Kapitel 112
Ich wartete.
Saß da, starrte ins leere während ich meine Arme verschränkt vor mir auf den Tisch liegen hatte.
Ich dachte nicht wirklich nach,... ich behielt meine Augen einfach weiter auf die Wand gegenüber von mir gerichtet und wartete weiter.
Dorothea war oben mit Rose und dort waren beide schon seit einer halben Stunde. Ich wurde nach jedem Ticken der an der Wand hängenden Uhr immer unruhiger und musste mich nahezu zwingen sitzen zu bleiben und nicht die Treppe hochzusprinten. Man könnte meinen, ich wäre mittlerweile gut im warten und hätte meine Geduld über die Jahre ausgebaut... aber umso länger ich darüber nachdachte, desto eher kam ich zu dem Entschluss, dass sowas unsinnig war. Ich hasste es noch immer zu warten, ich zählte noch immer die Sekunden in meinen Kopf und schlug weiterhin ungeduldig meinen Daumen auf die Tischplatte. Nichts hatte sich geändert.
Das mit Wasser gefüllte Glas vor mir stand erbärmlich still da und sah mich an, als würde es mich bemitleiden... als würde es lieber ein einfach Glas mit Wasser bleiben, anstatt mit mir tauschen zu wollen. War mein Leben wirklich so grauenhaft, dass nicht mal ein Glas es haben wollen würde...?
Bitte was dachte ich da?!
Dorothea musste endlich runter kommen, hier alleine würde ich noch wahnsinnig werden...
Sollte ich wirklich einfach hoch gehen? Fragen, wie lange es noch ungefähr dauern wird?... aber das konnte ich doch nicht machen.... oder? Rose brauchte Dorothea gerade mehr als ich... ich musste Ihnen die Zeit geben.
Dann musste ich mich wohl so lange ablenken...
Ich nahm mein Handy und wählte Janes Nummer. Es klingelte nicht mehr als zwei mal, dann kann schon ein: „Sarah!"
„Hey..." antworte ich leicht unmotiviert.
„Wie geht es Rose?"
„Besser. Sie hat noch immer Schmerzen, aber Dorothea kümmert sich um sie."
„Dorothea ist wieder da??" Luke und Jane haben sie so unglaublich schnell ins Herz geschlossen, dass Usain Bolt nicht mal mithalten konnte... was ehrlich nicht verwunderlich war, Dorothea musste man einfach nur lieben.
„Ja, sie is vor ein paar Stunden in England wieder angekommen."
„Wegen Rose, oder?"
„Ja,..." Nickte ich, merkend wie die Verwirrung sich wieder deutlich in meinem Kopf machte.
„Sarah,...Rose wird schon wieder und dann klärt sich alles auf, okay?" Versuchte sie zuversichtlich die Stimmung zu heben.
Ich antwortete nicht... ich wusste einfach nicht was. Es ließ mich so klein und schwach fühlen,... dass ich keine Ahnung hatte, ob ich überhaupt in irgendeiner Weise Rose würde helfen können.
Es war einfach grauenvoll nicht zu wissen, wie man jemanden helfen konnte...
„Jane?"
„Mh?..."
...
„Liebst du Ryan?"
Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet das fragte,... aber ich hatte nicht wirklich darüber nachgedacht.
„Ja, tue ich..."
„Und wenn du Zweifel hast,... ob er der Richtige ist, den du lieben sollst?"
Ich hörte wie sie sich anscheinend von unserer Couch aufrichtete, „Was ist los, Sarah?!"
Was sollte ich sagen?! ... Dass ich mir nicht sicher war, ob ich Rose wirklich lieben sollte?! Oder dass es möglicherweise Sina war und ich nie jemand anderen geliebt habe?!
Ich hasste diese Situationen, in denen ich mich seit gefühlt endlosen Jahren befand, einfach so so sehr... Ich hatte keine Kraft mehr für diese ewige Ungewissheit und den Geheimnissen. Ich wollte einfach Klarheit, wollte wissen was wirklich passiert ist und keine Alternativen Ausreden, die mir nicht weiterhalfen.
Sollte ich dieses Buch einfach verbrennen? Wegschmeißen und es komplett vergessen? Es zurück in die Bibliothek tun und keines Blickes mehr würdigen?
Akzeptieren, dass Sina überfahren und niedergeschossen wurde? In dem weißen Grab lag am Stadtrand New Yorks? Sollte ich wirklich?
Was... bitte was sollte ich tun?
„Sarah?!" unterbrach mich Janes Stimme und holte mich wieder in die Realität aus der Gedankenwelt zurück.
„Es... tut mir leid.... ich bin nur verwirrt."
„Was ist los?... Rede mit mir,... bitte." Toll, sie machte sich Sorgen und ich konnte ihr keine Antworten geben,... zumindest noch nicht jetzt.
Ich hörte etwas und sah nach rechts, Dorothea kam die Treppe runtergelaufen und würde sehr wahrscheinlich her zu mir kommen.
„Ich muss auflegen, bis morgen."
„Sa-...!" Bevor sie überhaupt meinen Namen aussprechen konnte, hatte ich schon aufgelegt und sah rüber zu Dorothea. Sie schank sich ein Glas ein und setzte sich mir gegenüber an dem Tisch. Das eher dumpfe Licht Ober uns ließ die Räume und die jetzige Situation gemütlich wirken,... als wären weder Sorgen noch Schmerzen in diesem Raum präsent und Gelassenheit und Sorglosigkeit mehr als dominant.
Wie der Schein in diesen Moment doch trog.
Ironisch, nicht?
„Schläft sie?" Fragt ich und sie nickte: „Ja,... aber ich weiß nicht für wie lange."
Sie seufzte, bevor sie mich ansah: „Rose ist niemand, der wirklich zeigt wie dankbar sie ist... In der Hinsicht ist sie eher schüchtern,..." lächelte sie leicht, „... Aber sie ist Dir über alle Maßen dankbar, Sarah. Und ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, dass sie dich hat..."
„Dorothea." Unterbrach ich sie, ich hielt es einfach nicht länger aus, „... Ich weiß es."
Verwirrt sah sie mich an: „Was weißt du?"
„Alles. Rose hat mir von diesem Kerl erzählt." Es Direkt anzusprechen, war glaube ich das beste... und das schnellste. Ich konnte nicht länger warten...
Ich hätte von ihr eher ein Reaktion wie: „Wovon redest du?" oder „ Wieso und was genau hat sie dir erzählt?!" aber ich bekam nie solch eine Antwort. Stattdessen brach sie den Augenkontakt und nahm ein Schluck von ihrem Wasser: „Ich weiß."
Sie wusste es?
„Ich habe mich schon gefragt, wann du mich darauf ansprechend würdest."
Woher wusste sie es? Hatte es Rose ihr erzählt? Hatte sie etwas mitbekommen??
„Ja,..." Fuhr sie fort, „Rose hat mich einen Tag danach angerufen und mir gesagt, dass sie dir ihr kleines Buch gegeben hatte. Du hattest dich nicht mehr gemeldet... sie dachte, sie hätte dich verloren."
Sie wusste schon die ganze Zeit über, dass ich in Rose... Misshandlungen involviert war?
Wieso hat sie nichts gesagt? Es hätte alles um einiges vereinfacht...
„Bevor du was sagst,... ich wollte dich nicht darauf ansprechen.... ich wusste nicht mal was da wirklich alles drin stand..."
„Es ist okay." Legt ich meine Hand auf ihren Unterarm und versuchte die zu beruhigen, „Ich verstehs... ich hätte wahrscheinlich nicht anderes reagiert."
Sie nickte etwas erleichtert und sah mich wieder an: „Ich weiß, du hast Fragen... stell sie."
Wo sollte ich anfangen?!
Gleich mit der einen entscheidenden Frage?
Wusste sie überhaupt, dass Rose und Sina sich ähnlich sahen??
Kannte sie überhaupt Sina?
Wenn nicht, dann überrumpelte und verwirrte ich sie wahrscheinlich nur komplett... also musste ich kleiner anfangen.
„Wo habt ihr euch kennengelernt?"
Das überraschte sie anscheinend etwas: „An der Brücke unten, wieso willst du das wissen?"
„Wie?"
„Ähm..." sie schien zu überlegen. Normal hätte ich gesagt, dass sie nochmal nachdenken musste wie dieser Tag damals war,... aber jetzt? Jetzt schätze ich eher, dass sie überlegte, wie viel sie mir sagen und wie genau sie mir es erklären sollte...
„Mh... Es war Abends,... eine sehr kalter Abend. November um genau zu sein. Ich hatte Feierabend und lief von der Bibliothek aus nach Hause..."
Sie stockte... unsicher, ob sie weiter erzählen sollte...
Also übernahm ich für sie: „Und du kamst an eine Bank vorbei?... Eine harte kalte Bank auf der ein junges Mädchen zitternd und ihr Bewusstsein verlierend drauf lag."
„Woher...?" Schüttelte sie kurz eher ungläubig den Kopf.
„Du hast sie mit nach Hause genommen und aufgepäppelten, stimmts?" Machte ich weiter und ihrer Reaktion nach zu urteilen, lag ich nicht falsch.
„Das ist unmöglich..." Verstand Dorothea es nicht, „Woher weißt du davon?! Von Ro-..." Sie beendete ihren Satz nicht. Sie schloss ihren Mund und sah von mir weg.
Es konnte nicht Rose gewesen sein,... dass war ihr selber klar.
„Nein, nicht Rose... Sie wird sich daran nicht mehr erinnern können." Ich erkannte den Schmerz in ihrem Gesichtsausdruck...
Sie sagte nichts weiter, also griff ich in meine Tasche, die auf den Stuhl neben mir stand und holte das Buch heraus. Das Buch mit den Initialen S. S. ,... und legte es vor ihr auf den Tisch.
Vorsichtig nahm sie es in die Hand und strich sachte mit dem Finger über die zwei eingravierten Buchstaben. Sie lächelte leicht und eine kleine Träne fiel aus ihrem Auge auf das Cover... sie kannte die zwei Buchstaben.
Sie schlug es auf. Laß die erste Seite und blätterte weiter. Sie laß immer nur Bruchstücke,... aber es genügte um das wesentliche des dünnen Buches zu verstehen.
Vor allem die letzte Seite hatte es ihr angetan. Zu lesen, wie von der Autorin Sina... die Autorin Rose wurde... brach ihr wortwörtlich das Herz.
„Das war in meiner Bibliothek?" Fragte sie leise und presste die Lippen aufeinander. Sie versucht ihre Tränen zurückzuhalten,... aber es gelang ihr nicht wirklich.
„Dorothea..." Nahm ich ihre Hand und drückte fest: „... Ist es... Ist es wahr?"
„Ob es wahr ist?"
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