81. Kapitel

Ich warte, höre das monotone Tut-Geräusch und bin mir nicht sicher, ob ich möchte, dass Harry abhebt, oder nicht. Ich kann es sowieso nicht mehr beeinflussen. Ich starre nach draußen und nach einigen Sekunden, die sich aber zugleich wie eine Ewigkeit anfühlen, seufze ich und schaue wieder auf mein Handy. Harry hat nicht abgehoben. Keine Ahnung, ob ich enttäuscht bin oder nicht, meine Gefühle spielen sowieso verrückt und ich versuche mir zu sagen, dass es besser so war.

Irgendwann kommen nach und nach meine Geschwister nach Hause. Fizzy lässt sich neben mir auf dem Sofa fallen und nimmt mir die Fernbedienung ab. „Ey!" beschwere ich mich, aber da hat sie schon umgeschaltet. „Hast du nicht Hausaufgaben?" Sie verdreht die Augen. „Die mache ich schon noch, entspann dich mal." Dann mustert sie mich. „Du hast geweint." Ich verdrehe die Augen und versuche sie so anzusehen, als wäre es nicht war und als würde ich mich fragen, wie sie auf diesen Mist gekommen ist.

„Warum?" will sie dann wissen und stellt den Fernseher leiser. Ich schüttle nur den Kopf. „Unwichtig." - „Und das soll ich dir abkaufen? Louis, ich bin zwar deine kleine Schwester, aber ich bin keine fünf Jahre alt mehr." erinnert sie mich und ich stelle mal wieder fest, wie erwachsen sie doch schon ist. Seitdem ich meinen Hauptwohnsitz nach London verlegt habe, fällt mir jedes Mal eine Veränderung bei ihr auf, sie sind nicht mehr schleichend und übergangslos, so wie früher, von jetzt auf gleich, scheint sie sich ein ganzes Stück weiterentwickelt zu haben und auch jetzt habe ich noch nicht so ganz herausgefunden, wie ich damit am klügsten umgehe.

„Es.. ugh, es ist kompliziert, okay?" - „Und jetzt? Erzählst du es oder muss ich noch drei mal fragen?" auffordernd sieht sie mich an. Ich nicke und fange dann an, die letzten Wochen zusammenzufassen. Fizzy erfährt, dass ich mich in Harry verliebt habe, dass wir geplant hatten, zusammen wegzufahren und das Miami mir dazwischen gekommen ist. Außerdem gebe ich preis, dass er mich ganz offensichtlich betrügt und mich verarscht hat. „Und der Kerl ist so berühmt, dass du Fotos von ihm mit dieser Frau gesehen hast, die aber keiner deiner Freunde gemacht hat?" fragt Fizzy dann skeptisch. Ich verdrehe die Augen. „Scheiße, ja ist er. Er ist.. ugh, er ist der verdammte Prinz." spreche ich dann aus und fahre mir durch die Haare.

Jetzt ist es raus und Fizzy blickt mich perplex an. Sie mustert mich skeptisch. „Und das soll ich dir glauben, ja? Dass du der Kerl bist, der bei dem Prinzen war." - „Du hast die Bilder gesehen?" frage ich sie verwundert, aber meine Schwester verdreht nur die Augen. „Dass ein Prinz sich mit einem Kerl trifft und ihn küsst, spricht sich sehr schnell herum, sogar bis hier nach Portland." entgegnet sie frech und provokant. Ich seufze und zücke mein Handy. Das blöde Hintergrundbild habe ich immer noch nicht geändert, aber so muss ich das Foto wenigstens nicht lange suchen.

Sie schaut auf das Bild, dann wieder zu mir und wieder zurück. „Du bist mit Prinz Harry zusammen?" fragt sie erneut und ihr steht auf der Stirn geschrieben, dass es wohl noch einen Moment braucht, bis sie es vollständig realisiert hat. Ich zucke mit den Schultern. „Weiß ich nicht, also ja irgendwie schon, aber -" - „Er trifft sich mit Harper Anderson." beendet sie meinen Satz und ich nicke geknickt. „Richtig. Seit wann interessierst du dich für die Royals?" verwundert sehe ich sie an, aber sie winkt ab. „Ich habe das mitbekommen, weil ich Harper Anderson mag, sie ist eine tolle Schauspielerin!" - „Oh super." entgegne ich ironisch und stecke mein Handy wieder weg.

„Bedeutet das dann, dass du König wirst?" fragt sie und ich schüttle irritiert den Kopf. „Wie kommst du denn darauf?" - „Naja, wenn du eine Frau wärst und ihr heiratet, würdest du Königin werden, aber du bist nun einmal keine Frau..." erklärt sie mir nur, aber ich verneine sofort. „Garantiert nicht! Und außerdem glaubst du doch selbst nicht, dass die Welt zwei Könige akzeptieren würde. Es war ja schon ein absolutes Drama, dass man gesehen hat, wie Harry mich küsst!"

Fizzy nickt nachdenklich. „Schon..., aber wie willst du es denn jetzt machen? Hast du ihn schon angerufen?" fragt sie mich und ich bin überrascht, wie entspannt sie es doch aufgenommen hat, dass Harry der Prinz Harry ist. „Natürlich, aber er hat mal wieder nicht abgehoben." sage ich missmutig. „Ich glaube, ich will ihn gar nicht mehr sprechen. Es ist doch inzwischen wirklich deutlich geworden, wen er will und wen nicht." Fizzy seufzt, nickt aber langsam. „Das tut mir leid, ehrlich." sagt sie mitfühlend und ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen. „Sind wir ehrlich, kannst du dir mich in so einem königlichen Gewand vorstellen?" Sie schmunzelt, zuckt aber mit einer Schulter und erwidert „Wenn sie es ein wenig kürzen."

Empört blicke ich sie an. „Das war jetzt ein Schritt zu weit! Du bist immer noch kleiner als ich!" Sie grinst und kichert. „Aber ich wachse noch!" Kopfschüttelnd, aber lachend antworte ich nur „Das hoffst du jedenfalls."

„Dann ähm... warst du im Palast?" fragt sie zögerlich nach und ist offensichtlich nicht sicher, ob ich über dieses Thema sprechen will. Eigentlich würde ich auch gerne über etwas anderes reden, aber trotzdem antworte ich ihr. „Ab und an. Ein paar Mal." - „Dann kennst du die Königin und den König?" - „Nein, aber ich glaube, ich wäre nur wieder in irgendein Fettnäpfen getreten, wenn ich sie kennengelernt hätte." antworte ich ihr und sie grinst; natürlich wäre ich das und das ist uns beiden doch sehr bewusst. Man braucht gar nicht so zu tun, als wäre es anders. Ich schaffe es immer, etwas falsches zu sagen oder zu machen und mit Garantie wäre mir das Glück, dass der Fauxpas einmal ausbleiben würde, nicht vergönnt gewesen.

„Weiß Mum es?" fragt sie dann, aber ich schüttle den Kopf. „Nein, noch nicht, aber ich sage es ihr bestimmt noch." Sie nickt und murmelt dann. „Es ist so surreal, dass du wirklich was mit dem Prinzen von England hast." Seufzend nicke ich. „Ja, allerdings..."

In diesem Augenblick kommen die kleinen Zwillinge ins Wohnzimmer gestürmt. Schon so spät? Die Nachmittagsbetreuung der Schule ist zu Ende und Mum hat sie gerade abgeholt. Ernest kommt sofort zu mir. „Gehst du mit Fußball spielen?!" Ich sehe unschlüssig zu Mum. Sie nickt nur. „Er uns seine Freunde treffen sich auf dem Spielplatz." Ernest grinst mich an und zieht mich fast vom Sofa. „Uff, warte doch!" Mein kleiner Bruder seufzt daraufhin genervt und sieht gelangweilt zu, wie ich mir meine Schuhe anziehe. Die Chance zu widersprechen, hatte ich ja sowieso nicht.

Also geht es als nächstes auf den Fußballplatz. Richtig ablenken tut es mich nicht, aber es tut gut, mich zu bewegen. Ich schaue ab und an auf mein Handy, aber Harry meldet sich nicht. Ich will nicht mehr an ihn denken, aber es geht nicht, ich kann nicht einfach einen Radiergummi nehmen und den Kerl aus meinen Gedanken löschen, es funktioniert einfach nicht. Der Kerl hat sich in mein Herz geschlichen und sich dort festgesetzt.

Plötzlich klingelt mein Handy. Ich nehme den Anruf an, ohne drauf zu achten, wer mich gerade versucht zu erreichen. „Ja, wir kommen gleich." sage ich nur und sehe kurz zu Ernest. Mum möchte bestimmt, dass wir zum Essen nach Hause kommen, wir sind schon eine ganze Weile weg und langsam bekomme ich auch Hunger. Niemand antwortet mir und ich möchte gerade fragen, ob alles gut ist, als sich jemand am anderen Ende räuspert und mir mein Herz in die Hose rutscht. „Ich weiß ja nicht, wen du erwartet hast, zu sprechen, aber hier ist Harry." antwortet er mir und klingt dabei irgendwie amüsiert.

Ich spanne mich an und gehe an den Spielfeldrand. „Oh.. okay." antworte ich angespannt. „Ist bei dir nicht mitten in der Nacht?" frage ich dann unbedacht und verfluche mich selbst dafür, dass ich das Telefonat nicht einfach ignoriert habe. „Ist es." bestätigt er nur knapp. „Dann schlaf weiter." antworte ich mit fester Stimme, aber innerlich eskaliert gerade alles. „Kann ich nicht." erwidert er lediglich und ich verdrehe die Augen. „Und jetzt? Tut mir leid, aber ich habe gerade keine Zeit." antworte ich kalt und versuche das Stechen in meinem Brustkorb zu ignorieren. Ernest spielt fröhlich mit seinen Freunden weiter und kurz lächle ich. Immerhin ist er gerade glücklich.

„Wo bist du? Ich habe versucht dich zu erreichen." will er dann wissen und ignoriert meine letzte Aussage komplett. „In Amerika, hast du doch schon mitbekommen." gebe ich zurück. „Alles okay?" fragt er dann und ich lache bitter. „Natürlich ist alles gut, was soll sein?!" entgegne ich sarkastisch, aber gleichzeitig verschwimmt meine Sicht schon wieder. Ach Scheißdreck. „Hast du eine Unterkunft?" fragt er mich anschließend. „Habe ich, Harry. Keine Sorge." antworte ich patzig. Ich will nicht mit mehr mit ihm sprechen.

„Louis, was ist los?" will er noch einmal wissen und ich wische mir über meine Wangen. Meine Augen sind heiß und sie brennen unangenehm, als die Tränen überlaufen und über mein Gesicht rollen. „Willst du mich verarschen, Harry? Glaubst du wirklich, ich bin so dämlich?!" Ich laufe einige Schritte, behalte aber immer Ernest im Auge. „Verdammt, Louis! -" - „Vergiss es, Harry. Ich habe mein Visum beantragt, also brauchst du deine königliche Zeit nicht dafür verschwenden, das zu regeln." unterbreche ich ihn. 

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Meint ihr, Louis sagt Harry was los ist oder nicht? Oder weiß Harry es vielleicht doch schon längst? Habt ihr damit gerechnet, dass sie es doch noch schaffen zu telefonieren?

Love L 

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