24. Kapitel

Alexis

Wir sind in unserem Gästezimmer angekommen und ich bemerke wieder den mittlerweile zerknüllten Zettel in meiner Hand. Der Zettel von meinem Vater an Tom. Ich schaue zu Tom, der schon fleißig seine Sachen packt, da er wieder zurück fliegt, während ich noch ein paar Tage wegen der Beerdigung bleibe. Neugierig mustere ich den Zettel. Ich könnte jetzt lesen was da steht ohne dass Tom es wüsste, aber es ist nicht für mich bestimmt. "Tom?" Er schaut auf. "Mein Vater hat einen Zettel für dich geschrieben, er wollte ihn dir eigentlich persönlich geben", ich merke den Kloß in meinem Hals, als ich über meinen Vater rede. Tom schaut mich überrascht an und nimmt den Zettel in die Hand. Er faltet ihn vorsichtig auseinander.

Ich sehe wie er den Inhalt liest und noch ein zweites Mal. Er scheint gedanklich kurz abzudriften, dann schaut er mir ins Gesicht und lächelt kurz, ehe er sich den Zettel in seine Hosentasche steckt. "Was steht drauf?", frage ich ihn neugierig. "Das ist ein Geheimnis zwischen deinem Dad und mir", erwidert er und küsst mich sanft auf die Stirn. Wie gerne hätte ich es gewusst, tja, vielleicht sagt er es mir irgendwann...

Ich schaue aus dem Fenster, es ist ein regnerischer Tag und passt damit perfekt zu meiner Laune. Heute ist Freitag und damit die Beerdigung meines Vaters. Ich sitze auf der Fensterbank und lausche dem Geräusch der Regentropfen, die auf das Fenster prallen. Ein Klopfen ertönt an meiner offenen Zimmertür und ohne hinzusehen weiß ich, dass es meine Mutter ist. Ich schaue einfach weiter den Regentropfen zu wie sie an dem Glas runterfließen. Dann ertönen Schritte, die näher kommen und die Stimme meiner Mutter: "Heute ist das typische Nottingham-Wetter. Dein Vater mochte dieses Wetter, er meinte immer: 'Sonnenschein ist langweilig.' " Sie lacht kurz auf, als würde sie in schönen Erinnerungen schwelgen und als ich zu ihr schaue, schimmern ihre Augen. Ich schlucke, ich habe meine Mutter nie so lachen hören, so ehrlich und auch noch nie solch tiefe Trauer in ihren Augen gesehen. Sie muss ihn doch irgendwie geliebt haben.

Sie wendet ihren Blick vom Fenster ab, zu mir: "Lass uns losfahren." Und schon verschließt sie sich wieder und fährt ihre Mauer hoch, die keine ihrer Gefühle erahnen lassen kann.

"Nun werden noch nahe Verwandte von David Smith etwas sagen. Zu erst bitte seine Frau: Nora Smith", beendet der Priester seine Rede und fordert damit meine Mutter auf, ihre Rede für meinen Vater vorzutragen. Sie atmet zwei Plätze neben mir noch mal tief durch und bewegt sich dann nach vorne zum Rednerpult, neben dem die Urne mit der Asche meines Vaters steht. Die Beerdigung ist in der Kirche auf dem Friedhof. Sie ist nicht sehr groß, aber schön eingerichtet. Ihr Blick liegt auf der Urne, ehe sie beginnt: "David war mein Ein und Alles. Er kannte mich so gut wie sonst keiner und anders herum war es genauso. Er hat nur wenigen sein wahres Ich gezeigt und deswegen haben viele einen wunderbaren Menschen nicht kennenlernen können. Ich weiß, er hatte auch seine Fehler", sie schaut mir kurz in die Augen ehe sie fortfährt, "doch zum Ende hin hat er sie eingesehen und versucht das gut zu machen, was noch gut zu machen war. Er war ein guter Mann, der falsche Entscheidungen traf. Aber wir sind hier, weil wir wussten, dass er ein guter Mensch war. Und David? Ich liebe dich."
Ich senke meinen Blick, weil ich ihn nie so sehen konnte. Ich höre wie meine Mutter kurz aufschluchzt und sich dann eilig zurück auf ihren Platz begibt. "Möchte noch jemand etwas sagen?", fragt der Priester und mustert die Menge.

Meine Gedanken kreisen und bevor ich es bemerke, ist meine Hand schon oben. Der Priester nickt mir kurz zu und gibt mir damit die Erlaubnis nach vorne zu kommen. Unsicher laufe ich vor und bereue es sofort, was soll ich denn sagen? Ich kenne meinen Vater doch kaum und habe mich auch nicht auf eine Rede vorbereitet.
Und nun stehe ich hier hinter dem Pult und fahre nervös über mein schwarzes mittellanges Kleid.

Ich räuspere mich kurz. "Ich hatte nie ein besonders gutes Verhältnis zu meinem Vater. Eigentlich ist das untertrieben, es war schrecklich", fange ich traurig lächelnd an zu erzählen.

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