XVIII

"Warum sollte das eine Falle sein?"
Mit aufsteigender Panik sah ich Mr Holmes an. Er hatte mir gerade offenbart, dass er die ganze Sache für eine Falle hielt. Und damit schwebten nicht nur er und ich, sondern auch Sherlock und John in einer undefinierbaren Gefahr.
"Henning Cortell ist... ein internationaler Verbrecher, dem wir bisher nur nichts nachweisen konnten. Aber er weiß, dass wir hinter ihm her sind. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Namen "Holmes" wiedererkennen würde. Auf welchen Namen haben Sie den Tisch gebucht?"
"Holmes.", sagte ich leise. Ich hinterfragte einfach nicht mehr, woher er wusste, dass ich den Tisch gebucht hatte. Das wäre nur Verschwendung von Hirnkapazität, und das konnte ich mir nicht leisten. "Verdammt!"
"Na, na. Immer mit der Ruhe, Lilith. Wir werden die Zwei Turteltäubchen da schon raus boxen. Rufen Sie meinen Bruder an und erklären ihm die Situation. Bei Ihnen wird er wohl an sein Handy gehen, bei mir bezweifle ich das. Und im Zweifel wird er ohnehin sagen, dass er die Ermittlungen nicht unterbrechen wird, nur weil es eine Nummer größer geworden ist."
"Okay. Okay. Gut.", ich versuchte meinen Puls wieder zu einem normalen Tempo zu zwingen, doch das war schwieriger als es sollte. Ich schaffte es aber dennoch, mein Handy zu zücken und konnte Sherlocks Kontakt wählen. Es klingelte. Einmal, zweimal, dreimal. Nach dem fünften Mal nahm Sherlock endlich ab.
"Lili, das ist nun wirklich ein sehr, sehr unpassender Moment, um anzurufen."
"Ich weiß, ich sitze knapp fünfzehn Meter hinter euch - nicht umdrehen!", wies ich ihn an und auch wenn ein offensichtliches Zucken durch seinen Körper ging, drehte er sich nicht um. "Hör zu, dein Bruder ist gerade bei mir."
"Was macht Mycroft hier?!" rief er und ich konnte selbst aus der Entfernung sehen, wie John sich aufrichtete.
"Sich mit mir unterhalten. Ist doch völlig irrelevant! Also, der Kerl, Henning Cortell, der ist ein Internationaler Verbrecher. Und Mr Holmes meinte, es wäre eine Falle. Dass er den Namen Holmes wieder erkannt haben wird, als ich den Tisch darauf gebucht habe. Sherlock, ihr schwebt in Lebensgefahr!"
Einen Moment erhielt ich keine Antwort, und ich war schon kurz davor, aufzustehen und selber zu dem Tisch zu gehen.
"Okay. Wir merken es uns, aber wir können jetzt hier nicht abbrechen." seine Stimme klang sanfter und tatsächlich etwas mitfühlend.
"Na gut, ihr müsst es wissen. Aber passt bitte auf euch auf." sagte ich ruhig und ehe Sherlock antworten konnte, legte ich wieder auf, da in diesem Moment Henning Cortell höchst persönlich auf uns zukam. Er war bekleidet mit einer Anzughose und einem weißen Hemd mit Fliege. Ein Jackett trug der etwas rundlichere Mann nicht, was allerdings den Blick auf seine prallen Ärmel frei ließ, unter denen sich zweifellos einige Muskeln verbargen. Er hatte kurz geschorene, Ginger farbene Haare, aber die gleichen durchdringenden Augen wie sein Sohn, Charles Cortell.
"Mr Holmes!" rief er und seine Stimme war zeitgleich bedrohlich und freundlich, was eine sehr verwirrende Kombination war.
"Mr Cortell." Mr Holmes lächelte distanziert und sah mit leicht angewinkeltem Kopf zu dem breiten Mann, der sich vor unserem Ecktisch aufbaute.
"Was tun Sie hier?", zischte er. "Sie haben absolut nichts gegen mich in der Hand, geschweige denn irgendwelche Beweise für irgendetwas! Verschwinden Sie also wieder!"
"Na, man wird doch wohl mit seiner Familie Essen gehen dürfen? Mr Cortell?" sagte Mr Holmes und ich verkniff mir ein Grinsen. Wie konnte ein so offensichtlich intelligenter Mann nur so blöd tun?
"Nein, Sie nich- warte, Familie?"
"Ja, richtig. Darf ich vorstellen? Meine Tochter, Lilith. Sie wohnt für Gewöhnlich bei ihrer Mutter, doch wegen ihres anstehenden Geburtstags, ist sie zu mir gekommen. Nicht wahr, Lilith?"
Ich nickte. Ich verstand zwar nicht, worauf genau Mr Holmes jetzt hoffte, allerdings vertraute ich ihm einfach, dass er wusste, was er tat.
"Ähm... f-freut mich, Sie kennen zu lernen, Mrs Holmes."
"Mich auch, ganz außerordentlich, Mr Cortell." ich lächelte ihn so aufrichtig an, wie mein überforderter Geist es zuließ.
"Ja, äh, dann lasse ich Sie wohl mal wieder in Ruhe. Verzeihen Sie die Störung, Mr Holmes." mit diesen Worten zog der Verbrecher wieder ab. Einen Moment starrte ich ihm nach, dann wandte ich mich an Mr Holmes.
"Was genau war das jetzt gerade?"
"Das, meine Liebe, war ein undercover Einsatz. Wir haben uns für etwas anderes ausgegeben, als wir sind, weil wir andernfalls aus dem Restaurant geschmissen worden wären. Ob wir die Gefahr dadurch abgewendet haben möchte und kann ich nicht beurteilen. Allerdings sind sowohl Sherlock und Doctor Watson, als auch wir beide für den Moment sicher."
Ich nickte wieder. "Wenn Sie das so sagen, dann wird das wohl so stimmen."

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