Kapitel 93

Tage vergingen und ich wurde dem glücklichsten Menschen der Welt langsam zur Konkurrenz. Es sind fast acht Wochen in denen Rose und ich offiziell ein Paar waren und uns immer und immer näher kamen. Neun Wochen seit dem ich sie das erste Mal auf meiner Couch geküsst hatte,... Acht Wochen seit dem sie eingewilligt hatte meine Freundin zu sein... Inzwischen hatte sich die Neuigkeit über unsere Beziehung endgültig ausgebreitet und die sehr direkten Flirts waren zwar weniger geworden, aber die Blicke blieben. Man gewöhnte sich nicht wirklich daran, aber man lernte sie zu ignorieren...

Was mich am meisten erstaunte war, dass sich Maria und Rose um einiges besser verstanden. Maria war noch immer mit ihrer Freundin und anscheinend beruhigte es Rose... Zumindest waren sie jetzt so etwas wie Freunde...

Rose hatte sich in den letzten Wochen um einiges verändert... Sie ist lockerer geworden, glücklicher und selbstbewusster... Es war erstaunlich mit anzusehen, wie ihr wahres, eigentliches und sehr lange verschlossenes Ich zum Vorschein kam. Es tat gut zu sehen, wie sie mir schon fast vollständig vertraute.

Und hier saß ich, verträumt auf die Uhr starrend und die Sekunden abzählend. Ich war hier in der Uni, kurz vor dem Abschluss des Semesters und versuchte vergebens meinem Professor zuzuhören. Es war so schwer, wenn ich doch nur einfach nach Hause wollte zu meinen Freunden und meiner Freundin...

Es waren keine wichtigen Vorlesungen mehr, deshalb war ich ein von sieben, die hier drinnen saß und sich selbst dazu zwang hin und wieder Notizen zu machen. Olivia, Mace, Scarlett und Julia hatten sich entweder vorgezogen in der Urlaub zu fahren oder hatten einfach keine Lust mehr und machte was weiß ich was. Typisch ich konnte ich mich selbst nicht dazu zwingen die restlichen Vorlesungen zu schwänzen... Ich wollte erstens kein schlechten Eindruck bei den Professoren hinterlassen und zweitens hatte relativ schnell ein schlechtes Gewissen... immerhin musste ich Erwartungen von meinen Eltern und von den Santos erfüllen. Ich wollte alles andere, als sie enttäuschen.

Naja, nach weiteren zwei Stunden war es für heute endlich vorbei. Müde vom ganzen zuhören, packte ich meine Sachen zusammen und schlenderte raus. Es war warm, trotzdem nicht warm genug um mit einem Short rumzulaufen. Es war ein angenehmes warm, was zur Abwechslung auch ohne Regen vorkam.

Ich kam raus, blieb stehen und sah um mich. Die wenigen Studenten liefen an mir vorbei, während ich nach einem speziellen Gesicht suchte. Kein Motorrad war geparkt am Rande des Gehsteigs, keine Rose stand auf mich wartend an der Maschine angelehnt. Sie war heute nicht da, was mich leise seufzend ließ. Rose holte ich so oft es nur ging ab, aber an wenigen Tagen wie heute konnte sie nicht, sondern musste irgendwo aushelfen oder im Club arbeiten...

Demnach hatte ich die Wahl entweder mit dem Bus zu fahren, oder zu Fuß nach Hause zu gehen.

Die kleinere Uni in London war nicht sonderlich weit von meiner Wohnung entfernt, außerdem war kein schlechtes Wetter und ich saß so oder so schon für lange vier Stunden in diesem Saal. Also war es es das beste meine Beine etwas zu vertreten,...

Auf dem Weg telefonierte ich mit Mom und mit Sophie, beide freuten sich schon, wenn ich Semesterpause hatte, damit ich sie besuchen kommen konnte und in vier bis fünf Wochen war es möglich.

Ich vermisste sie, dass war logisch... aber ob ich New York vermisste? ... Konnte ich selber nicht wirklich sagen... Einerseits ja, immerhin bin ich dort aufgewachsen und habe dort fast 21 Jahre meines Lebens verbracht. Andererseits waren vier davon die schrecklichstes, die ich in einer innerlichen Finsternis verbrachte, die mich unaufhaltsam immer und immer weiter auffraß.

Ich musste dort weg,... aber ob ich wirklich wieder dorthin zurück wollte?

Etwas, auf das ich keine Antwort hatte und ehrlich gesagt auch noch nicht darüber nachdenken wollte. Mein Leben lief gerade so gut, ich wollte es mit solchen schmerzenden Gedanken nicht wieder runterziehen...

Rose war meine Zukunft.

Sina war meine Vergangenheit.

Nach etwas mehr als eine Dreiviertelstunde stand ich vor meiner Wohnungstür und sperrte auf, nachdem Jane nicht aufmachte, obwohl ich sie von hier außen singen hörte...

„Wieso bitte hast du so lange gebraucht?!" Sah mich Luke als erster.

„Ich bin gelaufen, Rose konnte mich nicht abholen und ich hatte keine Lust auf den Bus." Antwortete ich und legte meine Tasche ab.

„Wenigstens bist du pünktlich zum Essen." Schrie Jane aus der Küche und drehte den Radio etwas leiser, „Brian und Ryan mussten heute auch früher arbeiten."

Es war nur logisch, wenn die beiden arbeiten musste, war Rose automatisch miteinbegriffen. Die drei machten sowieso so gut wie alles zusammen.

„Ich glaube, dass keiner von ihnen heute noch Zeit haben wird... Aber sie werden morgen vorbei kommen." Nahm Luke den freien Platz neben mich und wartete ungeduldig, bis Jane endlich mit dem kochen fertig war.

„Habt ihr euch eigentlich schon Gedanken darum gemacht, wann wir wieder nach Hause fliegen?" Griff sie dann das Thema auf, dass ich versuchte so weit es nur ging hinauszuschieben.

„Wie wäre es mit dem 14.06? In etwas mehr als vier Wochen... da ist das Semester vorbei." Schlug Luke vor und scrollte am Handy nach Flügen.

Schon in vier Wochen?!
Was ist, wenn ich noch nicht bereit dafür bin? Alles lief gerade so gut...

„Schon so bald? Leute, wir können noch etwas warten..." Versuchte ich es, aber beide schüttelten den Kopf: „Ich will wieder nach Hause, das letzte Mal ist ewig her."

„Ja, aber trotzdem haben wir lange drei Monate..." Ich betete, dass mir meine Verzweiflung nicht anzuhören war...

„Umso früher wir dort hingehen, desto länger können wir dort bleiben. Das ist nur logisch." Verstand Luke nicht, warum ich mich so dagegen wehrte.

Ich seufzte: „Wollen wir vielleicht nicht alle hier her einladen?"

„Sarah,..." Kam Jane zum Esstisch, stellte die große Pfanne mit den Asiatischen Nudeln in die Mitte und setzte sich mir gegenüber, „Warum willst du nicht zurück?"

Ich hatte diese Frage nicht so direkt erwartet... und vor allem nicht diese skeptischen Blicke von ihnen.

Sie hatten bemerkt, dass ich nicht nach Hause wollte... Wie sollte ich es Ihnen bitte erklären? Ich war mir nicht mal sicher, ob sie es verstehen würden... aber sie hatten nun mal keine Ahnung, wie es sich anfühlte wieder direkt in die Arme von einem unmenschlichen Schmerz zu rennen. Es war so hart, allein der Gedanke daran, heiß mein Herz schwer in meiner Brust schlagen...

„Wegen Sina." Erriet es Luke. Mein Gesicht sagte mehr als 100 Worte...

Es stach in mir vor Schmerz beim lauten Aussprechen ihres Namen. Schon seit Längerem habe ich diese vier Worte von jemanden über die Lippen kommen hören... Es hatte noch immer den selben Effekt wie damals...

Ich senkte meinen Blick und stocherte mit der Gabel in meinem Essen herum. Luke hatte Recht...

„Ich will nicht." Flüsterte ich leise, mir meine Unentschlossenheit heraushörend.

„Warum nicht?" Hakte Luke vorsichtig nach.

Wie sollte ich es Ihnen bitte sagen?! Wie sollte ich Ihnen erzählen, dass ich sobald ich in New York ankam, ständig gegen die Flut von Tränen ankämpfen musste?! Oder bei jedem schnelleren Auto mich sofort umdrehte und durch die Scheiben nach der einen Person schaute?! Wie, wenn jede Kleinigkeit an meine frühere Liebe erinnerte?!

„E-es... Es läuft alles so perfekt hier." Ich merkte, wie sich vereinzelnd Tränen in meinen Augen bildete.

„Du willst nicht zurück, weil Sina dort viel präsenter in deinem Leben ist und hier du mit nichts von dem konfrontiert wirst, stimmt's?" Setzte Jane logisch zusammen. Sie tauschte höchstwahrscheinlich besorgte Blicke mit Luke aus, während ich mich nicht dazu bringen konnte von meinem Teller aufzuschauen. Ich dachte ich hätte das alles mittlerweile im Griff,... aber Sina war und wird für immer meine verwundbarste Stelle bleiben...

„Sarah,... Du kannst davor nicht weglaufen. New York ist dein zu Hause..." Lukes tiefe Stimme brachte mich aus den Gedanken und ließ mich leise seufzen: „Ich kann's versuchen."- „Wir werden da sein, okay? Du wirst es dort nicht alleine durchmachen müssen..." Versprach sie mir, bevor sie etwas lachte: „Außerdem, was würde Sina davon halten, wenn du nicht zum Big Apple zurück willst nur weil dort verstorben ist?... Denk nur an ihren Blick." Sie imitierte Sinas Gesichtsausdruck, den sie mir jedesmal gegeben hatte, sobald ich mich vor irgendetwas gedrückt hatte.

Ich wollte nicht, aber musste auch lachen. Erstens konnte Jane sie wirklich wahnsinnig gut nachmachen und zweitens konnte ich mir noch sehr sehr gut an diesen Blick erinnern. Der brachte einem immer zum Lachen, bis Sina dann irgendwann verzweifelte, weil es nie wirkte...

„Sie würde das nicht wollen, Sarah." Erinnerte mich Luke, bevor er sich den Mund voll mit den Nudeln stopfte. Manchmal benahm er sich immer noch wie ein Teenager.

„Okay, okay... können wir jetzt über was anderes reden?" Sina war noch immer ein empfindliches Thema für mich, demnach Versuchte ich die Gespräche über sie so gut es ging kurz zu halten oder ganz zu vermeiden. Eine Taktik, die mir einigen Schmerz vermeidet.

Der restliche Tag verlief... chillig. Jane und ich gingen noch etwas shoppen, bevor wir alle zusammen vor dem Fernseher saßen und uns über irgendeinen Film aufregten. Typisch für uns, Brian, Ryan, Maria und Rose hatten sich schon daran gewöhnt, auch wenn sie anfangs wirkliche Schwierigkeiten damit hatten, aber hey, unser Wohnzimmer, unsere Regeln.

Ich konnte den morgigen Tag gar nicht abwarten, alles was ich wollte, war endlich Rose wieder zu sehen...

...

„Wow, ich bin mal vor ihnen da?" Kam Maria rein und umarmte uns alle, „Habt ihr sie mit eurer Unpünktlichkeit angesteckt?!"

„Hey!" Schlug ich ihr leicht gegen den Arm.

„Außerdem bist du ganze zwei Minuten zu früh, also bitte!" Verschränkte Jane ihre Arme vor der Brust.

„Ernsthaft, zwei Minuten?" Lachte Maria nur und schmiss sich aufs Sofa.

„Lange zwei Minuten." Korrigierte Luke sie.

Dann endlich klingelte es.

„Hey, Baby." Begrüßte Brian Jane gleich und Ryan küsste Luke auf die Wange: „Hey, Süßer." Man merkte, dass die beiden Brüder waren.

„Wo ist Rose?" Fragte ich, als die beiden die Tür hinter sich schlossen.

„Rose?" Fragte Brian und kam ins Wohnzimmer: „Ich dachte sie wäre schon hier."

„Sie wird bestimmt gleich kommen." Versicherte mir Ryan und setzte sich neben mich, „Sie wird mit Sicherheit kein Chill Abend mit uns verpassen,... vor allem nicht mit dir."

„Das stimmt." Lachte Maria, „So verliebt wie ihr beiden seid."

„Schon was bemerkt, Leute?" Warf Luke ein, „Jeder einzelne von unserer kleinen Gruppe hier ist vergeben."

Wow, da hatte er Recht. Als wir hier her gekommen waren, gab es nur Brian und Jane als Couple und jetzt? Jetzt waren alle happy in einer Beziehung, wer hätte das gedacht?

„Wir können auf ein Group Date gehen!" Schrie Ryan vor Begeisterung, aber Jane schubste ihn wieder auf die Couch: „Machen wir das nicht gefühlt jedes Mal?" Auch wieder war. Wir waren wie eine Gang... immer zusammen.

„Also, was machen wir jetzt?"

Wir spielten Wii und PlayStation... Lustiger ging's nicht. Die Jungs verloren hochkant gegen unser Mädels Team und sie verstanden einfach nicht warum. Ihre Theorie,... wir schummelten anscheinend.

Sogar in FIFA waren wir besser... Irgendwas lief da ernsthaft falsch. Als Strafe musste die Jungs den Abwasch machen... Der Abend hat sich echt für uns gelohnt, würde ich jetzt mal so sagen.

„Komme gleich wieder." Ich lief mit meinem Handy in mein Zimmer und sah auf meinem Display. Keine Nachricht... Rose war bis jetzt noch nicht da, hatte fast vier Stunden Verspätung und meldete sich einfach nicht. War sie noch immer im Club?

Ich wählte ihre Nummer, bekam aber nur die Mailbox dran.

Wo blieb sie denn?!

Seufzend lief ich zurück ins Wohnzimmer.

„Hast du sie erreicht?"

Ich schüttelte mit dem Kopf und checkte erneut, ob ich in den letzten 15 Sekunden nicht doch eine Nachricht erhalten hatte. Nope, nichts.

„Wie lange arbeitet sie denn heute?" Fragte ich Ryan, der seine Augenbrauen zusammenzog: „Gar nicht."

Was?

„Sie musste etwas dringendes erledigen und konnte deshalb gestern und heute nicht arbeiten..."

Was wichtiges erledigen? Wieso sagte sie mir dann nicht Bescheid? Und warum konnte sie mir nicht einmal schreiben oder wenigstens mal rangehen?

„Ich hätte eigentlich gedacht, dass sie heute noch kommen wird." Zuckte Brian mit den Schultern und trank sein Wasser zu Ende.

„Was musste sie denn erledigen?"

„Keine Ahnung... Hat sie uns nicht gesagt, aber sie musste relativ schnell weg." Meinte Ryan und kratze sich am Nacken.

Ich hoffte die meldete sich bald.

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