5. Lacuna
"Ich vertraue ihm trotzdem nicht. E27 ist kaum zwei Jahre her, wir können uns unmöglich darauf verlassen, dass er komplett geläutert wurde."
"Wooyoung, Seonghwa hat das genauso hinter sich gelassen, wie San oder Mingi. Es ist hier egal. Wir verfluchen hier niemanden für wer er war. So funktioniert diese Crew nicht." Hongjoong rieb sich mal wieder gestresst die Schläfen, er hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft er das heute getan hatte.
"Wir werden gejagt. Uns jetzt zu verstreiten, könnte ein fataler Fehler sein, unter dem nicht nur Seonghwa leiden wird. Wenn dein Vater uns in die Finger kriegt, lande ich im Gefängnis, du wieder daheim, San als Spielzeug in den Klauen deines Vaters, Yeosang vermutlich tot, Hwa auch und der Rest von uns auf den Straßen. Wir können es uns nicht leisten unbedacht zu werden. Lass uns das klären wie Erwachsene und dann so schnell wie möglich abhauen."
Wooyoung starrte ihn noch immer unwillig von seinem Platz aus an, sein Dschinn schützend in seinen Armen. Die finstere Stimmung drückte merklich auf die Crew herab, Zweifel und Stress in ihrer aller Gesichter gezeichnet.
"Ihr habt Taemin gehört. Wenn er vergeben kann, dann können wir das auch. Außerdem stehe ich unter keinem Bann.", apellierte er sanft an ihrer aller Gewissen, wusste es genau, dass sie Seonghwa niemals als Mörder kennengelernt hatten. Nur als ihr sanfter, summender Nachtwandler, der immerzu die Zunge zwischen seinen Zähnen einklemmte.
"Komm, lass uns nach ihnen sehen. Wir können das auch insgesamt in der Gruppe abklären, mit Seonghwa hier. Inzwischen sind ja hoffentlich alle zivil genug, um nicht auf alten Trauma herumzuhacken." Yunho warf einen bedeutungsvollen Blick auf Wooyoung, der seinerseits nur finster die Brauen zusammenzog.
Hongjoong nickte erschöpft, folgte ihrem Bleuwy aus dem Raum.
"Vielleicht solltest du auch nochmal einzeln mit ihnen reden. Ich bin mir sicher die Hälfte von ihnen funktioniert eher als Mitläufer, als dass sie tatsächlich feste Gründe haben ihn zu meiden. Mingi vermisst ihn jetzt schon."
Sie tauschten ein schwaches Lächeln, bevor Hongjoong den Code zu ihrer Tür eingab.
Drinnen saßen Taemin und Seonghwa möglichst weit voneinander entfernt auf dem zerwühlten Bett, die Augen pausenlos auf den anderen gerichtet. Als Hongjoong und Yunho leise eintraten, wandte Seonghwa erleichtert den Kopf, nur um bei Yunhos Anblick sofort wieder zu erstarren. Nervös verkrampfte er seine Hände in seinem Schoß. Hongjoong spürte es, wie Yunho sich hilflos anspannte.
"Ich wollte ihn entführen, aber er hat es nicht mit sich machen lassen. Er verdient besseres, als eine Crew, die ihn verrät.", murrte Taemin von seiner Ecke aus, seine heute schwarz gekleidete Gestalt lässig über das Bett drapiert.
Hongjoongs Herz stotterte bei seinen Worten in seiner Brust und hastig schritt er auf Seonghwa zu, zog dessen Kopf wie das höchste Gut an seine Brust. Seonghwa zögerte nicht seine Arme schützend um Hongjoongs Hüften zu legen, den gleichen Beistand zurückzugeben.
"Danke, dass du geblieben bist." Seine Stimme klang erstickt und rau in seinem Hals. Was hätte er getan, wenn Taemin ihn fortgenommen hätte? Bebend grub er seine Finger tiefer in Seonghwas weiches Haar.
"Ich gehöre zu dir, Hongjoong. Du entscheidest über mein Leben und wenn du es zum Schutz deiner Crew beenden willst, so sei es."
Abrupt zog Hongjoong sich wieder zurück, starrte strafend in Seonghwas weiche Augen hinab.
"Seong-"
"Der Junge, Wooyoung. Wisst ihr, was sein Problem ist?", unterbrach Taemin sie knapp, warnte sie mit einem Blick diese Dinge privat zu besprechen. Yunho sah unglaublich fehl am Platz aus.
Hongjoong ließ von Seonghwa ab, um dem zögernden Bleuwy Zugang zu gestatten und der fragte behutsam bei jeder Berührung um Erlaubnis, erklärte Seonghwa exakt, was er tat.
"Nein, sag es uns. Wir gingen davon aus, dass es einfach sein Verteidigungsinstinkt war."
Taemin setzte sich finster auf, um seine Arme zu verschränken und Hongjoong lehnte an der Wand, tat es ihm gleich.
"Uns hört hier keiner, solange ich hier bin, als Information." Yeosang. Hongjoong nickte kurz.
"Es mag sein, dass der Lashunta sehr empfindlich sein mag, vor allem auch, was den Schutz seiner Freunde angeht. Aber dieses Mal ist es nicht der Dschinn, den er schützen will. Es ist der andere, sein Freund."
"Yeosang?"
Hongjoong zweifelte nicht daran, dass Yunho und Seonghwa beide angestrengt lauschten, versuchte sich bereits einen Reim auf die Dinge zu machen.
"Ich weiß, dass er seine Identität vor euch geheim hält und ich werde auch nicht mehr verraten, als nötig, aber seiner wahren Gestalt, der richtigen, wahren Gestalt, fehlt etwas sehr zentrales. Seine Art verliert es bei großem Verlust und es kann nicht wiedererlangt werden. Es könnten seine Eltern gewesen sein, seine Geschwister, vielleicht auch eine geliebte Person... Aber ich bin mir sicher, er verlor es dort und Wooyoung weiß genau bescheid darüber."
Hongjoongs Gedanken rasten, als sein Kopf wieder versuchte ihn mit viel zu vielen Informationen zu versorgen, den fehlenden Teilen in Yeosangs Vergangenheit. Yunho sah ebenso aus, als versuchte er Yeosangs Art zu erraten, während Seonghwa ja zwar Zweifel gehabt hatte, aber nun endlich bestätigt war, dass nein, Yeosang war kein Mensch. Sie vergaßen das gerne.
"Ich fürchte nur, dass Yeosang nichts von dieser Motivation ahnt. Im Moment denkt die Crew Seonghwa sei ein Bösewicht, weil Wooyoung so reagiert, ohne mehr Hintergrundinformationen zu haben. Niemand hört gerne von einem Mörder an Bord. Aber so wie es ist, denkt Wooyoung nur an Yeosang, nur an die Auswirkungen, die diese Enthüllung auf das gemeinsame Leben an Bord haben könnte. Aber Yeosang scheint kein Problem zu haben."
Hongjoong hob zweifelnd eine Braue.
"Du meinst... Wooyoung versucht Yeosang vor etwas zu verteidigen, was Yeosang nicht interessiert? Klassisches Kommunikationsproblem?"
Taemin nickte, wenn auch verlangsamt.
"Also müssen wir Yeosang dazu kriegen Wooyoung zur Vernunft zu rufen. Und den Rest der Crew Seonghwa nicht zu misstrauen."
Ein weiteres Nicken.
Yunho tätschelte tröstend Seonghwas Knie und der sah wieder im Konflikt mit sich selbst aus. Prinzipiell hatte er nichts falsch gemacht, aber nun wohl doch, auf Yeosang bezogen.
"Charmant von ihm wütend zu werden, ohne den richtigen Grund zu liefern."
"Den Grund zu liefern, würde bedeuten Yeosang zu enttarnen. Und das will er nicht."
Angestrengt rieb Hongjoong seine Augen.
"Gut, ich lasse mir etwas einfallen. Danke für deine Hilfe.", wandte er sich wieder fester an Taemin und der gab ihm ein bitteres Lächeln.
"Ich hätte es nicht getan, wenn es nicht um Seonghwa gehen würde. Statt den Schatz zu schützen, den ihr mit euch führt, geht ihr willig dagegen vor. Ich hatte gehofft diese all zu menschlichen Anwandlungen hatten sich in den den Jahren verloren."
Hongjoong spürte heiße Wut in sich aufflackern, weil er hatte Seonghwa verteidigt, er würde immer auf Seonghwas Seite sein, aber Taemin hatte recht. Er hatte darin versagt solche Streitereien zu vermeiden.
"Was wären wir für Piraten, ohne dass die Crew sich mal in die Haare kriegt und Meuterei begeht?" Yunhos Stimme war sanft, er hatte sich wieder aufgerichtet und sah dem Ùi mit einer höflichen Distanz entgegen. Er fürchtete ihn nicht, aber er schien es auch nicht einzusehen von dem prinzipiell Fremden in Frage gestellt zu werden.
Taemin neigte bloß höflich den Kopf und verschwand dann in einer Wolke der Finsternis. Hongjoong atmete prompt merklich auf, kaum war er weg. Sie balancierten über eine gefährliche Linie, was die Gunst des Ùi anging.
"Er war es, der mich lange vor der Pirateninsel kannte... Der mich beim Fall beobachtet hat. Er ist etwas wie ihr beide für mich oder Yeo für Woo.", erklärte Seonghwa sich leise und Yunho lächelte nur beruhigend auf ihn herab.
"Er hat recht. Wir müssen nur geschickt handeln, dann klärt sich das wieder."
Hongjoong plumpste seufzend auf ihr Bett, die Migräne ein dumpfes Pochen hinter seinen Augen.
"Dann koordinier das ein bisschen, in Ordnung? Wooyoung und Yeosang müssen sich aussprechen."
"Klar. Wozu habe ich das studiert? Du konzentrierst dich mal nur auf unsere Fluchtpläne." Yunho salutierte ihm spöttisch und verließ dann leise den Raum. Hongjoong schloss murrend die Augen.
Seonghwa blieb in seiner Ecke und sie teilten sich die Stille, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, wie sie weiter vorgehen konnten und sollten.
Hongjoong könnte sie in der Tat alle allein ansprechen und Wooyoung weit genug zur Verzweiflung treiben, dass der Mann die zentrale Information rausrückte. Oder auch in der Gruppe mit Seoghwa zusammen reden, damit es den anderen bewusst wurde, was genau sie gerade falsch machten, wer es war, an dem sie zweifelten.
Und nebenbei mussten sie fliehen. Hilg war keine Option und es war schwer eine wütende Meute zu beruhigen, wenn man auf engem Platz mit ihr eingeschlossen war. Also wäre es eine gute Idee irgendwo Unterschlupf zu finden, auf einer weitesgehend friedlichen Insel abzuwarten, bis ihre Verfolger ihnen nicht mehr so dicht auf den Fersen wären.
Er könnte auch-
Weiche Lippen auf seinen rissen ihn aus den Gedanken. Erschrocken sah er zu Seonghwa auf, in sein vertrautes Gesicht mit den langen, dunklen Wimpern auf seinen Wangen. Hongjoong wollte ihn bis in alle Ewigkeit in Wunder anstarren, aber es ließ es, gab sich dem süßen Kuss des anderen hin.
Sie konnten es wieder alles hinbiegen.
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