Ein Feuerwerk magischen Ursprungs
Themenvorschlag "Ein Feuerwerk magischen Ursprungs" von WattpadFantasyDE
„Same procedure as every year, James!" Ich musste schmunzeln, als ich die Worte des wohl bekanntesten Neujahr-Sketches aus dem Fernseher hallen hörte. Zu keinem Neujahr hatte dieser schwarzweiß-Sketch gefehlt. Alles dank meiner Großmutter, die schon immer besonderen Wert auf Tradition und Kultur gelegt hatte. Auch heute saß sie wieder auf der breiten Couch des recht nobel eingerichteten Wohnzimmers und lachte wie jedes Jahr über die immer wiederkehrende Komik. Und das, obwohl sie die englische Sprache nicht einmal ansatzweise beherrschte. Ich lehnte mich an die Wand und wusste nicht, wohin ich schauen sollte – auf den Fernseher, die tickende Uhr, deren Minutenzeiger der Zwölf bereits gefährlich nahe gekommen war, oder auf meine dreizehnjährige Schwester, die schon seit halb elf einen gnadenlosen Krieg gegen die Müdigkeit führte.
„Wie ich dich kenne, hast du keine Vorsätze, stimmt's?" Mein Vater, der sich kurzerhand mit einem Sektglas in der Hand neben mich geschoben hatte, blickte mich mit hochgezogener Augenbraue und einem leichten Schmunzeln an. Er brauchte keine Antwort meinerseits, um seine Vermutung zu bestätigen. Und dennoch rollte ich meine Augen und gab ihm ein schnelles „Bin zu inkonsequent dafür", als ich schon einmal meine Jacke anzog und hinüber zur Terrassentür ging. Er folgte mir, wohl wissend, dass der Rest der Familie bald nachkommen würde. Ob das Feuerwerk denn wirklich so spektakulär wie letztes Jahr sein würde? Immerhin wohnten wir am Land und waren auf die selbsternannten „Böllermeister" und „Raketenchampions" des nahegelegenen Dorfes angewiesen, die jedes Jahr aufs Neue Unsummen an Geld in die Luft jagten.
Mit meinem Vater tauschte ich ein paar Gedanken darüber, wie das neue Jahr werden würde. Ich selbst blickte dem Neuanfang ziemlich neutral entgegen. Was würde sich denn schon großartig ändern? . Später – also nachdem der Butler im TV bereits zum tausendsten Mal über einen Teppich aus Tigerfell stolperte – kam dann auch der Rest der Familie. Meine kleine Schwester hüpfte aufgeregt herum, als die ersten Raketen etwas zu früh bereits den Nachthimmel erhellten und meine Mutter bereits Glücksbringer austeilte. Dann endlich war es so weit. Die ersten Raketen begrüßten das nun offiziell angekommene neue Jahr. Es war eine regelrechte Lichterparty: die unterschiedlichsten Farbtöne erhellten die dunkle Nacht, ließen auf gute Zeiten hoffen und vertrieben dabei Legenden zufolge die bösen Geister. Oder halt – war das nicht Halloween? Alleine diese Gedankengänge zeugten von meinem recht mangelhaften Interesse an unseren Bräuchen. Silvester mochte ich aber trotzdem. Immerhin gab's was Schönes zum Anschauen.
Kurz betrachtete ich gedankenverloren den explodierenden Himmel, dann kam meine Mutter auf mich zu. „Ich wünsche auch dir alles Gute im-"
Bumm! Eine gewaltige Explosion brüllte in die Nacht. Viel lauter als jedes gewöhnliche Feuerwerk. Erschrocken blickten wir in den Himmel. Eine Rakete war mit den unterschiedlichsten Farben explodierte, schleuderte andere Feuerwerkskörper mit einer gewaltigen Druckwelle unkontrolliert wieder in Richtung Boden und gab einen ohrenbetäubenden Knall von sich. Kurz darauf spürte ich den Wind der Druckwelle gegen mein Gesicht schlagen. Plötzlich Totenstille.
„Was zur Hölle war...das?", stammelte mein Vater. „Ne' Bombe! Rette sich, wer kann!", gab meine Schwester fassungslos von sich. Die Müdigkeit schien nun wie weggeblasen. „Ich geh mir das ansehen!" Trotz Protest meiner Familie joggte ich allein los. Mein Vater rief nach mir, forderte mich auf, sofort zurückzukommen. Doch ich war schon 18. Ich konnte auf mich selbst aufpassen!
Für einen gewöhnlichen Teenager, der eigentlich wenig mit Sport zu tun hatte, war ich recht schnell unterwegs. Mit konstanter Geschwindigkeit lief ich einen kleinen Hügel hinauf und in die Siedlung, aus der diese enorme Druckwelle gekommen war. Oben angekommen joggte ich die Straße entlang, während ich mich neugierig umsah. Die Anrainer hier schienen ebenfalls irritiert über das vorangegangene Megafeuerwerk zu sein und hatten ihr Böllern erstmal eingestellt, doch ich war wohl der Einzige, der dieser Sache tatsächlich auf den Grund gehen wollte. Am Ende der Straße schlich ich um eine Steinmauer, die wohl kürzlich von etwas beschädigt worden war. Und dann sah ich etwas Unvorstellbares: Auf einer recht großen Wiese schienen gerade mehrere Leute gegeneinander zu...kämpfen!? Ja, tatsächlich! Ein kräftiger Mann verpasste einem anderen gerade einen gekonnten Schlag in die Magengrube, während eine rothaarige Frau einem Mann in einer Rangelei eine Pistole aus der Hand schlug. Zwei Autos standen außerdem inmitten dieses Chaos. Eines davon, ein schwarzer SUV, stand recht nahe an mir. Vor diesem lag ein verletzter Wolf, der knurrend auf diese wilde Szene schaute. Sein Ohr zuckte überrascht, als er mich erblickte. Bevor ich realisieren konnte, was hier überhaupt vor sich ging, wurde ich am Nacken gepackt. „Gehörst du auch zu denen?", keifte mir eine männliche Stimme ins Ohr. Entsetzt versuchte ich, mich aus dem Griff des Fremden zu befreien. Meine Stimme versagte. Was ging hier überhaupt vor sich!?
Ein heftiger Strahl aus loderndem Feuer schoss plötzlich auf den Mann hinter mir zu. Dieser wurde etwas zurückgeworfen, ließ mich dabei los und fiel schließlich mit einer brennenden Jacke auf den Boden. Panisch öffnete er den Reißverschluss seiner Kleidung, um die Jacke abzuwerfen. Ich warf einen Blick in die Richtung, aus der der Feuerstrahl gekommen war: die rothaarige Frau stand grinsend in einigen Metern Entfernung und pustete eine kleine Flamme, die auf ihrem Zeigefinger herumtanzte, aus. Jetzt hatte ich wirklich alles gesehen.
„In den Wagen! Schnell!", befahl mir plötzlich der Mann, der eben noch wie ein WWE-Fighter seine Fäuste geschwungen hatte. Ich wurde am Arm gepackt und in die Richtung des schwarzen Wagens gezerrt. Ich wollte protestieren, von hier einfach schnell verschwinden, doch ein Blick über meine Schultern genügte, um mich umzustimmen. Einer der Fremden krabbelte gerade zu der Pistole, die er vorhin zu Boden fallen hat lassen. „Wir bringen dich hier weg, dir passiert nichts. Versprochen", versicherte mir nun auch die Rothaarige, die schnell die Türe des Wagens aufriss. Sie hatte mich vorhin immerhin beschützt. Von all diesen dubiosen Gestalten hier vertraute ich ihr noch am meisten. Doch das alles ging mir viel zu schnell, um wirklich abzuwägen, was ich hier eigentlich tat. Ich keuchte hörbar aus, als ich in das Auto geschubst wurde und sah dann fassungslos zu, wie die Rothaarige und der Kämpfer dem verletzten Wolf beim Einsteigen halfen und neben mich auf den Rücksitz legten. Meine Schultern spannten sich an. Ich hätte lieber den Typ mit der Pistole als ein verdammtes Raubtier neben mir!
Meinen lauten Protest ignorierend, stiegen die zwei, die eben noch den Wolf neben mich gelegt hatten, vorne in den Wagen. Die Rothaarige setzte sich ans Steuer, der andere Typ gab sich als Beifahrer zufrieden. Dann stampfte die Frau regelrecht aufs Gaspedal. Ich erschrak, als eine Scheibe des Wagens von einer Kugel getroffen wurde, doch niemand wurde durch den Schuss verletzt. Dann düsten wir im Formel-1-Tempo davon und ließen die anderen Unbekannten zurück. Vermutlich gehörte der andere Wagen ihnen und sie würden uns bald verfolgen. Ich starrte auf das Raubtier neben mir, das nur ein genervtes Schnaufen von sich gab. Ganz normale Situation.
„Geht's dir gut?", kam nun endlich die Frage des Beifahrers, während die Lenkerin mit viel zu hoher Geschwindigkeit auf ein Waldgebiet zuhielt. „Äähm...J-Jain?" Eine bessere Antwort fiel mir nicht ein. Ihm sollte wohl bewusst sein, dass ich für das, was eben passiert war, eine Erklärung ganz herzlich begrüßen würde. „Also ja. Das ist gut. Jedenfalls: das hier bleibt unter uns, okay? Die Typen vorhin waren Jäger. Oder Wilderer, wie man sie eben nennen will. Jagen magische Wesen. Also mich, diese zauberhafte Magierin neben mir und den Wolf da neben dir. Werwolf, um genau zu sein." Ich blinzelte, versuchte das, was mir hier gerade erzählt wurde, irgendwie zu verarbeiten. „Aha. Habt ihr auch ne' Erklärung, die nicht direkt aus Twilight kommen könnte?", kam es aus mir heraus. Täuschte ich mich oder hatte der Wolf neben mir gerade gegrinst?
Der Wagen bog nun in eine Forststraße ab, fuhr dann noch einige Zeit weiter und kam dann irgendwann in einer Lichtung im Wald zum Stillstand. Wir stiegen aus und ich schnappte erstmal ganz, ganz tief nach Luft. Die Fremden schienen wir abgeschüttelt zu haben. In der Ferne konnten wir noch das Feuerwerk der Siedlungen und Dörfer hören. Ich setzte mich ins Gras und schaute die zwei...Wesen vor mir wie ein betrunkener Esel an. Der Wolf, der nun langsam aus dem Wagen stieg, neben mich humpelte und sich ins Gras fallen ließ, machte diese Gesamtsituation umso unbegreiflicher. Es stellte sich heraus, dass der Wolf wohl eine Schusswunde erlitten hatte. Als ich den Mann auf die Verletzung hinwies, winkte dieser ab. „Ist die Kugel nur aus Eisen, kannst als Werwolf darauf scheißen", hatte er erwidert.
„Die Explosion, die dich wohl angelockt hat...", fing die Zauberin der Gruppe nun an zu reden, „...kam von einem meiner Zaubersprüche. Ich musste zu...gröberen Mitteln greifen. Vielleicht hab ich etwas übertrieben." Sie machte eine Kunstpause. „Dass dieses ganz besondere Feuerwerk eben auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf uns zieht, ist mir etwas zu spät bewusst geworden. Sorry, dass wir dich da hineingezogen haben. Wir haben uns nur verteidigt. Das war alles." Sie sagte das, als wäre es das Normalste der Welt, sich gegen bewaffnete Leute verteidigen zu müssen. Vermutlich war es das auch. „Wenn du uns versprichst, das hier für dich zu behalten, erzählen wir dir gerne mehr über uns. Aber erstmal solltest du einfach wissen, dass...naja, dass magische Wesen existieren. Ich glaube, das ist fürs Erste einmal genug zum Verdauen."
Gerade als sie das sagte, läutete mein Handy. Mein Vater rief mich an. „Sieht so aus, als würdest du bereits vermisst werden. Wir bringen dich heim, sobald es fürs uns sicher ist, aus diesem Wald zu gehen. Triff uns morgen um diese Uhrzeit wieder genau hier. Dann können wir in Ruhe darüber reden." Ich nickte einfach nur. Zu einer anderen Reaktion war ich im Moment einfach nicht in der Lage.
Eine wirklich zufriedenstellende Erklärung für mein Verschwinden hatte ich für meine Familie nicht finden können. Ich hatte ihnen erzählt, dass ich nichts Besonderes gefunden hätte und noch einen schnellen Spaziergang machen wollte. Damit mussten sie sich erstmal zufriedengeben. Nun stand ich auf der Terrasse und starrte mit einem Glas Sekt in der Hand in den Himmel. Selbst 45 Minuten nach Mitternacht schossen noch vereinzelte Leute in unregelmäßigen Abständen Feuerwerkskörper in die Luft. Heute würde ich wohl etwas mehr als dieses eine Glas trinken. Von der „same procedure as every year" fehlte jede Spur. Doch eines wurde mir nun klar: hatte ich vor einer Stunde noch geglaubt, dass jedes Jahr gleich ablaufen würde, so hielt bereits der Anfang dieses Jahres etwas absolut Verrücktes bereit. Man musste sich wohl tatsächlich jedes Jahr auf etwas Neues, etwas Außergewöhnliches vorbereiten. Das neue Jahr fing schon einmal absolut verrückt an. Doch was jetzt noch alles bevorstehen würde, das würde ich wohl selbst in den wildesten Träumen nicht erahnen können. Und doch war ich mehr als gespannt darauf. Vielleicht nicht vorbereitet, aber auf jeden Fall gespannt!
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