16. Dezember
An diesem Freitag bestätigt die Ausnahme die Regal - Gwyn wacht um fünf Uhr auf und ist hellwach. Sie erledigt alles am Morgen und schafft es sogar, ein bisschen in ihre Lernsachen zu schauen. Dann schaut sie in das Album und schaut sich den Elfen an. Am sechszehnten Dezember vor vier Jahren hat ihr Freund den Elfen Marhsmallows als Schneemänner hingestellt und der Elf nimmt den Kopf des einen Schneemanns und will ihn in eine Kakaotasse werfen. Gwyn ist froh, dass sie in der untersten Schublade noch diese großen Marshmallows findet, denn eigentlich haben sie fast nur die kleinen für den Kakao. Sie richtet den Elfen an und weckt dann Nieves. Die beiden sind perfekt im Zeitplan und auch als sie im Kindergarten ankommen, sind sie noch pünktlich. Gwyn kann sich jede Menge Zeit lassen, um zu Caspar und der Bahn zu kommen. Als sie bei Caspar ankommt, steht niemand an seinem Stand.
"Weißt du eigentlich, wie dankbar ich dir bin, dass du jeden Morgen im Dezember hier stehst?" , fragt sie ihn.
"Ich hab dich auch lieb, Gwyn" , sagt Caspar lächelnd und reicht ihr ihren Kaffee und die Schnecke.
"Ich meine das ernst, Caspar!" , sagt sie.
"Und ich meine das auch ernst, Gwyn" , erklärt der alte Mann.
"Oh, ich hab dich auch lieb. Darf ich dich umarmen?" , fragt sie und der ältere Mann nickt. Er macht das kleine Holztischchen nach oben und sie kommt zu ihm hinter den Stand. Die beiden umarmen sich eine Weile.
"Ich bin wirklich froh, dass es dich gibt und ich dich habe, Caspar" , nuschelt sie in die Umarmung rein. Danach geht sie wieder vor den Tresen und die beiden reden noch eine ganze Weile, bevor Gwyn los muss und weiter zur Bahn schlendert. Nun ist es mit der Zeit wieder etwas knapp und sie muss sich beeilen, weil sie zu lange mit Caspar geredet hat. Er hat ihr das Gespräch noch einmal angeboten und sie glaubt, dass sie heute nach der Uni zu ihm geht. Vielleicht hat auch er Gesprächsbedarf, denn er ist schon älter und vielleicht einsam. Seine Frau ist vor vielen Jahren an Krebs gestorben und es belastet ihn bis heute. Sie will etwas gutes für einen Freund tun und er will etwas gutes für sie tun. Die beiden sind einfach ein Herz und eine Seele. Sie steigt in die Bahn ein und sieht Chandler heute aber nicht. Als sie ihn nicht sieht, fängt ihr Gedankenkarussel wieder an, sich zu drehen. Sie denkt über ihren Freund nach und wieso sie es sich herausnimmt, Chandler zu vermissen. Chandler ist immerhin da. Ihr Freund ist tot. Wie kann sie bloß jemanden vermissen, der nicht ihr toter Freund ist? Sie muss sich sehr zurückhalten, nicht anzufangen, zu weinen. Sie braucht das Gespräch mit Caspar sehr, sehr dringend.
Nach der Uni begibt sie sich direkt zu Caspar, an seinen Stand. Sie fragt ihn, ob sie gemeinsam etwas unternehmen wollen und er lässt sofort alles stehen und liegen.
"Heute ist eh nicht besonders viel los. Du hast einen guten Tag abgepasst" , sagt er grinsend. "Aber für dich würde ich auch jederzeit alles stehen und liegen lassen" , erklärt er.
"Wollen wir zu mir gehen?" , fragt Gwyn. "Ich würde uns beiden etwas schönes kochen" , schlägt Gwyn vor und Caspar ist einverstanden. Zuhause isst er nicht gerne, denn alleine essen macht keinen Spaß. Er isst nicht besonders viel und Gwyn kann auch einfach gut kochen. Es ist schön, Mal in Gesellschaft zu essen. Gwyn muss ihn viel öfter einladen. Sie hat ihn doch so gern. Die beiden spazieren gemeinsam zu Gwyns Wohnung und Gwyn und er setzen sich in die Küche.
"Was ist dein Lieblingsessen?" , fragt sie Caspar.
"Gemüsepfanne" , schnellt er, wie aus der Pistole geschossen heraus.
"Das hat meine Frau immer gekocht. Und es war einfach eine Kunst. Das wäre auch meine Henkersmahlzeit" , schwelgt er in Erinnerungen.
"Dann versuche ich mich mal vorsichtig an einer Gemüsepfanne, auch wenn ich sie sicher nicht so hinbekommen werde, wie sie"
"Oh, das wäre toll! Alleine mal wieder eine Gemüsepfanne zu essen, wäre großartig. Das habe ich viel zu lange nicht mehr gemacht. Ich koche einfach nicht gerne, für mich allein." , gibt Caspar zu, der am Küchentisch sitzt. Vorhin hat Gwyn ihrer Oma eine SMS geschickt, ob sie Nieves vom Kindergarten abholen und zu sich bringen kann. Ihre Oma war natürlich einverstanden und hätte Nieves am liebsten wieder über Nacht bei sich behalten.
"Möchtest du mir helfen oder lieber dort sitzen?" , fragt Gwyn, immer noch mit dem Rücken zu Caspar gedreht, weil sie gerade das Gemüse schneidet.
"Ahh, du hast die Tageszeitung entdeckt. Natürlich kannst du die auch weiterlesen" , sagt sie, als sie sich umgedreht hat.
"Ich würde dir wirklich gerne helfen. Immerhin kochst du für mich"
"Aber ich habe dich eingeladen. Da muss ich eigentlich alles alleine machen, oder?" , fragt sie.
"Ich habe meiner Frau auch immer geholfen, wenn ich die Zeitung durch hatte" , erklärt er.
"Okay, was hast du denn dann gemacht?" , fragt sie.
"Ich habe zum Beispiel immer die Kartoffeln geschält. Oder Karotten geschält. All sowas" , sagt er lächelnd und denkt an seine Frau, wie sie gemeinsam Essen gemacht haben.
"Kartoffeln habe ich nicht. Aber Karotten. Magst du die schälen, wenn du deine Zeitung durch hast?", fragt sie.
"Ja" , sagt er und hat dabei tatsächlich ein Leuchten in den Augen, was Gwyn total erfüllt. Die beiden unterhalten sich eine ganze Weile und kochen schließlich gemeinsam. Irgendwann klingelt es an der Tür.
"Magst du vielleicht einmal aufmachen?" , fragt Gwyn Caspar, der inzwischen seine Zeitung liest.
"Klar", sagt er und geht zur Tür, um zu öffnen. Dort empfängt ihn Nieves, die sofort in seine Arme springt. Er ist ebenfalls, wie Uropa Talin auch wie ein Opa für sie. Er umarmt sie sofort ebenfalls und hilft ihr dabei, die Schuhe auszuziehen. Ihre Großeltern sind nun abgeschrieben. Die stehen beide noch in der Tür.
"Wo ist Gwyn?" , fragt Bente.
"In der Küche. Sie kocht für uns" , sagt er grinsend.
Die beiden gehen in die Küche und begrüßen ihre Enkeltochter. Kurz darauf gehen die beiden, weil das Essen nicht für sie alle reichen würden, aber sie wollten Caspar wenigstens noch einmal begrüßen und sie sehen. Außerdem haben sie einen Tisch beim Italiener reserviert. Caspar und Nieves spielen im Wohnzimmer mit der Carrererbahn. Als Gwyn zum Essen ruft, kommen die beiden angelaufen. Das Essen schmeckt himmlisch und Caspar genießt es sichtlich.
"Fast so gut, wie bei meiner Frau" , sagt er gut. "Aber nur fast" , sagt er grinsend. "Aber wirklich lecker" , erklärt er.
"Danke" , sagt Gwyn. Es ist wirklich ein riesiges Kompliment, welches sie dort von Caspar bekommt. Die drei Essen noch gemeinsam auf und schließlich lassen sie Nieves noch eine Folge schauen, bevor Caspar sie heute ins Bett bringt. Er muss auch "Ein kleines Weihnachstwunder" , vorlesen und kommt schließlich zurück ins Wohnzimmer, wo die beiden sich hinsetzen und in den alten Alben blättern.
"Wie geht es dir jetzt eigentlich?" , fragt Caspar nach einer Weile. "Also so wirklich?" , fragt er.
"Es ist schwierig" , sagt sie. "Manchmal gut, manchmal echt mies. Es ist besonders schlimm, weil es die erste Weihnachtszeit ohne ihn alleine ist" , gibt sie zu.
"Ich kann das verstehen. Damals war es schrecklich" , erklärt er. "Ich hätte am liebsten den ganzen Tag geheult, aber das ging nicht, weil ich meinen Alltag meistern muss. Inzwischen ist es ein wenig besser, aber immer noch nicht schön oder gut" , erklärt er. "Und das wird wohl auch immer so bleiben"
"Ich fühle mich auch irgendwie schuldig" , gibt sie zu.
"Warum denn?" , fragt er.
"Ich habe da jemanden kennengelernt, denn ich sehr mag. Ich habe Angst, mich in ihn zu verlieben. Ich kann das doch nicht. Nicht erst, nachdem es erst ein Jahr her ist. Noch nicht einmal. Bald ein Jahr. Ich weiß nicht, wie ich das aushalten soll. Ich weiß nicht, wie ich seinen Todestag überstehen soll" , sagt sie und beginnt zu weinen.
"Ich werde da sein, okay?" , fragt er. "Ich werde bei dir sein. Und wir werden das gemeinsam schaffen" , erklärt ihr Freund ihr.
"Ich wollte dich sowieso fragen, ob du das Weihnachtsfest wieder mit uns verbringen willst" , sagt sie lächelnd, als sie sich immer noch in einer Umarmung finden.
"Mit euch würde ich jedes Fest verbringen. Und Weihnachten am liebsten" , nuschelt er in die Umarmung herein.
"Weißt du was, Caspar?" , fragt sie.
"Willst du nicht einmal die Woche zum Abendessen zu uns kommen?" , fragt sie.
"Wirklich?" , fragt er und seine Augen glänzen verdächtig.
"Wirklich. Ich würde einmal die Woche für uns kochen. Und du kannst so lange du willst bleiben" , sagt sie.
"Das würde ich liebend gerne. Du kochst einfach so gut und ich genieße eure Gesellschaft so sehr"
"Vielleicht einen festen Tag in der Woche, oder eher spontan?" , fragt sie.
"Vielleicht immer sonntags?" , fragt er. "Da gab es bei uns immer etwas besonderes zu Essen. Und zu euch zu kommen, würde für mich etwas besonderes sein" , gibt er zu.
"Das passt mir sehr gut" , sagt sie lächelnd und die beiden reden noch sehr lange gemeinsam über ihre Vergangenheit und ihre toten Partner. Es ist unglaublich, wie viele Jahre zwischen den beiden liegen und wie viel die beiden dennoch gemeinsam haben.
"Und was ich noch sagen will. Es ist okay, jemanden zu haben, der nicht dein Vesco ist. Der aber dein neuer Freund werden kann. Denn deiner wird leider nicht zurück kommen. Auch nicht nach sechzig Jahren. Ich wünschte, sie wäre es. Aber es wird nicht passieren. Und Vesco würde wollen, dass du glücklich bist. Vergiss das nicht, okay? Er ist dir nicht böse und auch kein anderer. Jeder hat sein eigenes Tempo, in dem er etwas verarbeitet und vielleicht hilft dir dieser neue Mensch ja. Das würde ich mir sehr wünschen, für dich" , gibt Caspar zu.
"Ich würde es mir für dich auch sehr wünschen. Dass du noch einmal so eine besondere Person findest"
"Das wird wohl nichts mehr, in diesem Leben" , gibt er zu.
"Man ist nie zu alt" , sagt Gwyn gerade, als die Tür klingelt.
"Wer kann das sein?", fragt sie Caspar, doch er zuckt nur mit den Schultern.
"Du wohnst hier" , antwortet er schelmisch. Sie geht an die Tür, wo ihre Freundinnen stehen, mit einem riesigen Gefäß in der Hand, welches Gwyn nicht identifizieren kann.
"Was wollt ihr hier?" , fragt sie misstrauisch, denn die drei wirken ein wenig angetrunken.
"Es ist Freitag?" , fragt Donatella völlig empört.
"Oh, scheiße. Das hab ich total vergessen" , sagt sie. Sie hatte es tatsächlich vergessen und auch Nieves schon total früh ins Bett geschickt, obwohl diese freitags eigentlich immer ein wenig länger aufbleiben darf. Sie hat einfach ihre Freundinnen vergessen. Nun kommt Caspar aus dem Wohnzimmer.
"Hallo" , begrüßt er die Freundinnen.
"Macht ihr Punsch?" , fragt er. "Oder Glühwein?" , fragt er grinsend.
"Punsch mit Schuss"
"Darf ich mitmachen?" , fragt er und die drei Freundinnen grinsen.
"Natürlich dürfen Sie mitmachen" , sagen Donatella, Fianna und Tindra in einem Zug. Die drei überrumpeln ihre Freundin total und ziehen sich die Schuhe aus, um das riesen Gerät, dass aussieht wie ein Hexenkessel in die Küche. Von dem Lärm wird Nieves wieder wach und steht in der Küche.
"Was macht ihr da?" , fragt sie mit verschlafenen Augen.
"Punsch" , antwortet Donatella sofort und Nieves Augen werden riesengroß.
"Darf ich auch mitmachen?" , fragt sie.
"Klar" , antwortet Tella.
"Okay, da hatte Donatella einfach so über Gwyns Kopf hinweg entschieden, dass ihre Tochter wach bleiben durfte und Punsch mit Schuss bekam. Wie bitte? Gwyn schaut ihre Freundin mit schrägem Kopf an.
"Sie bekommt natürlich etwas, bevor wir den Schuss reinmachen. Wir füllen ihr etwas ab"
Die sechs mischen nun gemeinsam den Punsch in diesem riesigen Kessel an, den sie bestimmt aus dem Zauberladen haben und tun etwas heraus, für Nieves. Sie probieren alle erst einmal, bevor sie Nieves einen Schluck geben. Caspar und Nieves sind ebenfalls mit dem Ergebnis einverstanden und füllen Nieves etwas ab. Danach hauen sie noch Schuss in den Punsch.
"Da muss noch mehr rein", beteuert Caspar, als sie schon wirklich viel Alkohol hineingeschüttet haben.
"Da ist nun schon ziemlich viel Alkohol drinnen" , sagt Gwyn, als sie probiert.
"Man lebt nur einmal. Und man ist nur einmal jung" , sagt der alte Mann grinsend. Danach schütten sie noch ein bisschen hinein. Caspar probiert noch einmal und nickt das Ergebnis ab. Danach trinken sie den ganzen Kessel aus und sind alle betrunken. Alle bis auf Nieves. Aber der Kinderpunsch scheint sie selbe Wirkung auf sie zu haben, wie der alkoholische Punsch auf die älteren Menschen in diesem Raum. Sie alle werden total ruhig, müde und reden wirres Zeug. Sie machen ein lustiges Foto mit Gwyns Polaroidkamera, welches mit an die Wand in ihrem Wohnzimmer kommt, wo schon etliche Fotos hängen. Gwyn richtet noch schnell das Gästezimmer für Caspar her und die drei Mädels schlafen im Wohnzimmer. So will sie niemanden auf die Straße schicken. Bevor sie selbst ins Bett fällt, macht sie noch ein Foto von den schlafenden Personen und auch den Abend hat sie ein wenig dokumentiert. In ihrem Rausch postet sie die Fotos mit einem grinsenden Smiley und Punsch-Rausch auf Instagram.
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