II
"Überraschung.", grinste mein Mitbewohner mich an.
"Du hast vielleicht Nerven.", lachte ich und umarmte ihn. "Was verschafft mir die Ehre, dass du mich mitten an einem Freitag abholst?"
"Lestrade hat angerufen..."
Sofort wusste ich, was das zu bedeuten hatte.
"Also bin ich heute alleine zuhause?"
"Nein, John und ich haben entschieden- oder besser, ich habe entschieden, dass es gut ist, wenn du zu den Tatorten mitkommst, sofern es deine schulischen Leistungen nicht beeinträchtigt. Dann kannst du lernen, auf Details zu achten und es scheint dich ja auch zu interessieren."
"Wirklich?", erstaunt sah ich ihn an.
"Ja, wirklich."
"Heißt das, ich komme jetzt mit zu...", er nickte und ich begann bis über beide Ohren zu grinsen. Entschuldigend drehte ich mich dann zu Nicky, die Sherlock anstarrte, als wäre er ein Außerirdischer.
"Nicky, es tut mir leid. Aber wenn Greg angerufen hat, heißt das, dass ich heute keine Zeit habe. Und das Wochenende über vermutlich auch nicht."
"I-Ist das Sherlock Holmes?", fragte sie leise und verwirrt nickte ich.
"Ja, genau. Sherlock, das ist Nicky. Meine Sitznachbarin und Partnerin für das Kunstprojekt. Nicky, das ist mein Mitbewohner und Freund Sherlock. Du kennst ihn?", stellte ich die beiden einander vor.
"Oh mein Gott!", rief Nicky und hüpfte auf und ab. "Ich glaub das nicht! Meine Schwester erzählt ständig von so einem Blog und von einem Consulting Detectiv namens Sherlock Holmes! Ich wusste doch, ich kenne den Namen Watson von irgendwoher!"
Verwirrt sah ich Sherlock an, doch dieser schien verstanden zu haben. "John bloggt schon seit unserem ersten Fall über unsere Ermittlungen. Und offenbar liest die Schwester deiner kleinen Freundin hier seinen Blog."
"Ach so?", fragte ich und wandte mich an Nicky, die inzwischen aufgehört hatte, wie ein Flummi herum zu springen.
"Ja, genau! Heißt das- Nein.", sie lachte. "Du willst mir doch nicht erzählen, dass du die Schwester von John Watson bist, oder?"
Ich nickte langsam. "Doch, eigentlich schon."
"Das ist ja alles wunderbar. Nicky, es war schön, Sie kennen zu lernen. Lilith wird wohl am Montag wieder Zeit haben, um mit Ihnen Kunst zu machen. Grüßen Sie Ihre Schwester und Ihren Bruder von mir und du", er legte seine Hand auf meine Schulter. "kommst jetzt mit. John hält das Taxi hin, damit wir schnell zum London Eye kommen."
"Was wollen wir denn beim London Eye?", fragte ich verwirrt.
"Wie gesagt hat Lestrade angerufen. Es gab wohl einen Mord, der bereits jetzt schon seine Kompetenzen übersteigt."
Ich kicherte und wandte mich noch einmal an Nicky, die immer noch aussah, als hätte sie einen Geist gesehen. "Ähm, ja. Bis nächste Woche dann, Nicky. Tschüss."
Sie winkte. "Genau, tschüss Lilith. Grüß deinen Bruder!"
Ich nickte und folgte Sherlock durch die Menschenmenge zu einem Taxi, in dem John tatsächlich saß und sich mit dem Fahrer unterhielt.
"Ich wusste ja gar nicht, dass du eine Internet Berühmtheit bist, Brüderlein.", begrüßte ich ihn, während ich meinen Rucksack neben mich stellte und verwirrt sah er mich an.
"Ja, mir geht es ganz hervorragend, mein Tag war sehr gut. Danke der Nachfrage.", er grinste. "Wie kommst du darauf, dass ich eine Berühmtheit wäre?"
"Weil meine Sitznachbarin eine Schwester hat und die offenbar sehr gerne deinen Blog liest."
"Ach so.", er lachte leise. "Naja, berühmt würde ich mich nicht nennen. Aber gut."
"Oh, mach dich mal nicht kleiner als du bist.", ich grinste und hörte, wie Sherlock dem Fahrer sagte, dass er uns zum London Eye bringen sollte. "Ich finde das cool."
"Danke sehr.", John schüttelte den Kopf. "Und? Wie war dein Tag?"
Ich seufzte. "Nicht besonders. Ich habe heute den Schuldrachen, unsere Kunstlehrerin, kennen gelernt. Mrs Krusha, eine ganz liebenswerte Persönlichkeit."
"Krusha?", mischte Sherlock sich ein. "Das ist bulgarisch und bedeutet Birne."
"Nicht dein Ernst?", ich lachte. "Na, wie passend."
"Und warum magst du sie nicht?", fragte John und sah mich prüfend an.
"Nun... sie mag mich auch nicht sonderlich, glaube ich. Ich habe vorgeschlagen, dass wir ja verschiedene Blätter von Bäumen in Central Park sammeln könnten, und irgendwie eine Krone daraus basteln - es geht um das Thema Umwelt -, aber da meinte sie, dass die Blätter ja eingehen würden. Als ich daraufhin meinte, dass es ja genau darum geht, weil dann würde das Zeigen, wie vergänglich die Natur ist, wenn die Menschen sie nicht in Frieden lassen, da hat sie mich angemeckert."
"Ach ja, doch so nett. Ich merke schon, das wird ein Spaß am Elternsprechtag.", grinste John und ich nickte. Dann sah ich aus dem Fenster und beobachtete die Häuser, die an uns vorbei glitten, während wir immer weiter auf das London Eye zufuhren. Keine zwanzig Minuten später konnte ich auch schon das riesenhafte Fahrgeschäft sehen.
"Na, das war ja fast mal eine Rekordfahrt.", grinste ich, während das Taxi anhielt und wir ausstiegen. Ich wuchtete meinen Rucksack wieder auf meine Schultern und seufzte. Warum musste das Teil nur ausgerechnet heute so schwer sein? John bezahlte den Fahrer noch, dann folgte er Sherlock und mir. Wir liefen schnurstracks zum Eingang des London Eye, welcher inzwischen abgesperrt war. Schon von weitem saß ich Greg und Donovan, die gerade mit einem Mann sprachen. Anderson hockte neben der Leiche und machte Bilder. Vor dem Absperrband standen Massen an Menschen, durch die wir drei uns erst einmal hindurch kämpfen mussten, ehe wir überhaupt die Absperrung erreichten. Sofort als Greg uns sah, überließ er Donovan das Verhör und kam auf uns zu.
"Sherlock! John! Lili!", rief er uns entgegen und hob das Absperrband hoch. "Schön, dass ihr Zeit gefunden habt. Der Fall stellt mich jetzt schon vor einen Haufen Fragen und keine Antwort."
"Das ist ja auch nicht schwierig.", murmelte Sherlock und ich gluckste. Greg sah ihn ein bisschen beleidigt an, wandte sich dann allerdings wieder der Berichterstattung zu, während er uns zu dem Eingang führte. Ich stellte meinen Rucksack vor der Treppe ab, da ich doch keine Lust hatte, ihn die ganze Zeit zu tragen.
"Also, das Opfer ist eine 56 jährige Frau. Die Todesursache ist völlig unersichtlich, sie scheint einfach tot umgefallen zu sein.", er sprang die wenigen Stufen zum Eingang der Gondel hoch. "Sie war völlig alleine in der Gondel, weshalb man ihren Tod erst bemerkt hat, als sie wieder unten ankam."
"Und wie heißt sie?", fragte John, während er hinter Greg die Treppe rauf ging. Ich folgte ihm, er ließ mich ganz gentlelike in die Gondel steigen und ich erstarrte.
"Alles okay, Lili?" fragte er, da ich mitten im Eingang stehen geblieben war.
"Da liegt- das ist Mrs Krusha, John."
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