Kapitel 96

Mit leicht zittrigen Fingern öffnete ich die Nachricht und musste mir diese zwei Worte immer und immer wieder durchlesen....

Hilf mir

Mein Herz, so schnell wie es gerade auch pochte, setzte kurz aus. Ich vergaß zu atmen, zu blinzeln,... einfach alles für einen kurzen Moment.

Wie sollte ich anders reagieren? Rose hatte sich bei mir gemeldet,... mit einem Hilf mir.

Wo bist du?!

Schrieb ich zurück, sobald ich aus meiner Starre kam. Ungeduldig wartete ich auf eine Antwort von ihr. Sie musste antworten! Sie musste mir sagen, wo sie war, damit ich sie abholen konnte. Sie war irgendwo, wahrscheinlich verletzt und brauchte meine Hilfe... und ich stand hier, darauf wartend dass sie mir irgendeine Adresse schrieb...

Tat sie nicht.

Ich bekam keine zurück.

Panik stieg in mir hoch zusammen mit den Tränen, die ich für ein paar wenigen Stunden vergessen hatte...

„Sarah, was ist los?" Bemerkte Luke mein Verhalten, aber ich war zu panisch um auch nur ein Wort rauszubringen.

Ryan nahm mich und setzte mich auf die Couch, Maria holte mir ein Glas Wasser, damit ich mich wieder beruhigte.

Alle sahen mich an, darauf wartend, dass ich Ihnen irgendwas sagte, warum ich mich plötzlich so verhielt,... aber ich konnte nicht. Ich konnte einfach nicht, deshalb hab ich Jane mit zittrigen Händen mein Handy.

Sie nahm es sofort und las es sich durch, bevor sie es weiter gab und mich in den Arm nahm.

„Wir müssen die Polizei rufen!" Meinte Maria besorgt, „Ihr kann sonst was passiert sein!"

„Und was sollen wir Ihnen sagen?! Dass Rose weggegangen ist um sich irgendwelche Drogen zu spritzen?!" Fuhr sich Brian aufgebracht durch die Haare.

„Wir können aber nicht einfach hier bleiben, warten und nichts tun!" Konterte Maria.

„Dann suchen wir nach ihr:" Warf Luke ein, aber Ryan hob die Augenbraue: „Sie ist wahrscheinlich nicht mal in London und wenn schon, wie lange werden wir brauchen um diese ganze Stadt abzusuchen?!"

„Was sollen wir denn sonst machen?" Fragte Jane am ruhigsten von allen.

Ich stand auf, ich wollte weg, einfach einen stillen Platz für mich ohne diese Diskussion und nachdenken.

Keiner bemerkte wirklich, dass ich aus dem Wohnzimmer ging, so sehr diskutierten und überlegten sie, was sie jetzt machen sollten. Ich setzte mich an die Haustür gelehnt hin und weinte.

Was ist, wenn alles schon zu spät war?

Wenn Rose verletzt irgendwo lag und zu schwach war um irgendjemanden um Hilfe zu bitten?!

Ich weinte leise, während ich versuchte irgendeine Lösung zu finden. Ich versuchte den Drang meine Schuhe anzuziehen und durch ganz London zu rennen zu unterdrücken. Es würde kein Sinn machen und Rose nicht wirklich weiter helfen...

Irgendwas musste mir doch einfallen... Aber es war so leer in meinen Kopf. Einmal wenn ich mein non stop denkendes Gehirn brauchte, war es nutzlos.

Ich hasste es so hilflos zu sein. Ich hasste einfach dieses Gefühl nichts wirklich machen zu können, außer zu beten.

Ich hasste es so sehr...

Keine Ahnung, wie lang ich da saß, wie lang ich den Diskussionen im Wohnzimmer zuhörte, oder wie lange ich betete.

Keine Ahnung, aber es kam mir vor wie die Ewigkeit.

Ich schätzte mal, dass es um die halb Zwölf sein musste, die Mitternachtsglocke hatte noch nicht geläutet...

Eine halbe Stunde war es her, dass ich Rose Nachricht bekommen hatte und seit dem wartete ich flehend auf eine neue... aber keine einzige kam.

Ich musste zu den anderen, versuchen mit Ihnen auf irgendeine Lösung zu kommen... also stand ich auf und zwang meine Beine Richtung Wohnzimmer.

Es war besser, als nur alleine rumzusitzen und sich alles mögliche im Kopf auszumalen...

Bis ich das etwas hörte.

Ein kleines Klick. Ein ziemlich bekanntes Klick.

Ich verhafte in meiner Position, hielt den Atem an und versuchte noch einmal das Geräusch auszumachen.

Hatte ich es mir nur eingebildet?
Spielte mir mein Verstand etwas vor?

Bis dann die Tür leise etwas aufsprang.

Jemand hatte die Tür ausgesperrt... und nur eine hatte neben mir den Schlüssel zu dieser Wohnung.

Rose.

Ich zwang mich dazu mich endlich zu bewegen und nicht einfach weiter die Eingangstür anzustarren.

So schnell ich konnte lief ich die vier Schritte zurück zur Tür und riss sie auf, hoffend Rose zu sehen...

Ich traute mich nicht zu blinzeln, aus Angst, dass das hier alles nicht wahr war und Rose noch immer verschwunden war...

Andererseits wollte ich meine Augen schließen... ich konnte diesen Anblick von Rose nicht ertragen,... es brach mein Herz.

„Rose..." Sagte ich leise mit zittriger Stimme.

Sie sah leicht auf und suchte nach meinen Augen... Dann brach sie zusammen.

Ich konnte sie gerade noch auffangen und hielt sie in meinen Armen. Sie war nicht komplett ohne Bewusstsein, aber zu schwach um noch länger aus eigener Kraft sich auf den Beinen zu halten.

„Brian!!!" Schrie ich sofort. Er war stark genug um Rose locker den Weg nach oben zu tragen, „Brian!!"

„Sshh, es wird alles wieder gut." Küsste ich Rose am Kopf, auch wenn das eher an mich gerichtet war.

„Was ist los?!" Kam Brian gefolgt von den anderen zu mir und hielt inne, als er mich mit einer zusammengebrochenen Rose sah.

„Oh shit." Die letzten paar Meter zu mir sprintend, nahm er sie mir ab und hielt sie fest in seinen Armen.

„Wir müssen ins Krankenhaus." Nahm Ryan sein Autoschlüssel, aber Luke hielt ihn davon ab: „Können wir nicht. Der Dr von letztem Mal hat gesagt, dass er das nächste Mal die Polizei verständigen muss, wenn Rose wieder mit der illegalen Droge im Blut gefunden wird."

Fuck.

Und jetzt?!

Ich schlug mir leicht gegen den Kopf, während ich überlegte. Irgendeine Lösung muss es geben...

„Bring sie hoch und leg sie hin." Befahl ich Brian und holte mein Handy aus meiner Hosentasche.

„Was hast du vor?" Fragte Jane und gingen mit den anderen hoch in Rose Schlafzimmer.

Ryan breitete eine graue Decke über Rose komplettes Bett, bevor sie sie darauf legten und warteten alle angespannt, was ich vor hatte.

„Mein Dad kann uns helfen." Er musste einfach. Er war Chefarzt und wusste definitiv mehr als dieser Doctor von letztem Mal. Mein Dad war wirklich ein angesehener Arzt und hat schon in seinem Gebiet Auszeichnungen bekommen...

Ich hoffte nur er ging an sein Handy.

„Rose, hörst du mich?" Versuchte Brian sie einigermaßen bei Bewusstsein zu halten, was zunehmend schwerer wurde.

„Wo ist der Lichtschalter?!" Fragte Maria hinter uns und tastete weiter die Wand ab.

Verständlich, die Lichtschalter waren entweder gut versteckt oder gut getarnt... war nicht einfach sie zu finden.

„Links von dir." Antwortete Ryan ohne aufzusehen.

„Ah, ich hab ihn!"

Das Licht ging an und uns allen stockte der Atem. Durch das schwache Licht von außen hatten wir nicht sonderlich viel von Rose Zustand ausmachen können, aber was wir jetzt sahen...

„Ach du scheiße." Hörte ich Luke neben mir geschockt sagen.

Aus ihrer Nase, aus ihrem Mund und den verschieden Platzwunden quoll Blut, floss ihren Hals entlang und verschwand unter dem Oberteil. Meine und Brians Hände waren voller Blut, was durch das viel zu große Oberteil von ihr durchgesickert war. Ich kannte es nicht und es gehörte ihr höchstwahrscheinlich auch nicht, es war ihr mindesten drei Nummern zu groß und war eindeutig ein Männer langarm Shirt.

Ich wollte gar nicht wissen, was unter ihrem Klamotten war... Sie sah so zugerichtet aus, es war viel schlimmer als man es sich vorstellen konnte.

Automatisch flossen mir die Tränen wieder runter und ich hielt mir eine Hand vor dem Mund um nicht loszuschreien... Es tat so weh...

„Hallo?... Sarah?" Dads Stimme hallte durch die Stille.

„Sarah??" Fragte er erneut nach mir. Ich musste mich beherrschen um ihn nicht in Schluchzern zu antworten.

„D-Dad?"

„Sarah? Geht es dir gut?!" Er hörte raus, dass ich weinte und jeder Vater wurde sofort panisch, wenn er sein Kind so verletzt hörte.

„Wir machen ein Videoanruf, okay?" Schlug er vor und ich nickte nur, vergessend, dass er mich nicht sehen konnte.

Keine drei Sekunden später bekam ich seine Anfrage, akzeptierte sie und sah meinen Vater auf dem Bildschirm: „Hey, Kleine... Was ist de-... Warum bist du voller Blut?!"

Als Rose zusammenbrach und ich sie auffing, hätte ich sie fest an mich gehalten... Die rote Farbe der Flüssigkeit von dem zu großen Pulli von ihr hatte sich an meinem weißen T-Shirt abgefärbt. Kurz gesagt, ich sah mit meinen Händen, den Großteil meiner Arme und dem T-Shirt aus, als wäre ich selber ziemlich verletzt...

„Ist dir schwindelig? Oder schlecht?... Warum bist du nicht im Krankenhaus?!" Auch wenn mein Dad schon tausende von Notfällen und sehr schlimmen Verletzungen an Patienten hatte,... wurde er doch schnell panisch, wenn seine eigenen Kinder blutüberströmt so weit von ihm weg waren.

War verständlich.

„Dad... das ist nicht mein Blut." Erklärte ich schnell. Wir bräuchten zu lange, es verging viel zu viel Zeit in der wir hätten Rose helfen können.

„Von wem dann?" Hatte sich mein Vater beruhigt.

„I-ich... E-s..." Ich brachte keinen vernünftigen Satz heraus. Ich konnte nicht klar denken, sobald ich Rose so da liegen sah... Ich wollte einfach nur weinen.

Bevor ich die Chance dazu hatte, nahm mir Jane das Handy aus der Hand: „Hi, ich bin's." Begrüßte sie ihn schnell, bevor sie die Innenkamera ausschaltete und näher an Rose ran ging.

„Zieht ihr den Pullover aus und die Hose."

Brian und Ryan befolgten gleich Dads Anweisungen und versuchten ihr so vorsichtig es nur ging die Kleidung auszuziehen.

„Ich muss alles wissen."

Luke übernahm es alles Dad zu erzählen, auch wenn sie sich alle nicht wirklich die restlichen Verletzungen erklären könnten. Sie dachten Rose wäre wegen den Drogen in eine Schlägerei geraten und konnte wegen dem Konsum nicht klar denken.

Ich wusste es besser.

Sobald ich Rose nur noch von schwarzer Unterwäsche gekleideten Körper sah, wusste ich, was sie hat durchmachen müssen.

Wie konnte ein Mensch jemanden nur so zurichten?

Rose Oberkörper war bedeckt von kleineren und größeren Blutergüsse, zusammen mit ein paar Schnittwunden, die ihr das Atmen umso schwerer machten.

Ihre beiden Handgelenke hatten blutige blau gefärbte Umrandungen, als hätten sich dünne Seile immer weiter in ihre Haut gerieben, bis ihr das Blut die Arme entlang floss.

Ihr Finger waren teils blutig aufgerieben und ihren Fingernägel waren mit roter halb getrockneter Flüssigkeit verfärbt.

Ihr Hals hatte Spuren an sich. Würgspuren. Man konnte ausmachen, wo welche Finger angesetzt war, um ihr die Luft abzuschneiden.

Sie hatte auch überm ganzen Körper verteilt deutliche Biss- und Kratzspuren, man könnte meinen, dass Rose von einem Tier angefallen wurde. Das war nicht mehr normal.

Was mich innerlich am meisten zerbrach, waren die Blutergüsse an ihren Inneren Oberschenkeln und der Taille entlang.

Mir war klar, dass meine Freunde nicht wirklich wussten, was die bedeuteten, immerhin hatten sie noch nie mit so einem Fall zu tun gehabt.

Nur Dad und ich... Aber wir beide behielten es für uns.

Es war Rose Aufgabe es Ihnen zu erzählen und nach diesem Vorfall jetzt, konnte sie sie nicht mehr weiter anlügen. Sie hatte keine Wahl, sie musste ihnen die Wahrheit sagen.

„Zeigt mir die Einstichwunden der Nadel."

Jane hielt mein Handy näher an Rose Innenseite des rechten Ellbogengelenks. Dort waren ungefähr drein kleine Einstichspuren, die man nicht gesehen hätte, wenn um Ihnen herum nicht die Adern pochend herausstachen.

„Wie ist ihre Temperatur?" Fragte Dad weiter und wir konnten nur schätzen: „Sie ist wirklich heiß. Nicht warm, sondern heiß." Hielt Brian seine Hand an Rose Stirn.

„Kühlt sie ab. Holt Eis und Tücher mit kaltem Wasser und verteilt sie auf ihrem Körper. Diese Droge wird sonst unerträglich."

Sofort rannten Luke und Maria los Richtung Küche, während Brian leicht ihre Verletzungen abtastete.

„Wenn wir Glück haben ist nichts gebrochen, aber das wird mehr als nur unangenehm für sie werden."

Wenn er doch nur wüsste, dass sie das nicht das erste mal durchmachen musste.
Bevor ich nach England kam, durchlebte Rose diese Schmerzen schon seit ungefähr zwei Jahren und war danach immer alleine gewesen. Wie konnte sie sowas ohne jegliche Hilfe überstehen?

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