche.
Oscar seufzte und betrachtete mich, wie eine Mutter ihr krankes Kind ansah.
Genervt blickte ich in seine Augen.
»Was?«
»Ich weiß nicht. Du wirkst so, als würdest du gleich hyperventilieren«, gab Oscar zurück und nahm mir das Handy aus der Hand.
Sofort wollte ich wieder danach greifen, doch Oscar hielt mich mit einem Arm zurück und die Hand mit meinem Handy hoch in die Luft, so dass ich es auf gar keinen Fall erreichen konnte.
»Du hast dich heute schon genug aufgeregt. Jetzt ist Schluss. Du weißt doch genau, dass Stress nicht gut ist.«
Seine Stimme klang so ruhig, dass man meinem könnte, ich würde mich gerade über ein Mathekapitel aufregen, das ich nicht verstand.
Kapierte Oscar denn nicht, um was es hier ging?
Ich konnte mich doch nicht entspannt zurück lehnen, während ich nicht wusste, wo meine Schwester war und wie es ihr ging.
»Gib mein verdammtes Handy! Du Arsch!«
Ich streckte mich und versuchte an mein Handy zu gelangen, aber es war zwecklos.
Mit einem frustrierten Seufzen ließ ich mich zurück in mein Kissen sinken und verschränkte meine Arme vor der Brust. Was eine Frechheit! Ich konnte es nicht fassen.
Oscar betrachtete mich einige Sekunden schweigend, bevor er mein Handy vorsichtig auf meine Kommode neben den Bett legte und sich auch neben mir niederließ.
»Emma wollte das. Sie liebt ihn offenbar. Das hast du selbst gesehen. Ich bin sicher, dass es ihr gut geht«, hauchte der Junge neben mir in mein Ohr.
»Erzähl du mir nicht, was Emma will und was nicht. Du kennst sie doch gar nicht. Emma würde niemals mit so einem schmierigen Typen einfach abhauen! Niemals würde sie das tun und diese Nachrichten...die sind bestimmt gefälscht«, feuerte ich zurück. Ich wollte nichts mehr davon hören. Ich konnte keine Ruhe geben. Es ging einfach nicht. Nicht solange Emma noch irgendwo da draußen mit diesem Philip herum rannte.
Oscar seufzte und setzte sich auf.
»Das stimmt. Ich kannte sie wirklich nicht gut, aber ich kann mir vorstellen, wie es ist, jemanden so zu lieben. Du nicht?«
Ich kniff die Lippen zusammen.
»Ich würde nicht deswegen einfach abhauen.«
Oscar strich mir eine Locke aus dem Gesicht und sah mich weiterhin ruhig an.
»Denk doch Mal nach, Mag. Jeder Mensch, der ihr wichtig war hätte sie wegen dieser Liebe gehasst. Eure Mutter, weil sie nicht will, dass ihre Tochter mit einem Typen zusammen ist, der ihren Sohn verprügelt hat und Sofie, weil es ihr Freund war und...und du. Naja sieh dich an. Du kannst Philip nicht ausstehen und das weiß Emma. Du hättest diese Liebe nicht akzeptiert und vielleicht wollte Emma davor fliehen und hat nicht groß nachgedacht.«
Ich hörte mir alles an und dachte nach. Natürlich klang das logisch, aber sie hätte wenigstens einen Zettel schreiben können oder abheben, wenn man sie anrief. Jetzt fühlte es sich eher so an, als wäre sie gestorben und nicht einfach nur durchgebrannt.
»Nimm sie nicht in Schutz. Das ist meine Aufgabe«, brummte ich nun schon etwas ruhiger.
Oscar lachte leicht und wuschelte durch meine Haare.
Er ließ sich langsam wieder neben mich sinken und zog mich an sich.
»Lass die Polizei ihre Arbeit machen. Ich bin sicher, sie finden heraus, wo Emma ist.«
Ich schloss die Augen und presste mich an ihn. Hoffentlich würde Oscar recht behalten. Diese Sorge machte mich noch krank.
***
Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete, hörte ich Oscar leise mit jemanden diskutieren. Da ich keine zweite Stimme wahrnahm, ging ich davon aus, dass er telefonierte.
Ich öffnete meine Augen noch einen Spalt mehr und erblickte meinen Freund, wie er am Fenster stand und nach draußen blickte.
Der Mond erleuchtete sein Gesicht und ließ ihn seltsam blass erscheinen.
»Ihr kommt mich besuchen? Wann?«
Schweigen.
Zu gerne hätte ich mich auf die andere Seite gedreht, damit ich ihn besser ansehen konnte, aber ich wollte nicht, dass er merkte, dass ich wach war.
»Ich...bin in letzter Zeit ziemlich beschäftigt. Ich denke, dass es besser ist, wenn ich Mal zu euch komme.«
Ich schluckte. Was redete er da? Wen wollte er besuchen? Ich verstand überhaupt nichts mehr.
Mein Herz hämmerte mir bis zum Hals.
»Ja, schlaft auch gut. Man sieht sich.«
Oscar legte auf und blieb noch ein paar Sekunden am Fenster stehen. Dann kam er wieder hinüber zum Bett und ich schloss eilig meine Augen.
Noch immer rebbelierte mein Herz in meiner Brust.
Was hatte ich da gerade mit angehört? Mit wem hatte Oscar gesprochen und warum so spät? Wollte er etwa, dass ich es nicht mitbekomme?
Mir wurde schlecht. Was wenn es Emma oder Philip war? Was wenn er wusste, wo die beiden waren und es mir nicht sagte?
Ich konnte unmöglich wieder einschlafen. Zu viel geisterte in meinem Kopf herum.
Als ich die Arme von Oscar spürte, die sich von hinten um mich schlagen, wäre ich beinahe erschrocken zusammen gezuckt, doch irgendwie beruhigte es mich dennoch, dass er hier war. Dieser vertraute Duft war wie ein Beruhigungsmittel und so kam es, dass ich doch wieder in den Schlaf glitt und erst am nächsten Morgen wieder meine Augen öffnete.
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