4. Misstrauen
Seonghwa ging es zum Glück bald schon wieder etwas besser und er erwachte, saß für eine lange Zeit lang nur schweigend mit Hongjoong im Zimmer. Beide hielten ähnliche Posen der Verzweiflung, die Köpfe in den Händen vergraben. Seonghwas kleines, orangenes Licht in ihrer Zimmerecke schien blasser als sonst, ebenso verloren wie der Rest von ihnen.
Seonghwas einzige Lösung war es zu gehen. Hongjoongs einzige Lösung war es, genau das nicht zuzulassen.
"Ich werde versuchen es ihnen zu erklären. Du bleibst hier und wartest. Ich denke nicht, dass sie dich noch einmal angreifen werden."
"Ich will mit dir kommen. Sie sorgen sich um dich, sie werden versuchen dich von mir fern zu halten."
"Seonghwa, es gibt buchstäblich Bücher darüber, wie man dagegen vorgegangen ist, wie Nachtwandler ihren Einfluss üben. Ich erwarte genug Intelligenz von jedem von ihnen, um zu verstehen, dass du mir nichts Böses willst."
Und somit war Hongjoong allein gegangen, wie ein Fremder auf seinem eigenen Schiff zur Brücke hin gewandert.
Er fand dort Aurora und Yunho, offensichtlich mit Wooyoung streitend, während der nur stur mit San an seiner Seite in einer Ecke saß. Als Hongjoong ankam, erstarben die letzten Erklärungen von Auroras Seiten, die buchstäblich dabei gewesen war und alle Paar Augen fanden ihren müden Kapitän.
"Ist er in Ordnung? Ich kann einen Blick auf ihn werfen, wenn du willst. Als Arzt habe ich ein Verprechen gegeben.", grüßte Yunho ihn sofort mit einer angespannten Sorge, seine Augen unsicher über Hongjoongs Hals und bleiche Haut flackernd.
"Yunho!"
"Nein, Wooyoung! Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß. Ich war es, der Hongjoong damals davon abgeraten hat und du warst es, der von Seonghwa versorgt wurde, wenn du mal wieder Dummheiten begangen hast, die keiner von uns respektieren konnte! Du hast gesehen, wie er Hongjoong verarztet hat, als der fast gestorben ist und du genau nichts tun konntest! Er mag ein Lügner und Mörder sein, aber ich werde nicht seinen Tod verschulden! Dann kannst du mich danach genauso verachten wie ihn!"
Yunho war fuchsteufelswild. Hongjoong hatte den umgänglichen Bleuwy in ihrer langen Freundschaft selten so wütend gesehen, so unentschlossen was er glauben sollte. Natürlich schrie ihn sein Kopf an auf Hongjoongs Seite zu sein, aber sie alle fürchteten die Magie der Nachtwandler. Er wusste es von ihnen allen am besten, wozu sie fähig waren.
Wooyoung gab bloß ein wütendes Schnauben ab, zog defensiv San enger an seine Seite.
"Warum denkst du nicht mit, was das für andere hier bedeuten kann? Für San? Wir haben darüber gesprochen, wie Nachtwandler-"
Hongjoong unterbrach ihn ruhig, seine Präsenz im Raum schon beinahe wieder vergessen. Dennoch reichte seine leise Stimme, um sie sofort zum Schweigen zu bringen.
"Dann geht es dir hier um Nachtwandler. Aber wir diskutieren hier nicht die Boshaftigkeit der Nachtwandler, wir diskutieren Seonghwa. San wusste damals genau, wer an Bord war, als wir ihn mitgenommen haben."
Daraufhin schwieg Wooyoung eingeschnappt, seine Lippen in eine dünne Linie zusammengepresst. Seine dunklen Augen flackerten zornig.
Hongjoong wandte sich müde an Yunho.
"Ich würde es begrüßen, wenn du nach ihm siehst, wenn ich dich auch begleiten möchte. Ihr habt sein Vertrauen ebenso gebrochen, wie er das eure und er ist momentan sehr instabil." Er versuchte es neutral zu sagen, keiner Partei einen Vorteil zu machen, aber die Enttäuschung in seine Crew ließ sich kaum aus seiner Stimme nehmen.
"Wir sollten das hier klären, bevor er auf dumme Ideen kommt. Wollt ihr die anderen holen?"
Er ließ sich ungelenk auf seinen Stuhl fallen, bekam sofort Gesellschaft von Aurora, die in seinen Schoß kroch und versuchte sich zu erklären, schwor ihr bestes getan zu haben. San huschte aus dem Raum, während Hongjoong nur erschöpft durch das weiche Fell der Freundin streichelte.
Yunho fragte ihn leise nach seinen Methoden der Wundbehandlung und Hongjoong erklärte es ihm, während Wooyoung nur schweigend an eine Wand starrte, die Messer in seinem Gürtel tückisch grinsend.
Es dauerte nur wenige Minuten, dann wanderte der Rest der Crew bereits wieder in den Raum und suchte sich einen Platz zum Sitzen, die Augen bittend auf Hongjoong.
"Ich will euch vorab sagen, dass während ich zwar mit Seonghwa zusammen sein mag, bedeutet das nicht, dass ich absolut blind allem anderen gegenüber bin. Ich weiß nicht, warum ich plötzlich zwischen ihm und euch gelandet bin, aber ich will meine Crew als Ganzes behalten."
Ernst sah er in ihre bittere Runde, bekam ein vorsichtiges Nicken von Yunho.
"Seonghwa denkt darüber nach das Schiff zu verlassen, aber ich werde es ihm nicht gestatten. Ebensowenig wie jedem von euch, in dieser Situation, weil es wirklich keinen Grund dazu gibt."
Hongjoong sah streng Wooyoung an und der zeigte zum ersten Mal etwas Reue, seine Augen im Schock geweitet.
"Es ist absolut nicht meine Aufgabe euch das zu erzählen, aber Seonghwa plagt sich schon die ganze Zeit mit seiner Schuld und er hat nicht selten versucht sich zurückzuziehen oder seinen Tod zu empfangen. Aurora und Yunho wissen Bescheid vom ersten Mal, als er das getan hat, Yeosang und Jongho waren anwesend, als er es das zweite Mal tat. Es sollte nicht schwer für euch zu erraten sein, dass er offensichtlich von etwas verfolgt wird und ich habe zumindest ein bisschen Vorsicht erwartet, als ihr es mitbekommen habt."
Sie nickten langsam, die betroffenen Zeugen nackdenklich.
"Ich bin mir sicher, die Hälfte von euch geht E27 rein gar nichts an und tangiert euch nicht im geringsten. Natürlich verstehe ich eure Angst vor jemandem, der Piraten getötet hat auf eurem eigenen Schiff, aber ihr überseht es, dass er nun selbst einer ist. Und ich dachte, wir seien uns alle einig, dass die Regierung so viel an Lügen fabriziert hat, dass man keinem ihrer Männer tatsächlich böse sein kann." Seufzend ließ er seinen Nacken knacken.
"Ich traue euch genug Vertrauen in mich zu, dass ihr wüsstet, dass ich keine willenlose Puppe von ihm bin und dass er nicht hier ist, weil er mich dazu zwingt. Wie auch immer weiß ich, dass ihr nicht so aufgebracht wäret, wenn nicht mehr dahinter stecken würde. Also werden wir es uns ganz einfach machen."
Hongjoong drehte sich in seinem Stuhl herum, gab der Sunrise ein Anrufkommando an Taemin.
Er hob nicht einmal ab, stand einfach nur von einem Moment zum nächsten in ihrer Mitte. Aufmerksam glitten seine Augen durch ihre Runde, blieben kurz an Yeosang und San nebeneinander hängen.
"Hey, Joong, ist gut dich zu sehen. Welcher Seek hat euch gekickt?"
Seine Stimme war wie Samt, weich und angenehm um sie und die paar, die ihn nicht kannten, legten fragend den Kopf schief. Also Mingi.
"Das hier ist Taemin, König des Südens, Ùi und ein Freund von Seonghwa. Wir haben ihn kennengelernt, als wir San befreit haben.", gab Hongjoong eine allgemeine Information, deutete Taemin an seine Seite zu kommen.
Lässig grinsend schlenderte der Mann zu ihm hinüber, lehnte schwarz wie die Nacht an seiner Seite.
"Taemin, stehe ich momentan unter irgendwelchen Nachtwandlerbännen? Irgendjemand hier?"
Taemin sah für einen kurzen Moment suchend in ihre Runde, die Augen unfokussiert und bei Yeosang zog er abermals konfus die Augenbrauen zusammen. Aber er kommentierte es nicht.
"Nein. Was hat es zu bedeuten, dass ich Seonghwa nicht hier sehe?" Er klang fast... drohend, eine unausgesprochene Warnung in seiner Stimme.
Hongjoong deutete nur auffordernd Wooyoung zu sprechen, würde das sicherlich nicht diesem bedrohlichen Mann erklären. Wooyoung selbst biss auch für einen Moment die Zähne zusammen, erklärte dann aber sein Misstrauen.
Taemin hielt sein ungläubiges Lachen nicht zurück.
"Seonghwa? Was für ein Blödsinn. Habt ihr euch diesen Mann genau angesehen? Er könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun."
Hongjoong wusste, was kam, aber er hatte keine Möglichkeit es aufzuhalten.
"Das erklärt leider nicht die Tausende von Toten, die er hinterlassen hat, nachdem er eine gesamte Insel ausgelöscht hat!"
Wooyoung war in der Tat mutig, aber hierbei grenzte es an reinen Leichtsinn.
Hongjoong sah es nicht, wie Taemins Blick sich verdunkelte, aber er spürte eine deutliche Finsternis von ihm wabern, San alarmiert etwas vor Wooyoung rücken.
"Vorsicht, mein Freund. Zu diesen Toten zählten einiger meiner besten Freunde.", schnitt seine Stimme kalt durch die Luft und Wooyoung legte die Fühler an, sprach allerdings nicht mehr.
"Seonghwa ist der einzige der E27, der überlebt hat. Er ist das Zentrum allen Hasses, aller Abscheu und Furcht der Betroffenen. Versetzt euch kurz in seine Lage. Unwillig zum Mörder geworden, nicht tot, wie er es sein wollte und von der Welt gehasst. Er hat keine schönere Rolle, als andere von euch. Wir könnt ihr - großteils nicht Betroffenen - ihn verachten, wenn er euch akzeptiert hat, wie ihr seid?" Taemins Stimme donnerte zornig durch den Raum und Hongjoong zuckte etwas zusammen, aber noch war es in Ordnung.
"Er hat niemandem von euch etwas getan, ich sehe es in euren Erinnerungen. Er war immer gut und freundlich, immer so willig für Buße. Und das ist es, wie ihr es ihm dankt? Lasst ihn gehen, wenn ihr ihn nicht verdient."
Hongjoongs Körper zitterte gegen seinen Willen, sein menschlicher Leib aufgewühlt von der Macht des Aliens an seiner Seite und mühevoll legte er seine Arme enger um sich.
"Ich will ihn sehen."
Hongjoong nickte nur schwach zur Tür nach draußen hin.
"Zweite Tür links. Sei so gut und klopf an."
Taemin stapfte schweigend aus dem Raum, aber er hinterließ einen letzten vorwurfsvollen Blick an Yeosang, den der Mann nur mit einem stummen Nicken quittierte.
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Kleine Info von meinen Seiten: ich werde die nächsen zwei Wochen nicht viel zum Schreiben kommen. Es werden Updates kommen, aber seltener, danke für eure Geduld ^^
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