14. Aurora

"Ihr müsst aufhören das Seepferdchen von Bord zu werfen."

Überrascht wandte Hongjoong sich zu Jongho um. Er hatte den anderen Mann in den letzten Tagen so selten auf dem Schiff gesehen, dass es ihm beinahe so schien, als würde er ihn aktiv meiden. Umso verwirrender also, dass der Mann ihn nun mit so einer kuriosen Sache ansprach.

"Warum? Hat Mingi dich geschickt? Wir können ja von mir aus Haustiere haben, aber ich hätte ganz gerne welche, die nicht zwischen meinen Zehen klemmen, während ich dusche. Wenn Mingi es unbedingt behalten wollte, hätte er mir das sagen müssen."

Jongho sah verzweifelt aus. Himmel, war das Vieh ihnen so wichtig? Vielleicht hätte Hongjong erst fragen sollen, aber er war abgelenkt von dem Bild eines wilden Park Seonghwa auf seinem Bett, der ihn regelrecht anflehte von ihm Kinder gemacht zu bekommen.

Hongjoong befand sich im Recht.

"Das bin ich, Captain."

"Huh? Nur du wolltest es behalten?" Hongjoongs Gehirn war schon wieder woanders.

"Ich bin das Seepferdchen!"

Hongjoong erschreckte sich vor dem plötzlichen Ausbruch, starrte Jongho an, als hätte er gerade versucht ihm weis zu machen, dass er heimlich ein Seepferdchen war.

Was genau das war, was er gerade tat, wenn Hongjoongs sämtliche Geräte nicht ganz kaputt waren.

"Du bist ein Seepferdchen."

"Ich bin das Seepferdchen, das ihr jetzt schon zweimal ignorant von Bord geworfen habt, ja. Nicht, dass ich das teilen wollte, aber da hast du es." Jongho verschränkte trotzig die Arme vor der Brust, starrte nurnoch semi bedrohlich auf Hongjoong herab.

Es war offensichtlich nicht das angenehmste Thema für ihn, aber oh Mann, ihr starker, tougher Jongho war ein Seepferdchen. Klein und orange im Wasser.

"Ich werfe dich nicht mehr von Bord, aber ich werde das sowas von allen erzählen." Mit einem Satz war Hongjoong auf den Beinen und rauschte an Jongho vorbei, überraschte den Mann für einen Moment.

"Yah- Kim Hongjoong!"

Hongjoong stellte amüsiert fest, dass ihn niemand außer Seonghwa so wirklich beim Namen nannte und es spornte ihn nur mehr an.

Er fiel mit der Tür in Wooyoungs Zimmer, fand ihren Lashunta über San und Yeosang ausgestreckt, alle drei einen kleinen Kuschelhaufen machend. Yeosang öffnete sofort aufmerksam die Augen, als er Hongjoong bemerkte, starrte ihn fragend an.

"Jongho ist ein Seepferdchen."

Das gequälte Jammern hinter ihm war Hongjoongs einzige Warnung, bevor er unwirsch von Jongho aufgesammelt wurde, schnaufend über der Schulter des Mannes landete.

"Was hast du mit ihm vor?", erkundigte Yeosang sich gelassen, während San noch aufgeregt an Wooyoung rüttelte, plante ihm schläfrig die Information zu vermitteln.

"Ich schmeiße ihn von Bord, wie er es verdient hat."

Hongjoong musste lachen, klammerte sich aber gleichzeitig auch panisch an die Hüften des anderen Mannes. Das war Jongho, der nahm die Dinge in ihrer Sportlichkeit immer etwas zu ernst.

Ihre Lautstärke hatte endlich auch die anderen alarmiert und Seonghwa tauchte verschlafen in ihrer Tür auf, biss sich beim Anblick des wehrlosen Hongjoong erstmal auf die Lippe.

Mingi lugte ebenfalls neugierig aus seinem Zimmer, die Haare in zwei kleinen Zöpfen zusammengebunden, die schief von seinem Kopf abstanden. Sie stellten... Hörner dar?

"Habe ich dabei noch ein Wörtchen mitzureden?" Seonghwa klang rau, seine Stimme mal wieder Musik in Hongjoongs Ohren.

"Nein. Finde dich damit ab und komm über ihn hinweg. Du findest jemand neuen." Jongho zuckte die Schultern, presste Hongjoong dabei einen Knochen scharf in den Unterbauch. Er brummte warnend.

"Ah ja, wie sieht es bei dir aus, Jongho? Ich fürchte der Rest ist irgendwie schon anders eingebunden."

Hongjoong brauchte ihn gar nicht zu sehen, um zu wissen mit was für einem Blick Seonghwa Jongho gerade anstarrte, verdrehte bloß die Augen. Siedende Eifersucht flammte ungeladen durch seinen Bauch.

Jongho war offensichtlich peinlich berührt.

"Uhh- Ich meine... Nein, also-"

Was bitte fanden seine vielen Seepferdchenfreundinnen so schrecklich attraktiv an ihm? Ein Baby!

Wooyoung lachte von der Tür hinter ihnen aus quietschig aus, begann in Freude zu klatschen und flüsterte Hongjoongs Gefühle auch San ein.

"Wusste keiner hier, dass Jongho ein Seepferdchen ist?", fragte dann allerdings ausgerechnet Mingi und Hongjoong wandte den Kopf, um Yunho an dessen Seite zu sehen, wie er nicht minder verwirrt zu seinem- Freund? Geliebten? Seelenverwandten? (Hongjoong hätte fragen sollen, bevor Jongho seinen Tod beschlossen hatte) hinübersah.

"Du wusstest es?"

"Yeah. Ich habe ihn mal in seiner Teetasse gefunden, nachdem er zu müde war, um diese Gestalt zu halten. Ist direkt vor meinen Augen passiert. Aber ich wollte es nicht sagen, weil wir uns ja darauf geeinigt haben, dass diese Dinge egal sind." Mingi hob nonchalant die Schultern, seine Augen mit Schalk glänzend.

"Moment, wann war das?" Hongjoong wurde seine Pose langsam unbequem.

"Keine Ahnung, ein Monat? Zwei? Schon eine Weile."

"Du hast ihn rausgeschmissen, obwohl du wusstest, dass er es war?!"

Hongjoong fühlte sich unvermittelt losgelassen und landete unsanft auf dem Boden, als Jongho nun Mingi nachsetzte, den kichernden Mann wütend grollend den Gang hinab jagte. Yunho folgte alarmiert und auch das Trio wollte für den Tratsch hinterher, aber Hongjoong erwischte Yeosang noch am Arm, hielt den Mann zurück.

Sie hatten auch noch eine Rechnung offen.

Hongjoong rappelte sich auf, wartete, bis die anderen aus der Tür verschwunden waren. Erst dann wandte er sich an Yeosang, baute sich bedrohlich vor dem absolut gelassenen Mann auf.

"Dann erzähl mal, was dachtest du dir? Ich verstehe ja, dass es für dich grausam sein muss uns zu hören, und dann auch irgendwann Woosan, aber-"

"Wenn man es ganz genau nimmt, Captain, dann habe ich sogar Woosan vor euch beiden gehört." Ein süffisantes Grinsen breitete sich auf Yeosangs Lippen aus, ließ Hongjoong kurz verharren. Seonghwa lauschte aufmerksam von ihrer Tür aus.

"Was? Haben die beiden nicht noch länger gebraucht? Mit San und all dem?"

Yeosang musste lachen, kurz und freudlos.

"Cap. San hat Wooyoung buchstäblich bei ihrem ersten Treffen flachgelegt."

Hongjoong verschluckte sich, hustete schmerzhaft und wusste nicht einmal, was er schlimmer fand. Wooyoung oder Yeosangs Wortwahl gerade.

"Die beiden haben es andersrum gemacht. Erst wilden Sex, dann dieses Gefühlschaos. Und ich weiß, nicht hinhören und alles, aber komm schon, es war sowas von effektiv!" Yeosang grinste den letzten Teil zu Seonghwa hin und der zwinkerte ihm bloß verschwörerisch zu.

Hongjoong hörte auf zu husten, wandte sich mit hochrotem Kopf wieder zu Yeosang um.

"Ich kann das alles gerade nicht ganz glauben. Erst Jongho, jetzt die beiden. Weiß jemand, ob Yunho Mingi datet?"

Ratlose Blicke.

"Falls es dich tröstet: ich denke Yunho und Mingi wissen selbst nicht, ob Yunho Mingi datet." Yeosang klopfte brüderlich Hongjoongs Schulter.

Man lernte scheinbar nie aus.

"Gut, wie kriegen wir dich dazu aufzuhören uns wegen unserem Liebesleben zu mobben? Du hast bestimmt irgendeine Art von Kopfhörern für genau diese Zwecke entworfen. Warum trägst du sie nicht?"

"Ich meine, nicht dass es mich irgendetwas angeht, aber ab und zu ist die Sicherheit, dass er dir nicht versehentlich zu viel Blut aussaugt eine ganz angenehme. 'Tschuldigung , Hwa."

Seonghwa winkte bloß ab, sah höchst amüsiert von all diesen Dingen aus.

"Wir arbeiten daran. Irgendwas, was dich nur hinhorchen lässt, wenn dein Name gesagt wird oder so. Dann bist du darauf angewiesen und wir müssen uns nicht jeden Atemzuges bewusst sein..."

Yeosang grinste bloß finster, winkte im Kontrast absolut niedlich mit seinem Pullover, der über seine Hände gerutscht war und hüpfte von dannen.

Hongjoong seufzte bloß, war sich Seonghwas in seinem Rücken akut bewusst.

"Er legt es darauf an."

"Oh, er legt es absolut darauf an. Yeosang steckt voller Geheimnisse."

Hongjoong drehte sich zu Seonghwa um, als der gerade einen Blick auf seine Uhr warf, einen überraschten Laut von sich gab, als er feststellte, dass es bereits tiefer Abend war.

"Komm mit, ich muss dir etwas zeigen." Eilig griff er sich Hongjoongs Hand, zog ihn mit sich mit. Misstrauisch musterte der andere Mann ihn, erwartete eine List, aber nichts dergleichen geschah. Seonghwa zog ihn nur hinaus auf ihr Außendeck und trotz seiner temperaturregulierenden Klamotten fröstelte Hogjoong kurz in der Nacht.

Er hatte es gemerkt, dass sie ihn kältere Gefilde flogen, aber das hier war extrem. Vor ihnen erstreckte sich eine wintrige Insel, nichts außer glitzerndem Schnee und Eis so weit das Auge reichte.

"Sieh nach oben."

Hongjoong tat es und Hongjoong blieb der Atem im Hals stecken.

Über ihnen erstreckten sich die Nordlichter, waren wie bunte Schleier in der Luft und es mochte das atemberaubendste sein, auf das Hongjoong jemals seine Augen gerichtet hatte. Ihre kräftigen Farben leuchteten von innen heraus, unvergleichlich mit allem anderen.

Kein Laut entkam ihm, als er sich langsam drehte, die gesamte überwältigende Schönheit um ihn studierte, unzählige Sterne zwischen den Lichtern sehen konnte und er wollte für immer bleiben, nie wieder seine Augen davon trennen.

Er setzte sich schließlich hin, hatte Angst von Deck zu fallen, wenn er sich weiter drehte und blieb für einige Stunden so, konnte sich kaum satt sehen an der schieren Menge natürlicher Schönheit vor ihm.

Er war hier. Es hatte lange gedauert, aber er war hier und sah die Aurora mit eigenen Augen. Und sie waren besser als alles, was er je gehört hatte.

In Erinnerung an seinen hübschen Nachtwandler wandte Hongjoong sich dankbar zu ihm um. Seonghwa saß an die Reling gelehnt, die sanften Augen pausenlos auf Hongjoong gerichtet. Auf der Reling hinter ihm saß Aurora selbst, sah ebenso überwältigt in den Himmel hinauf, der sich in ihren schwarzen Knopfaugen spiegelte.

Hongjoong sagte kein Wort, er kroch bloß schweigend zu Seonghwa hinüber und in dessen Schoß, verband ihre Münder in einem gefühlvollen Kuss miteinander.

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