8. Dezember

Am Donnerstag geht das Prozedere wenigstens ein wenig leichter von der Hand. Nieves hat ihre gute Phase. Gwyn stellt sich den Wecker und hat eigentlich gar keine Lust, aber das ganz eigene Türchen des Fotoalbum Adventskalenders lockt sie dann doch aus dem Bett. Darauf freut sie sich einfach zu doll. Sie muss herzlich lachen, als sie das Album öffnet und einen Elfen wiederfindet, der in das Waschbecken macht. Sie sucht überall in der Wohnung nach Schokolinsen, bis sie tatsächlich welche findet und den Elfen drapieren kann. Sie kommt gar nicht mehr aus dem Grinsen raus. So war er eben. Kurz nachdem sie den Elfen startklar gemacht hat, wacht Nieves auf und schreit nach ihr. Sie hatte einen Alptraum und Gwyn muss sie erst einmal trösten, bevor Nieves in den Tag starten kann. Dann gehen die beiden in die Küche, um gemeinsam zu frühstücken. Heute wird es bloß Toastbrot. Die beiden können ein wenig entspannter in den Tag starten und haben noch einige Zeit zur Verfügung. Gwyn freut sich richtig darüber. Nieves findet den Elfen im Badezimmer, als die beiden ins Badezimmer gehen, um sich die Zähne zu putzen und lacht sich schlapp. Sie kommt gar nicht mehr aus dem Lachen raus und so wird es eine Weile nichts mit dem Zähne putzen. Die Zeit, die sie eben noch hatten, ist dahin. Nun sind sie wieder gestresst in den Morgen gestartet. Mit Kind kann man einfach nichts planen. Sie wird immer zu spät kommen, egal wie früh sie aufstehen wird. Und um drei Uhr wird sie nicht aufstehen. Das war einer zu viel. Es soll wohl einfach nicht sein. Sie bringt Nieves in den Kindergarten, dieses Mal in normalen Klamotten und wirft der Erzieherin den Turnbeutel mit den neuen Wechselsachen zu, bevor sie weiterrennt.

"Du brauchst echt kein Sportprogramm" , ruft die Erzieherin ihr noch lachend zu. Da hatte sie eindeutig recht. Gwyn braucht kein Sportprogramm mehr, weil sie jeden Morgen einen Sprint hinlegt. Sie müsste eigentlich eine gute Kondition haben. Sie kommt bei Caspar vorbei und dieses Mal hat sie durch ihren kleinen Sprint tatsächlich wieder einige Zeit eingeholt. Erstaunlicherweise steht niemand an seinem Stand.

"In einer Minute werden sie alle hier aufkreuzen" , grinst er sie an. Sie schaut schnell auf die Uhr. Das muss sie sich notieren, damit sie möglichst vor dieser Zeit hier ankommt. "Du bist gerade noch rechtzeitig!" , erklärt er und reicht ihr das Gebäck und den Kaffee. Heute bezahlt sie gleich ihre Schulden für die letzten beiden Male.

"Ich schwöre dir, du hast am 24. Dezember all dein Geld, welches ich dir schulden sollte, wieder" , sagt sie. "Und sonst kannst du bei mir Zuhause klingeln und mir die Hölle heiß machen" , sagt sie und dreht sich um, wo auf einmal eine drei Meter lange Schlange steht. Sie haben sich angeschlichen. Man hat einfach niemanden von ihnen gehört.

"Wow" , sagt sie und bekommt große Augen. Sie dreht sich noch einmal zu Caspar um, bevor sie sich auf den Weg zum Bahnhof macht.

"Ich habs dir ja gesagt" , grinst dieser und verkauft dem nächsten Kunden einen Kaffee. Sie geht zufrieden zum Bahnhof und kann ganz gemächlich in den Zug steigen. Dieses Mal sieht sie ihn wieder. Er sitzt dieses Mal auf einen der Sitze und hat wieder ein Buch in der Hand. Er schaut tatsächlich kurz auf, als sie hineinkommt. Es ist, als hätte er gewusst, dass sie heute pünktlich kommt und sein Einsatz nicht gefragt ist. Danach ist er wieder völlig versunken in sein Buch und es ärgert sie, dass er sie nicht heute sehen kann. Denn heute ist sie nicht völlig außer Atem, sondern Mal entspannt. Er hat sofort ihre aller schlechteste Eigenschaft kennengelernt. Toller erster Eindruck. Aber was macht sie sich vor. Die beiden würden sich nur immer wieder in der Bahn sehen. Sie würden nie auf ein Date gehen. Sie würde ihn niemals ansprechen und darum bitten. Dazu hat sie einfach nicht den Mut. Und er würde es auch nicht tun. Er hatte offenbar kein Interesse. Aber wer sagt denn auch, dass der Mann den ersten Schritt machen musste? Die Frau von gestern stand nun auch wieder da und sie verfluchte sich. Sie würde ihn nicht mehr anschauen. Sie verriet ihrer Umwelt viel zu viel und sie hatte keine Lust auf weitere Kommentare der Lady. Sie kommentierte ja auch nicht das Leben der Frau.

Dieses Mal kommt sie auch dazu, die Zimtschnecke und den Kaffee ganz gemütlich in der Bahn zu essen. Sie stellt sich extra mit dem Rücken zu ihm, denn sie mag es nicht, wenn ihr fremde Leute beim Essen zusahen und er sollte es erst recht nicht tun. Auch wenn er immer noch völlig versunken in seinem Buch ist. Sie würde gerne wissen, was er liest, doch man kann es nicht erkennen. Er hat den Schutzumschlag abgemacht und so sieht man bloß einen weißen Buchrücken. Als er aussteigt, kann sie das Buch auch nicht erkennen, denn es ist weg. Er muss es eingesteckt haben. Tatsächlich winkt er ihr auch dieses Mal zu, als er aussteigt und er zwinkert! Wenn er wüsste, was das für eine Wirkung auf sie hat. Eine Station später flüchtet sie förmlich aus dem Wagon, weil sie keine Lust auf Sprüche der anderen Passagiere hat. Da trifft sie ihre Freundinnen und sie gehen gemeinsam den Vorlesungen lauschen.

*

Heute sind sie mit Oma Bente und Opa Talin verabredet. Sie wollen den neuen Minionsfilm mit Nieves im Kino sehen. Es ist ein krasser Zufall, dass der Wichtel von gestern diese aufgegriffen hat. Opa Talin muss auch schmunzeln, als die beiden sich darüber unterhalten, denn auch er schaut das Fotoalbum jeden Morgen an. Sie treffen sich bei den Großeltern und machen sich schließlich gemeinsam auf den Weg ins Kino, wo sie sich aufteilen. Oma Bente und Gwyn kaufen die Karten, während Opa Talin und Nieves für die Snacks zuständig sind. Sie treffen sich am Kinosaal und Gwyn weiß schon jetzt, dass sie es bereuen sollte, die beiden Chaoten gemeinsam zu den Snacks geschickt zu haben. Sie kann schwören, dass die beiden alles gekauft haben, was es dort gab.

"Na, hast du Opa sein ganzes Geld abgeluckst?" , fragt Gwyn. "Was ist das alles? Wer soll das alles essen?" , fragt sie.

"Na, ich!" , sagt Nieves und reibt sich den Bauch.

"Ich muss definitiv besser auf deine Ernährung achten" , murmelt Gwyn vor sich hin.

"Komm, Gwyn. Es ist Weihnachtszeit. Da ist sowas doch okay" , versucht ihre Oma sich zu beruhigen.

"Aber sie ist einfach unmöglich"

"So ist das eben. In der Weihnachtszeit muss das ausgenutzt werden. Du warst nicht anders" , erklärt ihre Oma und sie setzten sich auf die weichen Sessel des Kinos.

"Wirklich?"

"Wirklich" , sagt ihre Oma lachend.

"Danke, Oma. Jetzt bin ich zumindest ein bisschen beruhigt. Und ich verspreche, ab Januar wird das ganze besser"

"Wie das so ist mit den Neujahrsvorsätzen, was" , sagt ihre Oma grinsend. Gwyn schaut sie böse an.

"Ich mach doch nur Scherze. Und jetzt pscht, der Film fängt an."

"Oma, das ist doch nur die Werbung"

"Aber neue Kinotrailer" , widerspricht ihre Oma. Gwyn ist daraufhin leise und isst aus dem drei Liter Popcorneimer. Opa und Nieves haben wirklich sehr übertrieben. Die vier schauen gemeinsam den Film und bekommen das ganze Essen nicht aufgegessen- Sie müssen definitiv etwas mit nach Hause nehmen.

"Ich nehme das alles nicht mit nach Hause!" , setzt sich Gwyn durch. "Dann habe ich nämlich nachher einen aufgedrehten Flummi. Wobei, das habe ich wahrscheinlich jetzt schon"

"Komm, wir nehmen das mit und du kannst das Popcorn mitnehmen" , sagt Oma Bente und nimmt die Nachos und die anderen Snacks in die Hand.

"Danke" , sagt Gwyn und nimmt das Popcorn.

"Bei uns ist es nicht schlimm, wenn wir wie aufgedrehte Flummis sind. Wir müssen morgens nirgendwo hin" , scherzt ihr Opa.

"Ich glaube, ich muss es mir nochmal überlegen, ob ich Nieves wirklich einmal die Woche zu euch schicken will" , sagt Gwyn lachend.

"Oh ja, ich will einmal die Woche zu Oma und Opa!" , mischt sich Nieves ein.

"Das machen wir auch, Süße. Aber heute musst du erst einmal mit nach Hause. Es ist schon ganz schön spät und ich bin müde"

"Ich aber nicht!" , sagt diese und Gwyn weiß schon jetzt, dass es eine lange Nacht wird. Zum Glück ist morgen Freitag. Eigentlich wollte Gwyn noch lernen, aber das kann sie wohl knicken. Die beiden trotten nach Hause und auf dem Weg dorthin schläft Nieves tatsächlich fast im Gehen ein. Den restlichen Weg nimmt Gwyn sie auf dem Arm und sie beginnt, zu schlafen. Gwyn freut sich total! So würde sie doch noch ein bisschen lernen können. Zuhause legt sie Nieves vorsichtig aufs Sofa, um ihr die Straßenklamotten auszuziehen, aber dabei wird sie wach. Zu früh gefreut.

"Hey" , sagt sie lächelnd und schaut in Nieves verschlafendes Gesicht. Doch im nächsten Moment sind ihre Augen wieder hellwach.

"Ist schon wieder morgen? Wie viele Tage noch bis Weihnachten? Wo sind Oma und Opa? Wie fandest du den Film? Was gibt es zum Abendessen? Wo kommt der Nikolaus her?" , fragt Nieves und ist schon wieder völlig aufgedreht. Gwyn weiß gar nicht, welche Frage sie zuerst beantworten soll.

"Erst einmal geht es jetzt in den Schlafanzug" , sagt Gwyn und zieht Nieves das Shirt aus. "Und dann geht es Zähne putzen" , erklärt sie und zieht den Schlafanzug wieder über.

"Ich bin aber gaaar nicht müde" , behauptet Nieves.

"Das sah aber eben noch ganz anders aus" , antwortet Gwyn.

"Darf ich nicht noch eine Folge sehen?" , fragt sie.

"Nein, Nieves. Jetzt ist Bettzeit" , erklärt Gwyn.

"Bitte. Dann schlaf ich auch sicherlich ganz gut" , versucht sie es noch einmal.

"Nein. Wir waren heute im Kino. Das ist genug Fernsehen!" , erklärt Gwyn.

"Bitte, Mama. Ich bin auch ganz lieb dann"

"Nein, Nieves. Ich kann dir noch eine Gute- Nacht- Geschichte vorlesen. Aber heute gibt es kein Fernsehen mehr"

"Aber dann habe ich heute gar keine Folge gesehen" , erklärt sie weinerlich.

"Dafür hast du aber die letzten Tage sogar mehr als eine Folge schauen dürfen. Was eigentlich auch eine Ausnahme ist. Und heute hast du auf einem ganz großen Fernseher schauen dürfen. Sei also keine beleidigte Leberwurst" , sagt sie und hebt sie vom Sofa herunter. Nieves stapft wütend ins Wohnzimmer und dann ins Badezimmer. Da putzt sie widerwillig die Zähne und geht schließlich ins Bett. Als Gwyn sie zudecken will, deckt sie die Decke wieder auf. "Ich will das alleine machen" , sagt sie und deckt sich selbst zu.

"Willst du nun noch eine Geschichte?" , fragt Gwyn.

"Nein" , sagt Nieves, immer noch beleidigt, nimmt ihren Teddy in den Arm und dreht sich auf die Seite.

"Okay, dann gute Nacht" , sagt sie und küsst Nieves auf die Stirn, bevor sie das Zimmer verlässt. Diesen Kuss wischt sie allerdings auch wieder von der Stirn ab. Dann halt nicht. Gwyn schließt die Tür und muss einmal durchatmen. Dann setzt sie sich an den Küchentisch und holt ihre Lernsachen heraus. Sie breitet sich aus und beginnt ein wenig zu wiederholen. Nach einer Weile werden ihr die Augen schwer und sie hat eine Idee. Vielleicht ist jemand ja im Chat. Sie geht auf Discord online und tatsächlich ist dort jemand. Sie braucht ein wenig Ablenkung, bevor sie weiter lernen kann.

"Hey" , schreibt sie. Nach einer kurzen Pause, kommt tatsächlich etwas zurück.

"Hey, auch noch am Lernen?" , schreibt Chandler, der auch im Chat ist.

"Jep. Bin die letzten Tage einfach nicht dazu gekommen und hab es dringend nötig. Ich bin aber auch super müde" , schreibt sie zurück.

"Dann hoffe ich, dass du nicht einschläfst und ich gute Gesellschaft bin :)" , schreibt er. Auf einmal steht Nieves in der Tür.

"Mama" , sagt sie weinerlich.

"Was ist denn, Schatz?" , fragt sie.

"Kannst du mir doch eine Geschichte vorlesen?" , fragt sie.

"Ja, natürlich. Komm" , sagt sie und nimmt Nieves an die Hand, die barfuß durch die Wohnung stapft. Gwyn liest ihr die Geschichte vor und kurz darauf ist sie eingeschlafen. Sie stellt das Babyfon nun neben den Laptop. Sie hat bestimmt zehn weitere Lernminuten verloren.

"Bist du etwa schon eingeschlafen?" , fragte Chandler vor ein paar Minuten.

"Nein :). Musste mich kurz um etwas kümmern. Bin jetzt wieder da" , schreibt sie zurück. Es muss ja nicht gleich jeder wissen, dass sie eine kleine Tochter hat. Kommt mit einundzwanzig meistens nicht so gut, aber sie würde nichts an ihrem Leben ändern. Die Leute haben einfach zu viele Vorurteile. Dafür liebt sie Nieves einfach viel zu sehr. Sie kommt an diesem späten Abend tatsächlich zu etwas und Chandler ist dabei eine Hilfe, auch wenn sie außer dem Schreiben am Anfang nur nebeneinander her lernen und er auch wieder die Kamera aus hat. Sie hat sie, wie immer, an. Sie hat sie später angemacht, nachdem sie Nieves ins Bett gebracht hatte. Nieves ist auch nicht noch einmal gekommen. Sie lernt gemeinsam mit ihm bis in die späte Nacht. Das kann am nächsten Morgen einfach nicht gut gehen.

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