Kapitel 12
Etwas unbehaglich saß ich auf dem Beifahrersitz in Oscar's Auto.
Vorsichtig wagte ich einen Seitenblick.
»Ich wusste gar nicht, dass du einen Führerschein hast«, murmelte ich in meinen nicht vorhandenen Bart.
Oscar musste grinsen.
»Ich bin 19 Jahre. Was glaubst denn du, wie lange ich noch damit warte? Ich bin selbständig. Ich lebe in meiner eigenen Wohnung, habe meinen eigenen Job. Da fahre ich doch nicht jeden Tag mit dem überfüllten Bus«, gab mein ehemaliger Freund zurück.
Ich blickte nur aus dem Fenster über die verschneite Landschaft. Bergen war eine wunderschöne Stadt. Ich war froh, hier geboren zu sein.
Oscar fuhr in rasantem Tempo in die Stadt und ich verkrampfte mich augenblicklich. Wenn er so fuhr, dann war er seinen Führerschein gleich wieder los.
Schließlich kamen wir an der Eisdiele vorbei, die er mir so unbedingt zeigen wollte. Ich stieg hinaus auf den Gehsteig und betrachtete das unscheinbare Lokal von außen. Die Eisdiele sah nicht wirklich danach aus, als wäre sie gut besucht. Schon auf den ersten Blick konnte ich unzählige leere Tische ausmachen und auch von außen machte sie nicht viel her. Die Fassade begann bereit zu bröckeln.
»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«
Misstrauisch drehte ich mich zu Oscar um, doch ehe ich mich versah, zog der größere von uns beiden mich auch schon ins Innere.
Es war herrlich warm und der Duft von Weihnachten stieg mir in die Nase.
Oscar hatte Recht behalten. Die Einrichtung war genau meins. Es hatte ein bisschen was von einem amerikanischen Pup.
Die Wände waren aprikotfarben und die Bänke waren mit einem rot weißen Karomuster überzogen. Die Tischdecke hatte die selbe Farbe und auf jedem Tisch stand eine Margerite in einer kleinen Vase.
Mein erster Impuls war, meine Finger um eine Blume zu schließen, um zu sehen, ob sie auch echt war, was sie logischerweise nicht war.
Oscar brachte dies zum schmunzeln.
»Du bist noch genau so neugierig, wie damals. Nur warst du damals nicht so ein Miesepeter, wie jetzt«
Der große Junge dirigierte mich durch den Laden nach hinten zu einer kleinen Nische. Die Hände an meinem Rücken machten mich ganz wahnsinnig. Am liebsten hätte ich sie abgeschüttelt, damit mein Hirn wieder die Möglichkeit hatte, zu funktionieren, doch ich ließ mir nichts anmerken.
Auf die Aussage Oscars sagte ich nichts. Was sollte ich auch sagen? Ich konnte es verneinen, doch Oscar würde mich nur breit angrinsen und ich würde wissen, dass er vom Gegenteil überzeugt war. Es war praktisch, wenn man seinen Gegenüber so gut kannte, dass man schon wusste, wie Gespräche ausgingen, die nichtmal stattgefunden hatten.
Wir nahmen Platz und ich ließ meinen Blick durch das Lokal wandern. Bei weitem dachte man nicht, was ein Diamant sich unter dem grauen Gestein versteckte, wenn man draußen vor der Tür stand.
»Und? Gefällt es dir? Hab ich die richtige Wahl getroffen?«
Oscar sah mich an. Seine Augen funkelten, wie ein Himmel voller Sterne und ich hatte wieder einmal damit zu kämpfen, mich nicht darin zu verlieren.
Er kam mir in diesem Moment so vor, wie ein kleines Kind, welches um jeden Preis gelobt werden wollte. Ein Kind, das alles richtig machen wollte.
Ich seufzte und verdrehte innerlich die Augen. Dieser dämliche Idiot wollte auch immer für alles eine Bestätigung.
»Ist ganz okay«, gab ich kurz angebunden zurück und schluckte. Ich wollte nicht, das Oscar noch einmal bestätigt bekam, wie gut es mir hier gefällt, wie gut er mich doch eigentlich kannte, auch wenn er tief in seinem inneren sowieso wusste, dass das, was gerade eben meinem Mund verlassen hatte, eine Lüge war.
Oscar nickte nur und spielte nervös mit seiner Serviette herum, die er aus dem Serviettenhalter gezogen hatte.
Wie gebannt sah ich seinen Fingern zu, wie sie sich um das Papier wickelten und kurz hatte ich Angst, es würde reißen und das Spiel wäre vorbei.
Es kam nicht oft vor, dass Oscar nervös war. Eigentlich nie. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn einmal nervös gesehen zu haben. Warum war er es dann jetzt?
Ich hob meinem Blick und sah wieder in seine Augen, die wie Treibsand waren. Bloß nicht zappeln, denn dann versank man schneller.
Steif saß ich da, wie eine Barbie Puppe und sah ihn einfach nur an. Er tat es mir gleich mit dem einzigen Unterschied, dass er lässig rüber kam.
»Warum bist du zurück gekommen?«, platzte es aus mir heraus. Diese Frage schwirrte mir die ganze Zeit schon im Kopf herum. Zuerst verschwand er so Hals über Kopf mit seinen Eltern und plötzlich stand er ein halbes Jahr später wieder vor meiner Haustür.
Oscar senkte den Blick. Seine Finger begannen wieder einen Kampf mit der Serviette, den ich nachdenklich verfolgte.
»Ich wollte nochmal von vorne anfangen. Ich hab dich vermisst, hab eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber ich wollte zurück und hatte gehofft, dass du mir noch eine Chance gibst, aber...du willst mich nicht mehr oder? Ich kann dich verstehen. Wirklich! Aber du lässt mich nicht los. Ich kann es doch auch nicht ändern.«
Gegen Ende wirkte Oscar immer verzweifelter und ich hatte ein schelchtes Gewissen. Mein Verhalten war nicht gerade toll gewesen. Ich war kalt ihm gegenüber und das nur, weil mein Stolz es nicht zulassen, wollte, sich noch einmal meinem Ex zu unterwerfen.
Nervös rutschte nun auch ich auf der Eckbank herum. Dieses Gespräch verlief in eine Richtung, die mir gar nicht gefiel, denn es gab nun genau zwei Möglichkeiten. Erweder, ich offenbarte Oscar nun meine Gefühle, sagte ihm, dass es mir auch nicht anders ging und ich ihn am liebsten sofort geküsst hätte, als er vor meiner Haustür stand oder ich blieb bei meinem Verhalten und lief der Gefahr entgegen, ihn vielleicht für immer zu verlieren und ob ich das konnte, wusste ich nicht.
Seufzend stützte ich meinen Kopf auf meinen Handflächen ab und sah Oscar an.
Seine Augen glitzerten im hellen Neonlicht und in meinem Bauch flatterten die Schmetterlinge Loopings. Was sollte ich tun? Ich wollte mich nicht entscheiden! Ich hasste Entscheidungen, doch wie es aussah, blieb mir keine Wahl. Alles oder nichts.
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