Kapitel 35

Sarah

Ich hatte es geschafft.

Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben meine Gesichte laut ausgesprochen ... Nie hätte ich gedacht es auch zu schaffen. Solche Erlebnisse, die einen die Stabilität im Leben einfach entrissen, waren schwer in Wort zu fassen. Es war, als würden uns mit Absicht diese Wörter fehlen, die wir zum beschreiben brauchten,... Als sollte der Schmerz nur für uns sein, ohne ihn teilen zu können.

Ich behaupte nicht, dass es mir plötzlich wieder um einiges besser gehen würde, nur weil ich über es meine Lippen gebracht hatte, denn das war nicht der Fall. Der Schmerz war noch immer da. Mein Herz schlug noch immer voller Trauer. Meine Seele war noch immer ohne jegliche Hoffnung. Es war noch genau wie vorher und ich bezweifelte nicht mehr, dass ich jemals darüber hinweg kommen würde,... ich wusste es.

Ich hielt es nicht sonderlich länger bei den anderen aus. Ryan, Brian, Maria und Dorothea wusste nicht so ganz, wie sie damit umgehen sollten, oder besser gesagt mit mir. Für sie war ich eines dieser Personen von denen jeder wusste, dass es sie gab, aber man nie selber dachte, dass man so jemanden mal begegnen würde. Es war mir klar, dass es eine Weile dauern würde, bis sie mich wieder einigermaßen normal ansahen,... komplett normal würde nie mehr passiere.

Daher bin ich eine viertel Stunde nach Erzähl Ende auch gegangen. Natürlich wollte Luke und Jane mit, aber ich machte ihnen klar, dass ich allein sein wollte und einfach eine Auszeit von jeden hier brauchte.

Ich brauchte dringend eine Ablenkung. Irgendwas, dass mich weit von meiner Trauer brachte, auch wenn es nur für eine kurze Zeit war... Aber mir blieb keine andere Möglichkeit, als durch die Straßen Londons zu gehen und den kalten Wind gegen mein Gesicht zu spüren. Die Stille half nicht sonderlich. Erinnerungen kamen einfach wieder und wieder und eines wusste ich, ich würde weder in dieser Nacht, noch in der nächsten gut schlafen können.

... Nein, aber nicht jetzt. Jetzt wollte ich mich noch nicht damit rumschlagen, nur um am Ende doch zu verlieren. Diese Nacht wird besonders schlimm für mich werden,... außer ich versuchte sie zu lindern. Ich hatte keine Kraft weiter über Sina nachzudenken, dass einzige, was mein Körper jetzt tun konnte, war Wasser für meine Tränen zu sammeln. Ich musste mich irgendwie ablenken, egal mit was, Hauptsache es brachte mich irgendwie auf andere Gedanken.

Ehrlichgesagt hatte ich keine Ahnung wohin meine Füße mich trugen, aber ich gab ihnen gerne die Kontrolle und versank schon schnell wieder in meinen Gedanken. Die Kälte schon gar nicht mehr spürend, ignorierte ich die kleinen kalten Schneeflocken und machte autonomisch einen Schritt nach den anderen. Ich weiß nicht, wie lange ich schon lief, geschweige denn, wie viel Uhr es war, aber irgendwann merkte ich, dass ich schon seit einer Weile reglos am selben Fleck stand. Meine Beine weigerten sich auch nur einen Schritt weiter zu machen... ich war anscheinend genau dort, wo sie mich haben wollten...

Ich sah auf und fand mich vor einer bekannten Wohnungstür wieder.

Der Wohnungstür von Rose Smith.

Ich verfluchte meine Beine, dass sie mich ausgerechnet hier her bringen mussten,... aber gleichzeitig war ich ihnen unglaublich dankbar. Aber ich wusste nicht ganz, was ich jetzt machen sollte. Rose und ich kannten uns wirklich nicht besonders gut und ich hatte immer noch keine Ahnung, ob sie aus Schuldgefühlen nett zu mir war... So kompliziert... obwohl ich doch nur jemanden bei mir haben wollte, der mich nicht mit diesen Blick ansah, wie es die anderen alle taten. Ich wollte doch einfach nur... sie. Ja, ich wollte in diesem Augenblick nur bei ihr sein und mich endlich wieder sicher fühlen. Sicher vor diesen so schmerzhaften Gedanken, die mich ohne Hilfe nicht verlassen würden.

Aber ich traute mich nicht.

Ich hatte Angst, Angst davor, dass sie mich wegstoßen würde und ich ganz auf mich alleine gestellt war. Es würde mir nur noch mehr wehtun.

Verzweifelt setzte ich mich auf den Boden, angelehnt an der Wand neben ihrer Wohnungstür und ließ leise ein paar Tränen meine Wange unterrollen. Ich gab keinen Laut von mir, ich wollte nicht, dass sie mich hier draußen vor ihrer Tür bemerkte und mich höchstwahrscheinlich wegschickte. Nur zu wissen, dass sie sich gleich hinter der Wand hinter mir befand, half mir schon sehr. Fragt mich nicht warum irgendwie alles erträglicher in ihrer Nähe wurde... ich wusste es selber nicht.

Ich schloss meine Augen und versuchte mich weitgehend zu beruhigen. Hier im Gebäude war es noch immer kalt, dennoch wärmer als draußen, wo es nur ununterbrochen schneite, dass man schon glaubte, Morgen sei die ganze Welt eingeschneit. Sobald es aufhörte, würde ich nach Hause gehen. Auch wenn ich nichts anderes wollte, konnte ich nicht die ganze Nacht hier sitzen. Nach jeder vergangenen Stunde stieg das Risiko, dass jemand kam und mich hier sah. Also wartete ich, in der Hoffnung, dass es nicht aufhörte zu schneien und es nie mehr Morgens wird...

Es vergingen Sekunden und Minuten... Wie viele Stunden wusste ich nicht, aber ich blieb einfach ununterbrochen dort sitzen... Der Schnee wurde nicht weniger, eher stürmischer und mehr. Ich wusste, dass ich jetzt unbedingt gehen musste, wenn ich nicht wirklich bis zum nächsten Tag hier festsitzen wollte.

Ich hatte vorgehabt aufzustehen, aber etwas ließ meine Glieder einfrieren... Atem anhaltend verharrte ich in meiner Sitzposition und lauschte den leisen aber schnellen Schritten in der Wohnung hinter mir. Ich hätte eventuell wegrennen sollen,... aber ich blieb einfach da. Nicht, weil ich wollte, eher weil ich nicht konnte. Als wäre ich aus Eis und könnte mich nicht im geringsten bewegen.

Die Schritte wurden immer deutlicher und ich betete, dass sie an der Tür einfach vorbei gingen...

Die Person zu der die Schritte gehörte, griff nach der Türklinke und öffnete die Tür neben mir.
Natürlich war es niemand anderes als Rose Smith.

Hätte mich denn kein Nachbar finden können?

Selbst als es mehr als offensichtlich war, dass sie mich gesehen hatte, bewegte ich mich noch immer kein Stück. Ich starrte die nur an. Angst davor habend, wie sie darauf reagieren würde. Immerhin saß ich vor ihrer Tür,... Oh Gott, sie wird mich als ein Stalker oder Creep halten...

Aber mir war es egal. Allein, dass sie neben mir stand, half mir Unmengen. Ich wusste, sie sah mir an, dass ich traurig war, aber sie konnte nicht sehen wie verletzt, wie kaputt ich von innen war. Keiner wusste, wie sich das anfühlte,... aber ich war ein innerliches Wrack, ohne jegliche Hoffnung, wieder ganz zu werden.

Ich sah sie weiterhin nur an, wissend, dass sie nicht von meinen Augen ablesen konnte, in welchen Schmerzen ich war... Sie konnte es nicht sehen,... Sie konnte es auch nicht verstehen...

Es waren nur ein paar Sekunden, die sie dort stehend verbrachte,... Es kam mir jedoch vor, wie eine Ewigkeit. Ich wollte, dass der Moment für immer verweilt... genau hier... genau jetzt.

Aber das tat es nicht.

Als sie mich entdeckt hatte, verharrte sie in ihrer Bewegung. Ihre Augen waren kalt wie immer, als wäre jegliches Gefühl aus ihnen ausgesagt worden... Nur ihr Gesichtsausdruck zeigte etwas, was ich bisher nur einmal wirklich an ihr gesehen hatte.

Angst.

Besorgnis.

Sobald ihr Blick mich traf, kam etwas anderes noch dazu.

Erleichterung.

Diese vier Sekunden, die sie mich so ungläubig anstarrte, da schien sie erst langsam zu erahnen, dass ich es wirklich war... Sie hatte definitiv nicht mit mir gerechnet... nur warum war sie so besorgt?

„Sarah." Klang es eher wie eine Feststellung. Man hörte die Besorgnis und gleichzeitig doch die Erleichterung aus ihrer Stimme und irgendwie mochte ich es sehr. Ich stellte mir vor, dass ihre Fürsorge mir galt... ich hätte es geliebt...

Ich sah sie allerdings nur weiterhin an, kriegte einfach meinen Mund nicht auf... Es war als hätte ich in dem Moment vergessen, wie es ging.

Nur brauchte ich keine Worte...

Sie wusste, ich brauchte Hilfe. Hilfe die Nacht zu überstehen, ohne einen Nervenzusammenbruch zu haben. Ich hatte zwar keine Ahnung, woher sie das wusste, aber sie tat es. Sie kam die vier Schritte rüber zu mir und nahm meine Hand in ihre. Sie fühlte wahrscheinlich, wie kalt ich war, denn sie sah mich wieder besorgt an.

Ohne eine Sekunde länger zu zögern, legte sie einen Arm unter meinen Kniekehlen und den anderen etwas oberhalb meiner Taille. Sie hob mich vorsichtig hoch und behielt mich in ihre starken Arme, als wäre ich ein Leichtgewicht und doch gleichzeitig so fest, als wäre ich das Wertvollste auf der Erde und sie mich um nichts auf der Welt loslassen wollen würde.

Ich war überrascht...ehrlich gesagt mehr als nur das, aber mir war es egal. Als wäre es das normalste auf der Welt, reagiert mein Körper ohne meinen Kopf Mitspracherecht zu gestatten. Sobald mein Kopf ihre Schulter berührte, fühlte ich was, dass mir sonst keiner in dem Moment hätte geben können.

Pure Sicherheit.

Ich fühlte mich so sicher, dass ich erst da merkte, wie kaputt und so schwach ich war. Ich konnte nicht länger jedem die Starke vorspielen, wenn ich nicht einmal mehr die Kraft dazu hatte... Ich musste aber. Vor allem meine Familie konnte ich diese Angst und diesen Schmerz nicht wieder zumuten... Aber ich musste es an irgendjemanden auslassen... Und Rose war diejenige, die mein Herz eventuell verstehen konnte, wie niemand anderes. Sie sah mich schließlich an, wie niemand anderes. Sie sprach mit mir, wie niemand anderes... Sie ließ mich das fühlen, was sonst niemand konnte.

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Sorry Leute, dass es so lange gedauert hat und es auch nur ein Kapitel ist... Ich habe nicht sonderlich viel Zeit, weil ich gerade in ENGLAND bin! 😎... Ich versuche so schnell es geht das nächste zu schreiben und zu veröffentlichen...

Danke für die vielen Kommentare und „Likes"... und auch die Spekulationen, die mir manche geschickt haben 😃 waren sehr interessante dabei,... und lustige😂

Danke nochmal...

~Unknown

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