Kapitel 14

Die Zeit für heute in der Universität war vorbei und ich war auf dem Weg zur Bibliothek.

Heute regnete es zur Abwechslung mal nicht, aber dafür war es sehr schwül und ließ mich unter meinem Mantel und meinem Pullover erzittern. Ich wickelte meinen Schal enger um meinen Hals, aber sobald meine kalten Fingerspitzen meine Haut berührten, zuckte ich zusammen und steckte meine Hände sofort wieder in meine Manteltasche, in der Hoffnung sie während des Weges einigermaßen zu wärmen.

Der Weg kam mir länger als sonst vor, ich schob es auf die Kälte und zwang meine Beine schneller zu laufen. Erleichterung überkam mich, als ich endlich den eisigen Türgriff der Bibliothek unter meiner Hand hatte und auf machte.

Ich zitterte noch immer, als ich vor Dorothea stand und sie begrüßte. "Oh, du armes Kind. Setz dich hin, ich hole dir eine Decke und eine heiße Tasse Kaffee."

Was ich auch tat.

Die Bibliothek war wie sonst auch immer leer, nachdem ein etwas älterer Mann wieder den Weg nach draußen genommen hatte.

Also hatte ich die Hängematte und den ganzen gemütlichen Leseplatz nur für mich alleine.

"Ja, England ist ein riesen Unterschied zu Amerika..." Gab mir Dorothea die Decke und ich kuschelte mich sofort in sie ein.

"Definitiv." Stimmte ich ihr zu und sie lächelte: "Ich hole dir noch schnell den Kaffee." Genau als sie weg war, bemerkte ich, dass mein Buch noch auf dem Tisch lag, der etwas weit von mir entfernt war.

Oh man. Gerade wollte sich mein Körper wieder wärmen und dann musste ich schon wieder aufstehen?! Raus aus der angenehmen Wärme?! Auch wenn es nur für ein paar Sekunden war, wollte ich es einfach nicht... hatte aber keine Wahl.

Seufzend stand ich auf und rannte zum Tisch hin, schnappte mein Buch und war gerade dabei mich wieder umzudrehen, als ich doch inne hielt.

Da war noch ein anderes Buch...

Neugierig, wie ich war, nahm ich auch das mit zu meiner Hängematte. Gott, war ich glücklich wieder unter der Decke zu liegen...

Aber meine Neugierde meldete sich wieder und ließ meine Aufmerksamkeit auf das fremde Buch schweifen. Es war dick, dicker als meines, das ich gerade las und komplett in schwarz. Auch die Überschrift war ein einem stechenden rot geschrieben:

Mein Leben ohne Krieg. Mein Leben ohne Sie.

Ich kannte es nicht und habe auch noch nie darüber gehört. Aber es klang interessant.

Ich drehte es um und las mir den Klappentext durch:

Wie kann man sich rechtfertigen für das, was man getan hat? Was man anderen angetan hat? Wenn man keine Wahl hatte, macht das einen Unterschied?

Diese Fragen verfolgten mich eine lange Zeit in meinem Leben.

Keiner... Keiner konnte sie mir beantworten und ich hätte noch weiter mit diesen qualvollen Gedanken leben müssen, wenn ich mich nicht entschieden hätte, es aus eigener Kraft zu erfahren.

Hätte ich es nicht getan, würde ich ein einsames restliches Leben geführt haben. Würde ich die Bedeutung der glücklichen und schönen Sachen vergessen haben. Würde ich noch immer mit einem schwachen und leeren Herzen gegen mein Ende kämpfen und wäre alleine gestorben.

Das alles wäre geschehen, wenn ich nicht den Mut gefunden hätte....

Und hätte ich es nicht gemacht, hätte ich sie, die eine, meine Liebe, wahrscheinlich nie wieder in den Arm nehmen können, nie wieder so nah sein können, nie wieder so lieben können.

Aber... ich habe gelernt,... man hat immer eine Wahl.

Ich starrte auf den Klappentext.

Diese paar Sätze hatten wirklich was in mir geweckt. Ich wollte unbedingt wissen, was der Schreiber damit meinte... Ich wollte unbedingt wissen, wie er es geschafft hat, sich zu überwinden und dem Schmerz den Rücken zu zukehren.

"Wo hast du das Buch her?" Fragte Dorothea, als sie die Tasse auf den Tisch neben mir hinstelle.

"Es lag neben meines auf dem Tisch... Ich wurde neugierig." Erklärte ich kurz es immer noch in den Händen haltend.

"Das Buch ist traurig..." Setzte sie an und ich wandte mich zu ihr: "Du hast es schon gelesen?" Aber sie schüttelte den Kopf: "Nein, ich bekomme es erzählt."

Erzählt?

"Ich würde es nicht lesen. Es ist... wirklich tragisch, auch wenn es ein Happy End gibt, ist es traurig."

"Warum lässt du es dir dann erzählen?" Wollte ich wissen und sie lächelte leicht: "Weil sie wirklich gut erzählen kann und es lustig macht, damit ich nicht anfange zu weinen, aber es irgendwie trotzdem schafft den Ernst der Gechichte beizubehalten."

Sie zeigte auf das Buch: "Das Buch gehört Rose. Sie hat es hier vergessen."

Oh.

"Wenn du es lesen willst, ist es kein Problem. Ich glaube sie ist fertig und sie hat wirklich nichts dagegen, jemanden, der so lesebegierig wie sie selbst ist, das Buch auszuleihen." Fügte sie hinzu, aber ich war mir da nicht so sicher.

Das Buch gehörte ihr. Ich sollte sie davor fragen...

"Liebes, ich sag ihr Bescheid, sie wird wirklich nichts dagegen haben, solange du das Buch gut behandelst." Lächelte sie mir breiter zu und ich gab nach: "Das werde ich..."

Sie glaubte mir aufs Wort und ging danach wieder vor, um mich in Ruhe lesen zu lassen.

Ich war neugierig, welche Geschichte diese Buch in sich trug und zögerte gar nicht, die erste Seite aufzuschlagen.

Es war eine Liebesgeschichte.

Ich hasste sie jetzt schon.

Warum? Weil ich wusste, dass sie traurig werden würde...

Aber ans aufhören konnte ich nicht denken, dafür wollte ich viel zu sehr wissen, was alles passieren würde und immerhin wusste ich, dass es ein Happy End gibt.

Das erste Kapitel verging wie im Flug und ich wusste, dass es um einen jüngeren Mann ging, der in den Krieg musste und zu Hause die Liebe seines Lebens zurücklassen musste...

Ich wusste, dass mich dieses Buch definitiv zum weinen bringen würde...

Allein der Abschied war schlimm.

Ich hasste Abschiede. Ich konnte den Schmerz der Figuren darin mehr als nachvollziehen...

Nur wusste ich eines nicht.

Ich wusste nicht, wie es sich anfühlte, wenn die so sehr geliebte Person wieder zurückkehrte.

Gott, ich versuchte mit meiner Vergangenheit abzuschließen, war schon kurz davor und las dann so ein Buch?!

Wirklich Sarah?!

Aufhören tat ich trotzdem nicht. Dieses Buch würde mir zeigen, wie man mit solchen Schmerzen umgehen konnte und das brauchte ich dringend, besonders, weil in etwa einem Monat die Zeit der Liebe anfangen würde...

Ich las weiter.

Am Ende des Tages hatte ich 9 Kapitel hinter mir und lag heulend in der Hängematte.

"Ich habe es dir gesagt." Lachte Dorothea und ich wischte die Tränen weg: "Mein Gott, ist das traurig!"

War es echt. Die beiden Hauptpersonen liebten sich wirklich sehr... Und dann musste einer gehen und keiner wusste, ob er jemals wieder zurückkommen würde...

Dann verstummte ich und sie merkte, dass mir eine Frage auf der Zunge brannte...

"Warum muss immer einer gehen?"

Sie verstand die Frage. Sie stand im Bezug auf die Liebe.

"Diese Frage habe ich schon mal gehört... damals habe ich ich weiß es nicht geantwortet. Das hat derjenigen nicht gereicht und hat selber eine Antwort gefunden, die ich dir jetzt mitgeben kann. Es ist nicht wirklich eine Antwort, eher der Gedanke eines Kämpfers..."

Sie gab mir ein kleines Lächen: "Nach jeder wunderschönen Zeit, wird uns Gott testen, um zu sehen, ob wir auch mit den schlimmsten umgehen können, in dem wir durch die Hölle gehen."

Ich ließ es durch meinen Kopf durchgehen...

Konnte das stimmen?

Aber warum schmerzte die Hölle bei den einen mehr als bei den anderen?

Warum musste mir unbedingt dieser Schmerz zugefügt werden?!

Es kam mir vor, als würde ich durch jede Antwort, die ich bekam, nur noch mehr Fragen haben und es nie enden würde...

War das hier hoffnungsvoll?!

Würde ich es nie verstehen?!

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